ZU:gezogen

Wie bilden wir uns, über Menschen denen wir begegnen, über neue Nachbarn in der Wohnanlage, eine Meinung? Der erste Gedanke ist, wie alt sind sie und woher kommen sie: Aus der näheren Umgebung, aus einem anderen Bundesland, aus dem Ausland und welche Sprache sprechen sie? Bevor man mit den neuen Bewohnern gesprochen hat, bilden sich schon Meinungen, die im Raum stehen bleiben und nicht  leicht zu verändern sind. Mit einer vorgefassten Meinung verbaut man sich die Chance für ein vorurteilsloses Gespräch. Aus Stolz vergeht manches mal, weil man von den Neuankömmlingen erwartet das sie zuerst Kontakt aufnehmen, ein ganzes Jahr, bis es zu einem Gespräch kommt. Auch von den Österreichern in den anderen Bundesländern gibt es bestimmte Vorstellungen, je nachdem ob es sich um Vorarlberger, Wiener oder Tiroler handelt. Die meisten Vorbehalte gibt es gegenüber denen, die aus dem ehemaligen Osten, dem Balkan und aus dem Fernen Osten kommen.

In Möselstein gibt es überwiegend Zuwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien. Der Kontakt besteht hauptsächlich dadurch, dass die Mütter mit den Kindern die Schulartikel einkaufen. Die Mütter schätzen die Beratung beim Einkauf, nach den Wünschen der Lehrerin. Die Kinder lernen meistens schneller und besser Deutsch als die Erwachsenen. Einem Zuwandererkind habe ich einen Zehneuroschein zu viel an Retourgeld gegeben. Nach einer Viertelstunde hat das Kind den Zehneuroschein zurückgebracht und gesagt: „Ich hätte diesen zu viel ausbezahlt“.

Ehrlichkeit.

MI:gration

Es gibt keinen Österreicher, allen voran der Wiener, der nicht etwas zum Thema Ausländer zu sagen hat. Dies trifft auch auf die Kärntner zu, obwohl es in Kärnten eine geringe Zahl von Migranten gibt. Bei den Aussagen verlässt man sich hauptsächlich auf die Informationen aus den Zeitungen und dem Fernsehen. Zuerst fordert man strengere Einwanderungsbestimmungen, wie sie andere EU- Staaten haben. Dies unabhängig davon, ob man selbst Kontakte mit Zuwanderer hat oder nicht. Man verlangt die volle Schärfe von Seiten des Staates. Von sich aus bleibt man reserviert, auch wenn in der Nachbarschaft eine Zuwandererfamilie ein sanierungsbedürftiges Haus gekauft hat und dieses renoviert. Ihrer Aufforderung sie einmal zu besuchen geht man aus dem Weg und hat keine ernsten Absichten diesem Wunsch nachzukommen. Man verschiebt den Besuch und verbindet damit Aufwendungen, wie dies unter unsereins der Fall ist. Man denkt dabei an einen offiziellen Termin, mit aufwendige Bekleidung und Geschenke. Die Zuwanderer denken an ein lockeres Zusammensitzen, wo man auf der Terrasse gemeinsam etwas trinkt.

Bei den Diskussionen über Migration verlangt man immer wieder, dass die Ausländer sich uns anpassen und auf uns zugehen müssten. Dabei funktioniert dies oft auch unter Landsleuten nicht. Wie soll eine Gemeinschaft, mit verschiedenen Kulturen, im Gemeindebau funktionieren, wenn schon bei Einheimischen vieles an verschiedenen Interessen scheitert. Vorhaben, wie eine Weihnachtsfeier in der Eingangshalle oder ein Sommerfest im Garten scheitern.

Versuchsstadium.

MILLSTATT:see II

Die  Vorstellungswelt, in der einzelne Berufs- oder Gesellschaftsgruppen leben, haben des öfteren mit der Wirklichkeit nichts mehr gemeinsam. Verschiedene Unternehmer übersehen, dass sie sich den Lebensstandard von gestern, heute nicht mehr leisten können. Die Aufträge im Betrieb lassen nach, aber nach außen will man keinen Schritt zurückmachen, dies lässt der eigene Stolz nicht zu. Die Generation fünfzig plus versucht mit  aller Kraft den Betrieb, der meistens ein Traditionsbetrieb ist,  zu erhalten. Es geht darum, den Betrieb noch zwei oder drei Jahre aufrecht zu erhalten, um dann in Pension zu gehen. Die älteren Selbstständigen empfinden es als persönliche Schande, wenn man Konkurs anmelden muss. Obwohl die Ursache oft nicht am mangelnden Einsatz, sondern an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen liegt. Zum Scheitern trägt bei, wenn man als Subunternehmer vom Bauträger sein Geld für die geleistete Arbeit nicht bekommt. Dabei glauben Außenstehende, dass man gut verdient. Es gibt kein Arbeitslosengeld für Unternehmer.

Die  Verschuldung wird als persönliche Schuld gesehen und Schuld verlangt nach Buße. Am Vormittag hat der selbstständige Handwerksmeister in der Werkstatt gearbeitet, zum Mittagessen war er zu Hause und war am Nachmittag auf einer Baustelle. Am späten Abend ist die Frau von der Polizei verständigt worden, dass sich ihr Mann auf der Alpen Adria Autobahn vor einen rumänischen Sattelschlepper geworfen hat und tot ist. Sein Auto hat er am Pannenstreifen abgestellt.

Bekannt ist, dass er vor seinem Freitod zwei Briefe abgeschickt hat. Einen Brief an einen befreundeten Betrieb, sie sollen seine offenen Aufträge übernehmen und einen Abschiedsbrief an seine Frau. Beide Briefe wurden am nächsten Tag von der Post zugestellt.

Amen.

Zu Kommentar von Peter

Gerade die Selbststaendigen identifizieren sich stark mit dem Betrieb, >stuerzt< der Betrieb ab, koennen sie auch menschlich abstuerzen.

MILLSTATT:see

Kommt in der Regionalzeitung oder im lokalen Fernsehsender ein Bericht aus dem Raum des  Millstättersee, dann lese und schaue ich genauer hin. Mir fällt sofort ein, dass ich als Lehrling meinem Chef beim Hausbauen am Millstätter See geholfen habe, meistens am Samstagvormittag. Für diese Stunden wurde ich extra entlohnt. Ich habe gerne geholfen, da ich der Arbeit in der Buchhandlung manchmal überdrüssig war und mich darauf freute, etwas handwerkliches zu machen. Es handelte sich um das  Anlegen eines Steingarten. Nachdem der Bungalow fertig war, fanden hier die eine und andere Betriebsfeier statt.  Als Buchhandlung belieferten wir die Kioske auf den Campingplätzen mit Taschenbücher. In meiner Lehrzeit war ich in den Sommermonaten immer wieder am Millstättersee und verbinde damit schöne Erinnerungen. Viele Spittaler Kaufleute haben sich in den fünfziger und sechziger Jahren ein Grundstück am nahegelegenen Millstättersee gekauft.

Den Seegrundkäufern der fünfziger Jahre folgten in den achtziger Jahren andere Spittaler nach. Zu dieser Zeit hatten die Grundpreise bereits kräftig angezogen und das Errichten eines Eigenheimes hatte sich enorm verteuert. Nicht mehr alle konnten die Kosten in ihren Betrieben erwirtschaften. Für manche Handwerksbetriebe war die Zeit der vollen Auftragsbücher vorbei. Beim Wohnbau haben sich  bei den Fenster und Türen Fertigteile durchgesetzt und die örtlichen Tischler und Glaser verdrängt. Diese Umsatzeinbuße im  Baunebengewerbe hat ein  Handwerksmeister erfahren und musste sein Eigenheim am Millstättersee verkaufen. Die Familie siedelte zurück in die Stadt, in eine Mietwohnung.

Die Grundstückspreise am Millstättersee sind inzwischen für Bürgerliche unerschwinglich geworden und die Traditionsbetriebe in  der Gastronomie und Zimmervermietung haben wirtschaftliche Schwierigkeiten. Auf den noch unverbauten Seegrundstücken werden Eigentumswohnanlagen mit Seeblick gebaut und an reiche Touristen, die auf der Suche nach einem Zweitwohnsitz sind, verkauft. In manchen Orten agieren internationale Konzerne mit neuen Tourismusideen.

Beheiztes Seebad.

STIMMEN:hören

Es ist einerlei wo man sich aufhält, ob am Hauptplatz, in einem Geschäft oder in einem Café, auf einem Bauernmarkt oder im Einkaufszentrum, überall hört man Musik und Werbedurchsagen. Diese sogenannte Hintergrundmusik soll die Einkaufsstimmung stimulieren. Oft fällt uns die Musik nicht mehr auf, es ist umgekehrt, es fehlt uns etwas, wenn keine Musik zu hören ist. Ist es in einer Gaststätte zu ruhig, dann löst diese Ruhe bei den Menschen Nervosität aus. Der Spruch, „mit Musik geht alles besser“, hat sich tief in unseren Kopf eingeprägt. Bei der Feststellung, „ich habe Musik im Kopf“, wird niemand weiter nachfragen. Sagt jemand, „er kann Stimmen hören“, dann wird man dies mit Argwohn zur Kenntnis nehmen. Von manchen Entscheidungen sagen wir: „Ich bin der inneren Stimme gefolgt“. Die innere Stimme gilt als Indikator, dass man die richtige Wahl getroffen hat. Es ist notwendig, aus den vielen inneren Stimmen, die Richtige zu wählen. Verzichten kann auf die innere Stimme niemand.

Die Kulturgeschichte ist voll mit Zeugnissen von Propheten und Prophetinnen die eine innere Stimme hörten und diese Offenbarungen aufgeschrieben haben. Mit dem gesprochenen Wort fühlen wir uns stärker verbunden, als mit dem geschriebenen Text.  Zu den Zeiten, als man beim Telefonieren noch die Wählscheibe benutzte, hat man ausgerufen: „Wie schön deine Stimme zu hören und ruf doch bald wieder an“. Dagegen ist das SMS eine anonyme Angelegenheit. Wir fühlen uns bei einer Wanderung in unbewohnten Gegenden gleich sicherer, wenn wir plötzlich Stimmen hören. Die Stimmen hört man meistens schon lange vorher, bevor man die Menschen sehen kann.

Stimmbruch.