ferra:gosta II

Hierzulande verbreitet sich der Trend, die Wochenenden am Wasser zu verbringen. Größtenteils im Strandbad unter einem schattigen Baum und vermehrt im hochalpinen Bereich. Zum Großteil sind diese Regionen in Kärnten durch Seilbahnen und sogenannte Hochalmstraßen zu erreichen. Davon gibt es viele. Für manche ist die Fahrt auf der Malta Hochalmstrasse und ein Spaziergang rund um den Kölnbreinspeicher eine willkommene Auszeit. Sind in den Nachrichten landesweit 33 Grad angesagt, so herrschen in zweitausend Meter Seehöhe kühle 22 Grad. Der Zustrom zur Mautstelle der Hochalmstraße ist in den frühen Morgenstunden recht zahlreich, darunter sehr viele italienische Urlauber. Der Besuch zählt mit ihren spektakulären Wasserfällen zu den Top Ausflugszielen im Lande. Die Wasserfälle werden nachtsüber dem Stausee zugeleitet. Auf Knopfdruck werden sie am frühen Morgen wieder eingeschaltet, die Naturparkverwaltung.

An den Sommerwochenenden kommt zu den Naturgewalten ein anderer Publikumsmagnet, der Bungee-Jumping-Sprung von der 200 Meter hohen Staumauer. Dabei springt man auf spektakuläre Weise in die Tiefe und hat eine gewaltige Zuschauermenge. Viele wollen sich den freien Fall der mutigen Kandidaten und Kandidatinnen keineswegs entgehen lassen. Das Handy ist als Fotoapparat oder als Filmkamera immer live dabei. Dazu gibt es lautstarke Musik  und ein Sprecher kündigt den 165 Meter Sprung an: Fünf, vier, drei, zwei eins, los.  Die Wagemutigen springen schon bei drei aus der Kabine, welche von einem Kran gehalten wird. Der Sprung endet knapp über dem Boden der Talsperre, um den Klienten noch einmal bis an die Oberkante  der Dammkrone hochzuschleudern und dann langsam auszupendeln. Mit der Kabine wird er/sie dann am Talboden abgeholt.

Schwindelfrei.

ferra:gosta I

In Italien war es für die begüterte Bevölkerungsschicht aus den Städten wie Florenz, Venedig oder Mailand möglich, die heißen Sommermonate  im kühleren Hinterland zu verbringen und erst wieder im Herbst in die Städte zurückzukehren. In eigens dafür errichteten Landhäusern. Die adelige Gesellschaft verbrachte diese schwüle Jahreszeit noch weiter nördlich, im Gebirge, bei ihren Verwandten in Südtirol oder in Kärnten. Teilweise errichteten sich hier Schlösser und Residenzen, die einzig dem Zweck dienten,  im Sommer einen Hitzefluchtpunkt zu haben.

Die Tage um Christi Himmelfahrt sind für die Italiener die Haupturlaubszeit. Zu Ferragosta, wie der 15. August bezeichnet wird, machen viele Firmen Betriebsurlaub und auch die öffentliche Verwaltung arbeitet auf Sparflamme. Die meisten italienischen Urlauber in Kärnten trifft man im August an. Die Temperaturen bei uns, im Juli und jetzt wieder im August liegen bei 33 Grad. Diese empfinden sie noch für erholsam. Es ist nicht verwunderlich, dass von den südlichen Nachbarn die Besserverdienenden in einigen Gebirgstälern Zweitwohnsitze erworben haben. Wobei die Nachfrage, nachdem es in Italien wirtschaftliche Probleme gibt, etwas ins Stottern geraten ist. Es herrscht jetzt ein Überangebot. Manche Zweitwohnungsbesitzer meldeten sich einfach nicht mehr und stellten die Zahlungen für die Betriebskosten ein. Wer es nicht so laut und schrill wie an der oberen Adria will, wo ein Event dem anderen die Hand gib, der urlaubt an den vergleichsweise beschaulichen Kärntner Seen. Hier findet man echte Abkühlung und bei einer Vorliebe für die Berge bietet sich die Südtiroler Bergwelt, die Dolomiten, an. An der oberen Adria sind es jetzt die teuersten Urlaubstage des Jahres.

Für Kärntner sind dies die Hundstage. Noch können sich die heimischen Firmen nicht dazu entschließen von ihren üblichen Öffnungs- und Arbeitszeiten abzurücken. Im Süden ist es üblich, dass die Geschäfte  bis 13 Uhr und dann erst wieder ab 17 Uhr  geöffnet haben.

Der Hund.

brief:kasten

Im Zeitalter des Internet und der Handykultur verschwinden immer mehr praktische Einrichtungen aus dem öffentlichen Raum, ohne das dies zunächst auffällt und wir sie vermissen. Dies betrifft den ländlichen Bereich genauso wie die Innenstädte. Wer ist im Dorf oder in der Stadt noch darauf angewiesen, dass er für seinen Alltag eine öffentliche Uhr benötigt?  Außer an der Fassade oder in der Eingangshalle  vom Bahnhof  gibt es im öffentlichen Bereich kaum noch Uhren. Einen großen Chronometer, auf dem man vom Gehsteig aus, die Uhrzeit ablesen kann. Fast ausnahmslos hat jeder sein Handy in der Jackentasche und blickt zwischendurch immer wieder darauf. Vielen Handybenützer geht es einfach um die Uhrzeit. Je weniger die traditionellen  Armbanduhren von den Jugendlichen getragen werden, umso größer ist das Angebot in den Schaufenstern bei den Juwelieren. Vor Jahrzehnten war es üblich, dass die Mädchen und die Burschen zur Heiligen Firmung von der Firmpatin oder dem Firmpaten nebst einem Rosenkranz eine Armbanduhr als Geschenk erhalten haben. Danach war lange Zeit ein Fahrrad das passende Geschenk.

Eine öffentliche Uhr am Hauptplatz oder im Stadtpark diente vielen Verliebten als Treffpunkt für eine Verabredung. Damit wurden zwei Fliegen auf einen Streich erledigt. Zum Einem wusste jeder unmissverständlich wo sich der Treffpunkt befand, zum Anderem konnte man die Pünktlichkeit des Partners im Auge behalten. Vor der Jahrtausendwende konnte man sich eine Woche vorab für den Samstag um 14 Uhr bei der Weikhard Uhr am Grazer Hauptplatz verabreden und der Termin war bombensicher. Dazwischen gab es keine Telefonate und keine Terminverschiebungen, wie wir es heute, Dank oder Fluch des Handys, stündlich erleben. Die Weikhard Uhr zählt auch heute noch zu den wenigen Relikten öffentlicher Uhren. Diesen Treffpunkt gibt es seit vielen Generationen. Auch bei meinem Präsenzdienst in Graz diente der Platz rund um diese Uhr als Stelldichein. Inzwischen liegt die Amokfahrt eines 26jährigen durch die Grazer Innenstadt einige Monate zurück, wobei diese auch an diesem Treffpunkt vorbeiführte. Eventuell hatten sich Personen zu dieser Zeit, an dieser Stelle, verabredet und mussten die Amokfahrt mit den tödlichen Folgen mit ansehen.

Das gleiche Schicksal wie den öffentlichen Uhren ereilt die Briefkästen. Früher hat es an jeder Straßenecke einen gegeben, mit der leuchtend gelben Farbe haben sie einem sofort in das Auge gestochen. Mit dem Aufkommen von FAX und Email, mit dem verschicken von SMS per Handy,  wurden viele der Briefkästen abmontiert. Befindet man sich nicht in der Nähe des Haupt- oder Bahnhofpostamtes, dann bedarf es Adleraugen, um heute noch einen Briefkasten auszumachen. Da nützen auch die flotten Sprüche, welche die Briefkästen zieren, nichts: „Wenn es sicher sein soll, dann lieber mit der Post“ oder „Die Post bringt jeden etwas“. Um in den Genuss von Sozialleistungen zu kommen, ist es heute von Amtswegen unerlässlich, dass man über eine feste Post- und Wohnungsadresse verfügt. Für Zahlungsüberweisungen ein fixes Bankkonto. In naher Zukunft wird auch dafür eine Handynummer oder ein Googlekonto genügen, wohin man die Post schickt und das Geld überweist.

Staatsbürgerschaftsnachweis.

leben:mitte

Vor acht Monaten ist Udo J. bei einem Spaziergang in Gottlieben in der Schweiz zusammengebrochen und gestorben. Er hatte gerade Tournee Pause, Mitten im Leben, welche er in diesem Jahr in Österreich fortsetzen wollte. Zu seinem achtzigsten Geburtstag hatte ihn das Fernsehen mit einer großartigen Show gefeiert. Wir suchten nach einer passenden Fernsehsendung für den Abend, da wurde in den Nachrichten verkündet, dass Udo J. gestorben sei. Aus diesem Anlass wurde die Geburtstagsgala zu seinem 80er aus Freiburg wiederholt. Bei den Liedvorträgen durch die verschiedenen Interpreten hatten wir ein zwiespältiges Gefühl. Dabei hatten wir immer die Stimme und die Interpretation von Udo im Kopf und so haben uns die Auftritte nicht so gut gefallen. Ungewollt haben wir die Art der Interpretationen verglichen. Jene Auftritte haben uns am meisten überzeugt, die Udo nicht nachgeahmt haben, sondern seine Lieder neu interpretiert haben. Bei dieser  TV-Gala konnte man Udo seine Emotionen ansehen, weil viele jüngere Sänger und Sängerinnen seine Lieder weiterverbreiten. Etwas auch die Erschöpfung von der Tournee. Zu den schönsten Momenten und Stunden gehören für einen Künstler, wenn er miterlebt, dass sein Werk weiterlebt. Bei einem schöpferischen Menschen, egal in welchem Genre, steht immer das Werk im Mittelpunkt.

Der Titel, Mitten im Leben, war etwas gewagt. In Österreich gibt es ein Gedächtnistrainingsprogramm für Senioren, welches Mitten im Leben  heißt. Mit allerlei Themen, entsprechend der Jahreszeit, Worträtseln und Rechenaufgaben wird versucht das Gedächtnis aktiv zu halten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, üblicherweise nehmen mehr Frauen als Männer teil, sind in einem Alter von sechzig bis neunzig Jahren.

Dabei stellt sich die Frage, wann ist es Mitten im Leben, ist dies mit 40, 50 oder 66 Jahren?  Soll es so verstanden werden, dass Mitten im Leben einfach heißt, am Leben teilnehmen. Jeder der aktiv an den Mitmenschen Interesse zeigt, am Alltagsgeschehen teilnimmt, befindet sich Mitten im Leben, da spielt das kalendermäßige Alter keine Rolle. Wer sich aus dem Alltag, aus den Beziehungen zu anderen Menschen ausklinkt, befindet sich auch mit vierzig Jahren nicht mehr Mitten im Leben. Der Tournee Titel von Udo J. war ein positives Signal für aktive ältere Menschen. Schon einmal hat er mit seinem Schlager, Mit 66Jahren fängt das Leben erst an…, älteren Personen Mut gemacht.

Aus dem Tagebuch…

bild:frei

In der Lagunenstadt Venedig sind die meisten Augusttage trotz der vielen Kanäle und einer Brise vom Meer, sehr heiß. Trotzdem streunen eine Fülle von Menschen zur Biennalezeit, auch bei Temperaturen von 35 Grad und mehr, durch die Länderpavillons in den Giardini. Am Vormittag, wo man körperlich noch ausgeruht ist, fällt es einem leicht sich mit den Objekten, Videos, Installationen und Bilder der Künstler auseinanderzusetzen. Nach der Fülle von Ausstellern im Central Pavillon und der Runde durch die Länderpavillons, blickt man am frühen Nachmittag sehnsüchtig auf die gegenüberliegende Seite der Giardini. Dort gibt es eine Fortsetzung der Länderpavillons welche man über eine Kanalbrücke erreicht. Das Überqueren dieser Brücke erlebt man als erfrischende Wohltat, auch wenn man im Kanal nicht baden kann. Der Anblick des Wassers gibt einem neue Kraft.

Auf der anderen Seite erwartet einem ein Spalier von Bäumen und am Ende vom Garten der Österreichpavillon. Ein  längsgezogener, rechteckiger Bungalow mit einer weißen Fassade. Für den Besucher wirkt er von außen und beim Eintreten so, als wäre der Österreichpavillon frisch renoviert worden. Durch die glatten weißen Wände, der Decke und dem Fußboden in schwarz, wirken die großen Räume wie die Eingangshalle eines Designhotels. Dazu in jedem Raum, rechts und links, jeweils eine schmucklose weiße Bank. Schlicht, wie eine vergrößerte Heftklammer. In den ersten Minuten ist man im Zweifel, handelt es sich bei der Bank  um eine Kunstinstallation oder ist es eine Bank zum Ausruhen für die Besucher. Die Schlichtheit und die schwarz-weiß Optik sind nach den vielseitigen Eindrücken am Vormittag erholsam. Es gibt auch keine Musik oder sonstigen Geräusche, einzig die Schritte und das Gemurmel der Besucher.

Beim Verweilen in den Ausstellungsräumen kann ich die fragenden und staunenden Gesichter der kunstinteressierten Besucher beobachten. Sie halten nach dem Kunstwerk, den Bildern oder einer Installation, Ausschau. Manches Mal kommen zweifelhafte Aussagen, ob die Kunstwerke vergessen wurden. Im österreichischen Pavillon ist viel geschehen. Heimo Zobernig hat alle Wände, die Decke und den Boden im Pavillon neu beschichtet und so dem Pavillon ein neues Aussehen gegeben. Der anschließende Innenhof wurde neu bepflanzt und zu einer Oase in der Bilder- und Skulpturenflut in Venedig. Besucheräußerungen sehen manchmal in den gepflanzten Bäumen, im neu strukturierten Garten, die Lösung des Kunsträtsel. Entspringt das Outfit von der Aufsicht einem Wunsch von Heimo Zobernig? Der junge Mann ist ganz in schwarz gekleidet, die Schuhe, die Hose, das Hemd, bis zu den schwarzen Haaren.

Vor sechs Jahren war der österreichische Beitrag zur Biennale von anderer Art. Hingucken…