blatt:weiß II

Vom Servier-personal des Kurhauses wurde ich am Abend meines Geburtstages mit einer Sachertorte überrascht. Durch andere Gäste war ich schon vorgewarnt. Einmal im Monat gönne ich mir gerne ein Stück Sachertorte, eine Spezialität aus Wien. Die überreichte Torte war nicht eine kleinere Variante, sondern die Standardgröße und eigentlich zu viel für eine oder zwei Personen. Bei einer Gesundheitswoche will man sich nicht mit Sachertorte zupflastern. Allein, dass das Geschenk, die Sachertorte Probleme bereitet erschien mir obskur. Kurzeit ist auch Tageszeitungslesezeit und täglich wird darin berichtet, dass soundso viele Flüchtlinge, in verschiedenen Weltregion, nicht wissen wie sie sich ernähren sollen. Mir drückte es auf den Magen, weil ich nicht wusste wie ich mich im Überfluss verhalten soll. Es war gut gemeint, aber plötzlich ein Problem. Nicht nur ein Problem darstellte, sondern zum Streitfall wurde. Ich versuchte dem Personal zu vermitteln, dass ich gerne ein Stück annehme und der Rest der Torte sollte beim Küchenbuffet allen zugutekommen. Es lag wohl ein Missverständnis vor, dass die Torte aus dem Verkehr  gezogen wurde. Ich habe später meinen Wunsch nochmals wiederholt und dann geschwiegen. Irgendwo wird Sachertorte ihre Genießer gefunden haben. So verursachte uns nicht der Mangel, sondern der Überfluss Schwierigkeiten. Ein weißes Blatt Papier hat noch niemanden geschadet.

Wunscherfüllung.

blatt:weiß

Mein Geburtstag liegt jetzt ein paar Wochen zurück. Die Zeit um den Geburtstag konnte ich bei einem Kuraufenthalt verbringen. Meine Stimmung zeigte sich an diesem Tag nicht von der besten Seite, ich bemühte mich trotzdem eine gute Miene zu machen. Schon einige Wochen vorher wurde ich gefragt, was ich mir zum Geburtstag wünsche. Mein Wunsch ist seit Jahren der Selbe. Ich wünsche mir Zeit zum Schreiben, weil meine Notizbücher, eigentlich mein Kopf und mein Gehirn, von Gedanken und Fragen überquellen. Das Gehirn ist voll von Ideen und Bemerkungen, dass es schmerzt. Das Festhalten der Gedanken in den Notizbüchern ist zu wenig, schon bei der Niederschrift der wichtigen Stichwörter habe ich das Gefühl, dass sich die Gedanken in den Notizbüchern schoppen. Meinem Empfinden nach wie bei einem Nierenstein, der den Harn staut und ein Druckgefühl im Unterleib erzeugt, als würde der ganze Bereich platzen. Medizinisch versucht man den Stau so schnell wie möglich zu beheben, damit es zu keinen Nierenschäden kommt. Ein Nierenversagen führt unbehandelt zu anderen Organversagen.

Das Hirn sucht nach einer Möglichkeit den Gedankenstau aufzulösen. Andere Wünsche wollen dieses Vorhaben unterstützen.  Im fortgeschrittenen Alter gehört dazu ein möglichst beschwerdefreies und schmerzfreies Leben. Tage, welche einen nicht langweilen, aber auch nicht überfordern. Die Jahre, wo man uneingeschränkt leistungsfähig und gesund war, sind vorbei. Zum Wohlbefinden trägt auch bei, die innere Bequemlichkeit zu überwinden.

Harnleiter.

wasser:geist

Bei der großen Zahl von Seen in Kärnten, angeblich 1278,  ist es nicht verwunderlich, dass zahlreiche Sagen von Nixen und Wassergeistern überliefert sind. Die Begegnung mit einem Wassergeist im gebirgigen Montafon überrascht. Unter der Kirche von Gaschurn befindet sich eine Ruhe Oase nach dem Motto: „Wasser und Geist“. Dort stehen Sitzbänke und es gibt zwei Brunnen. Überall finden sich Zitate aus der Bibel: „ Wer aus diesem Brunnen trinkt, wird niemals Durst haben.“  „Der Geist der über dem Wasser schwebte und dem Kosmos seine Ordnung gab.“ An der Friedhofsmauer  reifen die Weintrauben heran. Hier kann man seinen Gedanken nachhängen.

Den Geist schweben zu lassen ist räumlich schwierig, da der gegenüberliegende Hang nur eine Armlänge entfernt ist. Über die Berge zu blicken ist unmöglich. Den Ausweg, den Blick talauswärts zu richten, ist möglich. Dort lockt die Freiheit und die Jungen fahren zur Arbeit und zur Unterhaltung talauswärts. Die Hoffnung verspricht ein ungezwungenes Leben, aber auch Gefahren lauern dort. Solange als möglich verhindern die Erwachsenen die Flucht aus dem Tal. Der Weg aus dem Tal wird als schwierig dargestellt, eine Versuchung, der man widerstehen soll.

Wiedersagt ihr dem Teufel, ja wir wiedersagen. Draußen liegt das Verderben und mancher ist den Verlockungen, wie Drogen, Alkohol und Spielsucht erlegen. Dort leben die Einflüsterer: „Man kann beim Glücksspiel sehr reich werden“.

Saureich.

affen:grün

Die Haut meiner Finger, welche diese Notizen um zwölf Uhr Mittag auf der Aussichtsplattform des Kunsthauses Graz zu Papier bringen, lässt die Plexiglasfassade leichengrün erscheinen. Keine rötliche Hautfarbe auf den Armen, dafür schalgrün und dazwischen braune Hautflecken. Zum Glück kann ich mein Gesicht nicht sehen, über die Gesichtsfarbe könnte ich mich zu Tode erschrecken. Die schwarzen Schuhe schimmern grünlich und das Hemd ist grünblau. Das Wasser der Mur erscheint beim Blick durch die Fassade schwarz. Von der Glasfassade perlen die Regentropfen ab. Meine hellrote Jacke ist dunkelrot. Die Finger sind abgemagert, in die Länge gezerrt, um Jahrzehnte gealtert. Die Handballen zeichnen sich als schwarze Totenflecken ab, die Lebenslinien als tiefe Schluchten.

Die Fassade ist für die Gorillaausstellung in grünes Licht getaucht. Im Video bewegt sich der Gorilla auf einem Ast in Echtzeit. Es sieht so aus, als sitze ich auf einem Ast und gebe mich einen Tag lang dem Nichtstun hin. Dem Beobachten und beobachtet werden.

Leichenschau.