VER:laufen II

Eine besondere Erfahrung beim Gehen macht man in der Lagunenstadt Venedig, wo man neben der Benützung der Vaporetto auf dem Canale Grande, sehr viel zu Fuß unterwegs ist. Nach den sogenannten Ameisenstraßen, wo sich die Fülle der Besucher durchschlängelt, kann man sich leicht orientieren. Sie führen verlässlich zu den Sehenswürdigkeiten wie Markusplatz, Rialtobrücke, Guggenheimmuseum oder Palazzo Grassi. Besteht die Absicht ein unbekanntes Stadtviertel zu erforschen wie, Cannaregio oder Castello, dann steckt die Tücke bei der Besichtigung im Detail. In den schmalen und verwinkelten Gassen, die oft nur körperbreit sind, kann man sich schnell verlaufen. Viele Gassen sind nicht beschriftet, die Häuser haben eine Hausnummer. Die Gassen machen oft einen Hacken und plötzlich geht es nicht mehr weiter oder sie enden an einem Kanal, aber es gibt keine Brücke. Sie  sind meist dann nicht vorhanden, wenn man dringend eine sucht. In dieser Situation hilft auch kein Stadtplan, weil man durch die Winkelzüge die Orientierung verloren hat. In so einem Fall ist es empfehlenswert umzukehren, zurück zu gehen, bis man sich an einem bekannten Ort neu orientieren kann und es noch einmal versuchen. Wie im Märchen, von einem Knaul Wolle den Faden hinter sich abspulen, damit man weis, von wo man gekommen ist.

Labyrinth.

VER:laufen

Heute kommt es selten vor, dass sich jemand mit dem Auto verfährt. Vor Jahren war dies, wenn man im benachbarten Ausland unterwegs war, öfter der Fall, dass man sagte: „Jetzt habe ich mich verfahren“. Meistens wollte man abseits der großen Durchzugsstraße ein Kleinod besichtigen oder zu einem landestypischen Fest fahren. In der Nachbarregion Friaul gibt es eine Reihe von unverwechselbaren Festen, wie Lavendelfest, Kartoffelfest, Schinkenfest oder die Vogelmesse in Sacile. Die Vögel werden dort in Käfigen entlang der Straße zur Schau gestellt und zum Verkauf angeboten. Dabei ist der ganze Ort, die Luft, erfüllt von Vogelstimmen. Heute vertrauen die meisten auf ein Navigationsgerät, dem Routenplaner aus dem Internet und wie ich auf eine aktuelle Straßenkarte. Schnell verfahren kann man sich in einer größeren Stadt, kaum in der Innenstadt, vielmehr in der Peripherie, wenn man eine bestimmte Adresse sucht. Der Innenstadtbereich ist gut beschildert. Zurzeit gibt es eine Diskussion über das geeignete Verkehrsmittel im Stadtbereich und dazu den Vorschlag, dass man am Besten die Straßenbahn und die U-Bahn benützt. Die bequeme, schnelle und sichere Fortbewegung mit der U-Bahn habe ich bei meinem letzten Wienbesuch anlässlich einer Fachmesse erlebt. Ich habe darauf geachtet, dass sich die Hotelunterkunft in der Nähe einer U-Bahn-Haltestelle befindet.

Ist man mit dem Auto unterwegs und hat sich verfahren, so kann man sich  damit trösten, dass eine Korrektur ein wenig Zeit kostet aber keine Anstrengung abverlangt. In geringem Umfang gilt dies auch mit dem Fahrrad, wobei für die Berichtigung schon körperliche Anstrengung und auch der Zeitfaktor größer ist. Unangenehm kann es sein,  wenn man in der Stadt zu Fuß unterwegs ist und feststellt, dass man sich verlaufen hat. Plötzlich findet man sich in einer falschen Richtung wieder und es kann körperlich schmerzen, wenn man wegen einem Irrtum zurücklaufen muss. Die Situation kann sich verschlimmern, wenn man einen Termin einhalten soll. Dabei kann es in den Städten im Sommer unerträglich heiß und im Winter kann oft ein  eisiger Wind wehen. Verschlimmert wird diese Situation, wenn einem der Begleiter die Schuld an den Verirrungen zuschiebt. Hitze und Kälte nicht verträgt und schlecht zu Fuß unterwegs ist. In solchen Fällen versucht man mit falschen Versprechungen wie, „es dauert nicht mehr lange und wir sind am richtigen Ort“, den anderen bei Laune zu halten. Dies kann nicht immer verhindern, dass die gute Laune in Aggression umschlägt.

Fußfetzen.

ZU:letzt

Es gibt die Überschaubaren, die menschenfreundlichen Supermärkte, die eine Ähnlichkeit mit den früheren Greißler haben, obwohl die Verkaufsflächen heute dreimal so groß ist. Das Sortiment besteht aus Artikel für den täglichen Verbrauch, Nahrungsmittel, Getränke und Artikel zur Körperpflege. Beim Greißler oder beim Gemischtwarenhändler, wie die größere Variante geheißen hat, konnte man außer den Lebensmittel auch ein Paar Gummistiefel, einen Besen und eine Packung Stahlnägel kaufen. Ein solche Produktbreite gibt es in den heutigen Nahverkehrsläden nicht mehr. Für die Getränke wird eine große Verkaufsfläche zur Verfügung gestellt. Wasser, in seiner natürlichen Form, hat als Getränk ausgedient. Das Mindeste ist Mineralwasser mit Zusatzgeschmack, Limonaden in allen Farben und ein breit gestreutes Sortiment an Bier- und Weinsorten.

Ungemütlich wird es, wenn man für den Einkauf des täglichen Bedarfes einen Megamarkt aufsuchen muß. Dann kann es eine halbe Stunde dauern, wenn man nach einem Bioapfelsaft und einem laktosefreien  Joghurt sucht. Im Segment Joghurt gibt es fast fünfzig verschiedenen Sorten, aus allen EU-Staaten.

Den Genuss in der schrillsten Ausformung kann  man in einem Feinkostgeschäft Am Graben in Wien erleben. Hier werden Delikatessen nach dem Motto, wer hat noch nicht, wer will einmal, wer probiert es, angeboten. In der Gemüseabteilung kann man zwischen achtzehn verschiedenen Kartoffelsorten wählen. Es gibt auch solche mit rotem Fruchtfleisch, passend zum Steak. Für die gesunde Jause am Nachmittag kann man zwischen zwanzig Apfelsorten wählen. Die prall gefüllte Käse-, Speck- und Wurstvitrine ist nicht zu übersehen, von der Decke hängen die Salamistangen. Ein ähnliches Bild bot sich in meiner Kindheit im Schlaf- und Wirtschaftsraum des Bauernhofes, von der Zimmerdecke hingen die Hartwürstel.

Beim Einpacken an der Kassa gibt es keinen Stress, weil dies wird durch eine Verkaufskraft erledigt, egal ob der Einkauf aus drei Artikel oder Dreißig besteht. Vom Reindling wird die Lebensgefährtin sagen, dass er der Beste seiner Art war.

Zu guter letzt.

SEIL:schaft

Beim Bergsteigen wird der Begriff „Seilschaft“ verwendet, wenn eine Gruppe von Menschen einen schwierigen Berg besteigt, es müssen keine Extrembergsteiger sein. Eine Seilschaft gibt Sicherheit und hilft den Schwächeren mitzuhalten. Wichtig ist, dass man sich auf den Anderen verlassen kann. Die Herstellung von Hanfseilen war früher ein eigenes Gewerbe und die Seile haben in der Schifffahrt und in der Fördertechnik eine große Rolle gespielt. In manchen Bereichen wurden sie, wegen der längeren Haltbarkeit und der stärkeren Zugkraft,  durch Stahlseile verdrängt. Während meiner Lehrzeit bin ich bei einer Seilerei vorbeigekommen, im Ausstellungsraum hatten manche Seile die Stärke eines Oberarms.

Im übertragenen Sinn spricht man, wenn sich Menschen im Beruf, im politischen und öffentlichen Leben gegenseitig unterstützen, von einer Seilschaft. Das Wort Seilschaft kann einen guten oder einen schlechten Beigeschmack haben. Nicht zeigenswert ist eine Seilschaft wo sich das Vorwärtskommen aus der Zugehörigkeit zu einer Vereinigung oder einer Partei ergibt und nicht die entsprechende Leistung dahintersteht. Dadurch kommt es zu Misswirtschaft und Verschwendung bei den Steuergeldern.

Es ist offen, ob man eine Freundschaft oder eine Lebensgemeinschaft als Seilschaft bezeichnen kann. Dabei gibt es  das Risiko, dass jemand aus der Seilschaft ausbricht oder die Seilschaft aufkündigt. Gibt es eine Seilschaft welche ein ganzes Leben dauert? Gerne wird von der ewigen Treue und von der ewigen Liebe gesungen. Was ist Ewigkeit und wo findet sie statt? Unser Leben kann nicht als ewig bezeichnet werden. Eine ewige Seilschaft kann uns nur Gott anbieten. Diese Seilschaft gilt nicht nur für das Jetzt, sondern auch für die Ewigkeit, wenn es sie gibt. Für die gegenseitige Seilschaft demonstrierten die Kirchenbesucher in Völkendorf, als sie sich an einem Seil festhielten und als lange Prozession durch die Kirche wanderten. Ob diese Seilschaft über die Messfeier und  das Pfarrcafé hinaus Bestand hat, wird sich beim nächsten Grad, beim nächsten Ausrutscher erweisen.

Seilerei. 

auto:fahren

Die Einstellung dazu, wer wie lange ohne Nachprüfung mit dem Auto fahren darf, hängt wesentlich vom eigenen Alter ab. Es gibt Führerscheinneulinge welche der festen Meinung sind, dass jeder über dreißig einen Tauglichkeitstest machen sollte, ob er so gesund ist, dass er unfallfrei und ohne Gefahr für den die anderen Verkehrsteilnehmer unterwegs sein kann. Dabei ignorieren sie, dass die meisten Unfälle Fahranfänger verursachen, weil sie bewusst oder unbewusst ihr Fahrkönnen unterschätzen. Verkehrserfahrung hat etwas mit Zeit zu tun. Da schneiden vierzigjährige besser ab. Für die Verkehrsteilnehmer ab fünfzig klingen die Vorbehalte der Dreißigjährigen so, als müsste man bei ihnen den Führerschein einziehen oder jedem Fünfzigjährigen einen Beifahrer beistellen. Je älter man wird, umso weiter schiebt man das Alter für einen neuerlichen Fahrsicherheitstest hinaus. Bist du sechzig, sagst du ab siebzig, bist du siebzig sagst du ab achtzig. Von mir kann ich sagen, dass ich so gut wie möglich versuche vorausschauend zu fahren. Auf eventuelle Missstände, die auf mich im Verkehr zukommen, vorausschauend zu reagieren. Ist es absehbar, dass es zu einer Verlangsamung des Fließverkehrs kommt, schon früher als unbedingt notwendig das Tempo zu reduzieren und nicht mit Vollgas auf die trödelnde Verkehrsschlange drauflosfahren.

Die Manie des kurzfristigen Reagieren, des abrupten Bremens befällt auch schon Autofahrer unter fünfzig und beschwört Gefahren für die Nachkommenden herauf. Sehr schnell ist man mit der Meinung bei der Hand, liest man von einem Verkehrsunfall in den ein Siebzig- oder Achtzigjährige involviert ist, dass es besser gewesen wäre, dieser hätte kein Auto mehr gelenkt. Bei vorsichtiger Fahrweise gibt es in diesem Alter weniger Unfälle als in jüngeren Jahren.

Rot