KUR:haus IV

Nach den Kneippanwendungen gehe ich in der Wandelhalle des Kneipp-Kurhauses in Schärding auf dem roten Teppich auf und ab um die Füße warm zu laufen.  Dabei blicke ich auf den, nach zwei Regentagen, angeschwollen und schmutzigen Inn. Für die Dauer des Kuraufenthaltes verkörpert er für mich den Fluss des Lebens. Der Inn fragt nicht welchen Zweck sein Fließen hat, welche Aufgaben auf ihn warten. Er weis auch nicht wohin er fließt. Wir verhalten uns anders, wir stellen den ganzen Tag über Fragen. Die Fragerei lässt keine geordnete Arbeit zu, sie verhindert, dass man den Fragen Anderer zuhört. Manche werden auch in der Nacht ihre Fragen nicht los, die offenen Fragen lassen keinen Schlaf zu. Im Allgemeinen lobt man die Fragesteller, aber es gibt ein Übermaß an Fragen. An der Beantwortung der Fragen:  „Wozu und warum leben wir, wohin gehen wir und was ist der Sinn unseres Leben“,  scheitert man.

Als Krönung der Schöpfung bemühen wir uns diese Fragen zu erörtern. Wir sind das einzige Lebewesen, dass die Chance hat, diese komplexen Fragen zu beantworten. Die Ungewissheit in diesen Fragen ist  geeignet die Schulter- und Nackenmuskeln zu verspannen, die Fragen sind Ballast für den Schulterbereich. In der Kur befinden sich Menschen, die sich diese Fragen gestellt haben und sich von den Massagen, den Nackengüssen und – wickel Linderung versprechen. Im Innersten erwarten sie sich eine Antwort auf diese Fragen. Nach der Linderung der körperlichen Beschwerden werden die Fragen wieder kommen.  

Im Kneippkurhaus gibt es im Erdgeschoss einen Gang mit vielen Türen, die alle  kein Türschild haben, sie führen in die Hauskapelle. Dort, so wird es versprochen, findet sich für alle diese Fragen eine Antwort. Es gibt auch eine Antwort  auf die Frage: “Nach dem Leben nach dem Tod”.

Alle fragen.

KUR: haus III

Vor einem Kuraufenthalt bemühte ich mich Angelegenheiten,  welche  das Geschäft betroffen haben, im Vorfeld zu erledigen. Ich war ein Hellseher der verschiedene Geschäftsfälle vorausahnte und diese mit der Mitarbeiterin besprochen hat. Trotzdem war es nicht  zu vermeiden, dass bei einer dreiwöchigen Kur manche Vorfälle  telefonisch abgeklärt werden mussten. Bei einem Kuraufenthalt in den neunziger Jahren, in Baden bei Wien, musste ich aus einer öffentlichen Telefonzelle  im Geschäft anrufen,  um mich nach dem Geschäftsverlauf zu erkundigen. Im Kurhaus der Gewerblichen Wirtschaft gab es in den  Zimmern kein Telefon und keinen Fernseher. Nur die Möglichkeit  aus drei österreichischen Radioprogrammen zu wählen. Das oberste Gebot der Kurhausleitung  war, die Patienten von allen äußeren Einflüssen abzuschirmen. Streng geregelt war auch  die Auswahl bei der  Verpflegung.  Es gab spezielle Diäten bei Übergewicht, bei Galle- und Nierenerkrankungen und zu hohen Cholesterinwerten. Im Kurcafé und im Speisesaal gab es keinen Alkohol und überall Rauchverbot. Der Haupteingang vom Kurhaus wurde um 22 Uhr  abgesperrt und um sechs Uhr wieder geöffnet.  Als Kurgäste waren wir nachts eingesperrt, eine Vollzugsanstalt für Erwachsene.

Ein Jahrzehnt später hatte ich das Handy mit auf der Kur. Im Zimmer gab es Telefon und Fernsehen, das Radio musste ich selbst mitnehmen.

Wendekur.

 

KUR:haus II

Das Kneipp-Kurhaus in Schärding hat eine über hundertjährige Tradition. Sebastian Kneipp hat die Kuranstalt  im Jahre 1886  persönlich besucht, daran erinnert  im Gartenpavillon eine Inschrift. Beim Mittagessen kommt man mit den Tischnachbarn mühelos in das Gespräch, der überwiegende Teil der Kurgäste sind  ältere Menschen. Viele Gespräche handeln davon, wie sich die Gesellschaft, die Technik, der Alltag verändert hat. Oft fällt dabei das Wort „früher“. Es fehlt nicht viel und  man ist bereit zu sagen, in meinem früheren Leben. Damit sind die Jahre gemeint, die sechzig oder siebzig Jahre zurückliegen. Die Kindheit und Jugend  gewinnt an Bedeutung, da sie vor der Jahrtausendwende liegt.  

Vor einigen Jahrzehnten hat es in den Schulzeugnissen die Note „äußere Form“ gegeben.  Es wurde die Leserlichkeit  der Schrift  und die äußere Form einer  Seite benotet. Eine unleserliche Schrift, durchgestrichene Wörter und Radierspuren hatten eine schlechte Note zur Folge. Es gab damals keinen Tintentod und Korrekturroller. Konnte der Lehrer ein Wort oder einen Buchstaben nicht lesen, so wurde dies als Rechtschreibfehler bewertet. Ein Tintenpatzer aus der Füllfeder  hatte zur Folge, dass man die Aufgabe noch einmal neu schreiben musste. Die damaligen Kolbenfüllfedern wurden händisch aus dem Tintenfass gefüllt und danach gab es zumeist einen Patzer. Die heutigen Patronenfüllfedern sind demgegenüber Hightechgeräte. Trotzdem hat man heute Mühe die Schrift von Universitätsabsolventen zu lesen, es erinnert mich  an unser Gekritzelt in der ersten Klasse. Neben den Lehrgängen der  Schreibcenter, wo den Studenten das Fachwissen für das Abfassen eines wissenschaftlichen Berichts vermittelt wird, sollte eine Lehrveranstaltung zur äußeren Form Pflicht sein.

Meine  Schrift und die äußere Form ließen nach den Maßstäben der Lehrer zu wünschen übrig. Beim Elternsprechtag wurde der Vater regelmäßig darauf hingewiesen, dass meine Schrift manchmal unleserlich sei und der Professor bedauerte es, dies als Fehler werten zu müssen. Mein Vater versprach, dass ich in der Oberstufe eine Schreibmaschine bekommen werde, damit könnten die Schwierigkeiten  beim Schönschreiben beseitigt werden. Tatsächlich erhielt ich in der Oberstufe eine gebrauchte Remington Schreibmaschine. Ein heutiges PC Set, bestehend aus PC, Drucker, Tastatur und Bildschirm ist leichter als die damalige gebrauchte Remington. Als Freigegenstand wählte ich Maschineschreiben und im Unterricht hatten wir Stenografie. Auf dieser Schreibmaschine, die nicht so transportabel wie ein Laptop war, habe ich dann die Hausaufgaben und meine ersten Kurzgeschichten geschrieben.

Schreiblehrgang.

KUR:haus

Ein Kuraufenthalt ist eine Auszeit für den Körper und die Psyche, man bekommt dabei die Möglichkeit zum Durchatmen. Bei der Verpflegung kann man unter verschiedenen Diätformen wählen und sich für das Basenfasten, die Vollwertkost oder das tausend Kalorien Menü entscheiden.  Alle Diätformen bringen eine Erleichterung für die Verdauungsorgane, Magen und Darm bekommen die Möglichkeit  sich der Schlackenstoffen zu entledigen. Beim Basenfasten wird  Wert darauf gelegt, dem Alkohol, den Limonaden, den Süßspeisen, dem Fleisch, der Wurst und dem Käse für zwei Wochen zu entsagen. Schnell erliegt man der Versuchung zu  Mittag das Schmankerlmenü und dazu ein Glas Wein zu bestellen. Heute wünscht man sich Erfolg ohne Anstrengung. Es ist eine persönliche Entscheidung ob man den Weg der Enthaltsamkeit wählt oder das süße Leben im Kurhaus fortsetzt. Nach zwei Wochen Verzicht spannt sich der Bauch nicht mehr und die Bewegungen  sind geschmeidiger. 

Auch bei den Kuranwendungen gibt es zwei Wege, den Aktiven und den Passiven. Beim aktiven Weg werden durch eigenes Tun, wie Wirbelsäulengymnastik und Nordic Walking die Gesundheitsreize ausgelöst.  Beim Passiven werden durch Massagen, Heuwickel  und Akupunktur die verspannten Nackenmuskeln,  ebenso die durch Alltagsarbeit und Alltagssorgen degenerierten Hüft- und Kniegelenke stärker durchblutet. Den größten Erfolg erreicht man, wenn beides kombiniert wird.

Topfenwickel.

CA:orle II

Heute bieten die Eisenbahnlinien und die Autobahnen gute Möglichkeiten schnell und bequem das Mittelmeer zu erreichen. Durch die Alpen gibt es Tunnels und die Alpentäler verschwinden hinter den Lärmschutzwänden. An der oberen Adria, in Caorle angekommen, ist es nicht selbstverständlich, dass man das Meer sehen kann. Die Sicht auf das Meer ist durch viele Hotelreihen verstellt, nur die Hotels in der ersten Reihe können einen Meerblick anbieten. Nicht umsonst finden sich überall in der Stadt Hinweisschilder „ Maare“,  zur selbstverständlichsten Sache. Auf dem Weg zum Strand muss man die vielen Sonnenschirme und Liegen, endlos in der Tiefe als auch in der Breite, durchqueren. Kilometerlange Strände mit reservierten Strandplätzen. Zwischen den vielen Sonnenanbetern riecht es nach Sonnenöl und Sonnencreme. Das Wasser plätschert aus der Mineralwasserflasche und aus dem Lautsprecher tönt die Strandanimation. Dazwischen bewegen sich mit viel Geschick die Strandhändler mit ihren Handtaschen, Badetücher und Sonnenbrillen. Länger verweilen die Strandmasseurinnen,  um € 15. —kann man sich auf der Liege vierzig Minuten lang massieren lassen, das Körperpeeling mit dem feinen Sand inbegriffen.

 Im Zentrum gibt es ein Stück Uferpromenade wo man direkt am Meer spazieren gehen kann.  Dort ist man dem Meer ganz nahe, seinem Geruch, dem Wellenschlag, der Sehnsucht.

Strandpolizei.