unz:markt

Am Bahnsteig in Villach, vor der Fahrt nach Wien, kommt mir der Gedanke ob ich auch diesmal mit meinen Notizen in das Tageheft in Unzmarkt beginnen werde? Werde ich auch diesmal beim Passieren vom Bahnhof Unzmarkt die Lust verspüren mit den Eintragungen in die Tagehefte zu beginnen?  Ich kann mir nicht erklären, warum ich gerade hier zum Schreiben beginne. Ist es der Ortsname welcher bei mir den Schreibimpuls auslöst? Auf jeden Fall weiß ich von einer Leere in mir welche mich zum Schreibwerkzeug greifen lässt. Wohl befinde ich mich hier in der nötigen Distanz zum Alltag in Villach. Wer es noch nicht erlebt hat, dem empfehle ich zur Selbstfindung eine Bahnreise zu buchen. Sitzt man erst einmal im Zugabteil braucht es keinerlei eigene Aktivitäten für eine Ortsveränderung, die zumeist auch eine Veränderung des Blickwinkels bedeutet. Nach einer mehrstündigen Zugreise kommt man am Ziel als ein neuer, ein anderer Mensch an. Eine Art von Beschäftigung, welche zum Loslassen geeignet ist. Die Art der Beschäftigung, des Wohlbefindens ist während der Zugfahrt frei wählbar.

Einige Zugreisende betrachten entzückt die vorbeiziehende Landschaft, andere vertiefen sich von der ersten Minute an in eine Zeitung oder blicken aktuell auf das Smartphone. Dazu gibt es ein geheimes Timing mit Bekannten, auf die Minute genau telefoniert man mit Gott und der Welt. Zu meiner ersten Beschäftigungen bei einer Zugfahrt zählt, dass ich mein Jausenbrot auswickle.  Meine Reise beginnt mit einem Imbiss andere sprechen von der Reiselust, ich vom Reisehunger. Nirgendwo lässt sich so genussvoll und geruhsam eine Salamisemmel verspeisen wie bei einer Zugfahrt. Jeder hat seine Vorlieben oder wie der Volksmund sagt, jeder tickt anders. Während der letzten zwanzig Jahre hat sich vieles beim Zugfahren verändert, zu kurz kommt derzeit das Gespräch mit den Nachbarn. Dazu hat die Coronakrise in den letzten zwei Jahren das Ihrige beigetragen.

o:tannenbaum

Das Coronavirus hat für uns vieles im Alltag auf den Kopf gestellt und den meisten einiges abverlangt: Lockdown für alle, FPP2 Masken tragen, Klinikaufenthalt wegen Corona Infektion u.v.m. Diese Liste kann jeder aus seiner eigenen Erfahrung ergänzen. Die große Unbekannte ist, mit welcher Art von Coronavirus müssen wir im Spätherbst rechnen und wie gefährlich wird die neue Virusvariante sein? Keiner der Virusexperten und zuständigen Politiker kann und will darüber im Voraus etwas Verbindliches sagen. In diesem Dilemma ragt die Empfehlung der Generaldirektorin für Gesundheit Katharina Reich unter allen Aussagen heraus: „Feiern wir eventuell einen Geburtstag, der im November wäre, im September vor“.

Diesen Vorschlag möchte ich, wegen eines möglichen Lockdowns, um eine Anregung erweitern. Warum nicht Weihnachten in den September „vorverlegen“. Der Dezember hat sich als „Hotspot“ für das Coronavirus erwiesen. Die Vorverlegung würde dem Zeitgeist entsprechen, weil mit Anfang September kommen wir in den Möbelhäusern an den Regalen mit aktuellem Weihnacht- und Christbaumschmuck nicht vorbei. Zur selben Zeit werden in den Lebensmittelmärkten die ersten Sortimente mit Lebkuchen- und Kecks Mischungen prominent im Kassenbereich präsentiert. An den Utensilien um den Christbaum festlich zu schmücken und am weihnachtlichen Backwerk wird es nicht mangeln. Einige Mitmenschen rühmen sich, schon Ende August alle Weihnachtsgeschenke sicher im Kleiderkasten versteckt zu haben. Dieses Jahr werden deren mehr sein.

Versammeln wir uns dieses Jahr an einem lauem Septemberabend auf dem Balkon oder im Garten rund um den Christbaum. Singen wir dabei aus vollem Herzen: „O Tannenbaum, O Tannenbaum…“.

glück:sofort

Im Gegensatz zu früheren Jahrhunderten sind die Menschen heute Diesseitsorientiert, wir erwarten unser Glück jetzt, am besten sofort. Niemand gibt sich heute damit zufrieden, wenn ihm versprochen wird im Jenseits wird er für seine Entbehrungen entschädigt. Etwa ab dem dreizehnten Jahrhundert kommen in breiten Bevölkerungsschichten Zweifel an der vergoldeten Ewigkeit auf. Zu dieser Zeit, im Jahr 1282, wird unser Bauernhof, vulgo Unterdabernig, erstmals in den Büchern des Klosters Millstatt urkundlich erwähnt. Der Großteil des Gehöfts stammt noch aus dieser Zeit. In meiner Kindheit befanden sich über dem Erdkeller die Troadkästen. Es wird angenommen, dass die Bauern ihr Zehent für das Kloster Millstatt, Getreide, hier abgeliefert haben.

Der Auslöser für mein in mich gehen, ob wir unsere Wünsche immer steigern müssen, ist der allerorten lauter werdende Ruf und die Feststellung, wir müssen das Wirtschaftswachstum vom Vorcoronaniveau erreichen. Seit die Bekämpfung der Coronapandemie Fortschritte macht, setzten viele Händler ihre Hoffnungen darauf, dass die Kundenfrequenz im Einkaufscenter Atrio steigt. Die Auslastung in den Tourismusbetrieben soll in diesem Sommer das Vorcoronaniveau übersteigen. Ich erinnere mich an Aussagen welche zur Zeit der Hochblüte der Coronapandemie gefallen sind: Es macht Sinn nach der Pandemie über nachhaltiges Wirtschaften, über den übermäßigen Konsum, nachzudenken. Die Zeit der Lockdowns und Einschränkungen wurde als Zeit zum Innehalten propagiert, wo wir über unseren Ressourcenverbrauch nachdenken können. Nach der Pandemie können wir über unser künftiges Wohlbefinden neu entscheiden. Unser Glück nicht allein im Konsum suchen, sondern im sozialen Frieden, im netten Miteinander, im bedachtsamen Verbrauch. Nach diesen Werten wird man derzeit vergeblich suchen, ihre Präsenz ist aus den Medien verschwunden.

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Drei Wörter sind vielerorts als Warnruf zu hören, genug ist genug. Dieses genug ist genug steht für vieles: Beim persönlichen Konsum, beim Verbrauch von Naturressourcen, beim Abbau von Bodenschätzen, beim Verreisen, bei der Verpackung, beim Verschmutzen der Weltmeere oder bei der Erschließung von Bergwelten, für den Sommer- und Wintertourismus. Wahrscheinlich ist dies nicht mein erster Gedanke dazu.

Für den Alltag genügten drei paar Schuhe, ein kompaktes Paar für den Winter, für wirkliches Sauwetter und Schneefall. Für den Sommer ein leichteres Schuhwerk und für die Mithilfe bei der Arbeit am Bauernhof ein Paar so bezeichneter Hohen Schuhe. Die Hohen Schuhe wurden winters und sommers getragen, im Winter zusätzlich zu den Wollsocken mit Fußfetzen. Die kompakteren Winterschuhe schützen die Zehen kaum vor der Kälte, bei einem Fußmarsch von etwa einer dreiviertel Stunde von und zu der Bahnhaltestelle. Auch beim Umherirren währendder Mittagsstunde in Spittal an der Drau war es oft kalt. Beliebt als Wärmestuben waren der Warteraum am Bahnhof und der Speisesaal im Kolpinghaus. Vielleicht kommt daher mein Bedürfnis nach einer gut beheizten Wohnung, ein kleiner Luxus mit fortschreitendem Alter. Die ersten Frühlingstage haben wir bei Sonnenschein rund um den Springbrunnen im Schlosspark vom Schloss Porcia genossen. Auf einer Parkbank zu sitzen und gemütlich das Jausenbrot zu verzehren bedeutete Glück.

Gehe ich in mich, dann stelle ich mir die Frage, macht mich ein mehr an Handtüchern oder ein mehr an Winterschuhen glücklicher, steigert dies mein Wohlbefinden? Ich räume ein, wird ein ausgedientes Handtuch ersetzt, dann freue ich mich kurze Zeit darüber, bis es im Alltag angekommen ist. Mehr nicht, es hat keine Langzeitfolgen. Ich will damit nicht unsere Lebenslust dämpfen und auch nicht das eine und andere Zuckerl verbieten. Viele unserer Aktivitäten werden vom Bewusstsein unserer Endlichkeit befeuert, dies macht das Leben so spannend.

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Woher kommt unser Wunsch nach immer mehr, angefangen im persönlichen Bereich, bei der Bekleidung, der Ausstattung des Wohnzimmers oder derzeit an vorderster Stelle die Smartphons. Sind wir breitflächig Opfer von geschickten Werbeleuten und Produktentwickler, welche sich immer etwas Neues, spezielleres einfallen lassen? Beim Smartphone die Anwendungen erweitern, welche weit über das ursprüngliche Telefonieren hinausgehen. Kommt eine neue Suchfunktion bei der Kamera auf den Markt, dann überlegt niemand wie oft er diese in den nächsten drei Monaten verwenden wird, wenn sie überhaupt zum Einsatz kommen wird. Allein die Verfügbarkeit ist schon eine Kaufoption. Es gibt gewöhnlichere Beispiele, wo wir etwas im Überfluss haben. Jeder benützt ein Handtuch, müssen es mehr als drei pro Person sein? Bei Not lässt sich eines von einem anderen Familienmitglied ausborgen. Es ist toll welche Farben, Muster und Qualitäten es bei den Handtüchern derzeit zu kaufen gibt.

Dabei fällt mir ein, dass in der Kindheit nur ein Handtuch präsent war. Dies war ein dünnes, blaues Handtuchmit in einer Größe von einem Meter mal fünfzig Zentimeter mit einem einfachen Blaudruck. Die Qualität war gerade mal so, wie sie heute Geschirrtücher haben. Die Waschschüssel ist auf einem Stockerl in der großen Bauernküche, zwischen Kredenz und einem Tisch für die Zubereitung der Mahlzeiten, gestanden. Die Küche war der einzige beheizte Raum im Winter. Auf der Fensterbank war die Seife in einer Schale und auf einem Nagel, der an der Küchenkredenz befestigt war. Ist das blaue Handtuch gehangen. Aus dem Wasserschiff beim Herd konnte sich jeder das heiße Wasser holen und mit kaltem Wasser aus dem Wassereimer neben dem Herd abschmecken. Dafür zu sorgen, dass immer frisches Wasser in der Küche und in der in der Holztruhe genügend Holzscheite waren, war Kinderarbeit. Nach der Morgenwäsche wurde die Waschschüssel durch das Küchenfenster in die Wiese entleert. Schmutzig sind wir damals nicht in die Schule oder zur Arbeitsstelle gekommen.