Über schlagloch

Er hat es sich zur Aufgabe gemacht mehrmals die Woche eine kleine Studie zu verfassen und teilt dies per Weblog „schlagloch“ einer stetig wachsenden Internetgemeinde mit. Einzelne Leser treten auf der Internetplattform mit ihm auch in eine Diskussion über das Geschriebene ein. Vom Deutschen Literaturarchiv Marbach werden ausgewählte Online-Publikationen, so auch das Blog „schlagloch“ auf der Plattform Literatur-im-Netz langzeitarchiviert. Einige „Schlaglöcher„ hat er materialisiert und zu Büchern gemacht: Zeitenwandel (2009); Die Beobachtungen (2011); Bruchstellen (2015).

schutt:asche

Wie Aufzeichnungen in den Tageheften überraschend eine neue Bedeutung erhalten erlebe ich, schmökere ich in den Tageheften vor einem Jahr. Darin lese ich, dass ich bei meinem Graz Besuch den Eindruck hatte, die Stadt wird in Schutt und Asche gelegt. Genährt wurde diese Feststellung durch die Installation von Martin Roth im Kunsthaus Graz.  Dort wurde auf der obersten Ebene Schutt von einer Baustelle, heute füge ich hinaus von einem ausgebombten Haus, aufgeschüttet. Im Minoriten Kloster ist die Erde des Innenhofes so umgewühlt als hätte, wie man sagt, eine Granate eingeschlagen. Schutt, Bomben und Granaten kann ich jetzt nicht einfach so hinschreiben ohne daran zu denken, dass in der Ukraine Häuser und Dörfer in Schutt und Asche gelegt werden. Etwas in Schutt und Asche zu legen hat innerhalb von Europa plötzlich eine ganz andere Dimension.

Die Ausstellung Atemnot im Minoriten Kloster weist stark auf unsere Probleme beim Durchatmen in der Coronapandemie hin. Einatmen, Ausatmen, ein Schluchzen und Seufzen aus den Mauern, von den Menschen die hier gelebt haben. Von einer Stimme werde ich aufgefordert, Einatmen, Ausatmen, nicht mehr atmen. Dies erinnerte mich an die Anweisungen bei den Röntgenaufnahmen von der Hüfte und der Lendenwirbelsäule. Die FFP2 Maske erschwert gerade Menschen, welche unter Atembeschwerden leiden das Atmen. Mit Atemnot zu kämpfen gehört zu den Kennzeichen der Infektion mit dem Sars 2 Virus. Viele Coronainfizierte wurden in den Krankenhäusern auf den Intensivstationen künstlich beatmet. Oft wurden im Fernsehen Bilder von Patienten mit Sauerstoffmasken gezeigt. Bilder, die uns auch nach Ende der Pandemie noch lange im Gedächtnis bleiben werden.

Nahtlos reiht sich hier eine Dokumentation im Stadtmuseum Graz ein. Dort werden die Bürger gefragt, wie wollen sie 2050 in Graz wohnen? Der Besucher ist mit einer Reihe von Fragen konfrontiert. Bei einer Perspektive für 2050, was für mich rein biologisch jenseits des Möglichen liegt, denke ich mir wie fragil momentan die unmittelbare Zukunft ist. So liegen dreißig Jahre in weiter Ferne, von einem längeren Zeitraum nimmt heute jeder Abstand. Bei Städten sehen wir, wie zerbrechlich diese sind und welches Potenzial Zerstörer hier vorfinden. Alles ballt sich auf einen Fleck, Wasser-, Strom- und Lebensmittelversorgung. Genauso die Einrichtungen der Infrastruktur, wie Krankenhaus, Verwaltung, Schulen, Bibliotheken und Verkehrsbetriebe. Die Einwohner sind mehr oder minder schutzlos den Raketen, Granaten und Bomben ausgeliefert, vor allem ein Ziel mit Masse. Im ländlichen Gebiet sieht es für die Angreifer weniger perfekt aus, alles ist zerstreut, bindet viel Personal und Geschütze.

ostern II

Nahe dem Weinort Soos höre ich einige Sätze aus der Bibel, welche zur Gegend passen. Ein Mann liest seiner Frau aus der Bibel vor, während sie auf einem kleinen Campingtisch die mitgebrachten Brote auspackt und die Getränkeflaschen dazustellt. Auf der Campingdecke beschäftigen sich drei Kinder mit einem Memoryspiel. Der Mann stimmt das Vaterunser an und endet mit: ” O Herr segne uns was du uns bescheret hast”. Ich bin jetzt bei ihnen und wünsche ihnen guten Appetit. Ich spreche den Mann auf die Bibelzitate an und schätze, dass die Weinberge für das Vorlesen einiger Bibelstellen besonders gut geeignet sind. Die Weinreben und Weinstöcke, die Arbeit in den Weinbergen, werden von Jesus oft für seine Gleichnisse benützt. Der Wein spielt auch bei den Wundern von Jesus eine Rolle und ist eines der großen Geheimnisse während der Messe: Die Verwandlung von Wein in Jesus Blut, ein Geheimnis des katholischen Glaubens.

Die Abholung von Speisen bei der Wirtshaustür war das Eine, aber auch eine Buchhandlung in Bad Vöslau bot dieses Abholservice an. Kuli, eine Wortschöpfung aus Kultur und Literatur. Während der Lockdown ist an bestimmten Tagen und zu gewissen Zeiten vor der Ladentür eine Kiste mit den bestellten Büchern gestanden. Alle in Papiertüten verpackt und beschriftet. Die Inhaber von kleinen Buchhandlungen sind oft, in Gemeinden wo Kultur über Volksmusik und Brauchtum nicht hinausreicht, Ideengeber und Initiatoren für kulturelle Veranstaltungen. Zeitweise auch literarisch Neues inszenieren. Vor dem dritten Lockdown hatte ich die Möglichkeit, teils aus Neugier, die wirklich kleine Buchhandlung zu besuchen. Die Auswahl an Büchern war dem Geschmack der Inhaberin geschuldet, ich kaufte ein paar Ansichtskarten. Ich gab mich als Buchhändler in Muse zu erkennen, so war ihre erste Frage, ob ich für meine Buchhandlung einen Nachfolger gefunden habe? Mit Zufriedenheit konnte ich dies mit einem klaren und hellen Ja beantworten. Aus dem Tagebuch…

Allen ein frohes Osterfest

ostern

Zu Ostern 2021 erlebte ich in den Weinbergen, auf dem Weg von Bad Vöslau nach Soos, wie viele Menschen den warmen Ostermontag für ein Picknick im Freien genützt haben. In Ostösterreich waren Corona bedingt alle Gast- und Vergnügungsstätten geschlossen. An allen erdenklichen Plätzchen sah ich in den Weingärten Singles, Paare, Familien mit Kindern, mit einem Korb oder einem Rucksack voller Speisen und Getränke bei einem Imbiss. Es gab nach oben keine Altersgrenzen, viele Senioren erinnerten sich dabei wohl an glückliche Jugendjahre, an romantische Zeiten. Damals, als sie mit ihrem Partner zwar etwas unbequem, dafür aber verliebt im frisch sprießenden Gras saßen und ihre vorbereiteten Jausenbrote aus der Alufolie wickelten. Bei den Familien waren es diesmal die Tüten von Mac Donalds, die auf der Wolldecke verzehrt wurden.

Dazwischen Spaziergänger mit Hund und verbotenerweise einige Radfahrer. Der Geheimrat W. von Goethe hätte seine Freude daran gehabt, hätte er es erlebt, wie viele Menschen seinem Aufruf zu einem Osterspaziergang gefolgt sind. Bei meinem Spaziergang bereitete es mir Vergnügen, einem Diskurs zwischen einer Spaziergängerin und einem Hundebesitzer zu lauschen. Der Herr äußerte sich gegenüber einer Dame erregt, dass er in der Pandemiezeit als Single kaum die Möglichkeit hat eine neue Freundin kennenzulernen. Im ersten Pandemiejahr versuchte er, bei seinen Einkäufen für seinen Einpersonenhaushalt mit dem Anbandeln im Supermarkt. Er wandte sich hilfesuchend an Frauen ihm bei der Auswahl oder der Suche nach einer bestimmten Sorte von Joghurt behilflich zu sein. Auch die Frage nach einem guten und schmackhaften Brot, brachte trotz mehrerer Versuche, keinen Erfolg beim Kennenlernen. Dieses Frühjahr hat er sich einen Hund angeschafft und hofft bei den täglichen Spaziergängen mit dem Hund, seinem Wunsch eine Freundin zu finden näher zu kommen. Aus dem Tagebuch…

schütt:liebe II

Seit der Jahre in Arnoldstein ist die Schütt für mich ein Erholungsgebiet. Im ersten Jahrzehnt bin ich zumeist am Wochenende mit dem Auto zum Kraftwerk Schütt gefahren und von dort den Kraftwerkskanal entlang spaziert. Dabei richtete sich mein Blick auf die Abbruchstellen des Dobratsch, wo die Felsen je nach Sonneneinstrahlung und Jahreszeit in verschiedenen Brauntönen leuchten. Eine tiefe Verbundenheit mit dem Berg, welcher sich seit dem Bergsturz im vierzehnten Jahrhundert seiner schützenden Hülle, dem Wald, entledigt hat. Die Gesteinsblöcke und die südliche Vegetation rechts und links vom Werkskanal sind ein Unikum für mich. Am Gail Ufer erstrecken sich die Sandstrände, ein beliebter Ort zum Grillen und Chillen. Chillen nennt man es heute, damals Sonnenliegen. Die Erzählung Urban gibt etwas von der Stimmung dieser Jahre wieder. Beim Radfahren ist die Straße entlang des Kraftwerkskanal geeignet für ein meditatives dahingleiten. Von der Rast in der Oberschütt habe ich Zuversicht für die kommende Berufswoche mitgenommen. In den letzten zwei Sommer war der Rastplatz in der Oberschütt eine Rückzugsort vor den Corona Unbilden und Meldungen. Ein Kraftort in der Pandemiezeit, welche in den ersten Monaten als die Seuche des einundzwanzigsten Jahrhunderts bezeichnet wurde.

Beim Eintragen in das Tageheft vor denken, welche Möglichkeiten sich bieten um mir im fortschreitenden Alter das Leben zu erleichtern, Ballast abzuwerfen. Nicht das immaterielle Erbe, im Ort Arnoldstein eine Papier- und Buchhandlung gegründet zu haben. In den Köpfen vieler Arnoldsteiner, welche vor der Jahrtausendwende geboren wurden, heißt es noch immer gehen wir zum Supersberger eine Packung Farbstifte oder Hefte kaufen. Bei einem Besuch hat mir der derzeitige Verkäufer erzählt, dass er immer wieder von Erwachsenen angesprochen wird, sie hätten als Schulkinder beim Supi Stollwerk gekauft. Im Kärntner Landesarchiv sind unabhängig von mir, meiner Verwandtschaft oder meinem Betriebsnachfolger vierzig Jahre Firmengeschichte archiviert.   

schütt:liebe

Die Ortschaft Oberschütt hat für mich eine bestimmende Bedeutung, dies habe ich wieder einmal bei einer Rast, während einer Fahrradtour von Villach nach Arnoldstein, festgestellt. Die zwei markanten Gebäude in der Oberschütt sind die Pfarrkirche, rundherum derFriedhof und das Feuerwehrhaus der Freiwilligen Feuerwehr Oberschütt. Dazwischen dehnt sich der Parkplatz, mit einer Informationstafel zum Naturpark Dobratsch, aus. Nach dem Feuerwehrhaus gibt es einen Ruhebereich mit zwei Holzbänken, durch einen Grünstreifen von der Straße getrennt. Dieser befindet sich gegenüber dem Haus Schütterstraße Nr.115. Im Grünstreifen hat man Ebereschen gepflanzt. Während der Berufszeit stand das Verfärben der Früchte in den Sommermonaten für das Verstreichen der Ferienwochen. Verfärbten sich die kleinen Kügelchen der Ebereschen rot, war es etwa Mitte August und für mich als Papier- und Buchhändler an der Zeit, mit den Vorbereitungen für das neue Schuljahr zu beginnen. Vom Auffüllen der Schulartikel im Laden, dem Erstellen der Lieferscheine für die Schulbuchaktion, bis zur deren Auslieferung. Der Rastplatz in der Oberschütt ist nicht nur ein Ort welcher an die verstreichende Zeit erinnert, sondern auch ein Ort wo ich mir eine Auszeit gönne.

Die Rast benütze ich dazu etwas in meine Tagehefte einzutragen. Tagebücher hat jemand als Selbstgespräche bezeichnet, eine Möglichkeit mit seinen Wünschen in das Reine zu kommen. Sich ein klares Bild von einer Idee zu machen, was wird möglich sein? Anderseits etwas festhalten was einem geärgert oder beunruhigt hat und damit von der Causa Abschied zu nehmen. Nach dem ich nach dem vierzigsten Geburtstag zum Radfahren begonnen habe, war dieser Bereich ein geliebter Haltepunkte. Nach Jahren habe ich die Bewohner vom Haus gegenüber wie Nachbarn gegrüßt.