Archiv der Kategorie: TAG.GEDANKEN
TAUSCH:handel
Auch an Orten, bei Wohnungen, wo die nächste Straße mehrere Hunderte Meter entfernt ist, kann man den Straßenlärm hören. An schönen Tagen, wenn der Wind weht und dazwischen aus einem angrenzenden Garten der helle Ruf eines spielenden Kindes. Gegen dieses Rauschen, das am frühen Vormittag und am späten Nachmittag am stärksten ist, gibt es keine Rechtshandhabe. Wir leben in einer Gesellschaft mit klaren Rechtsregeln, wir sind in einem stabilen Rechtssystem aufgewachsen. Es ist ein seltener Zustand, wenn es im Kopf völlig still wird, wir sind nicht nur dem Lärm von außen ausgesetzt. Die moderne Hirnforschung sagt, dass wir unsere Tätigkeiten unabhängig von unserem Willen ausführen. Wir bestätigen im Nachhinein die Entscheidung unsers Gehirn, dies ist der freie Wille. Wir haben die Möglichkeit etwas nicht zu tun, uns gegen unser Gehirn aufzulehnen.
Als Kind lernen wir, dass es menschliche Regeln gibt, jeder seine Freiheiten hat, aber keine endgültigen Freiheiten. Ohne Regeln würden wir ständig agieren, wir würden die Grenze des Nächsten überschreiten. Grenzenlose Freiheit würde uns in die Unfreiheit führen, das sichere Leben würde zur Unsicherheit ausarten. Jedes Lebensalter bietet andere Freiheiten, Lebensabschnittsfreiheiten. Die Freiheit der Jugend, bei Mode, Unterhaltung oder Verantwortung unterscheiden sich in vielen Punkten von den Freiheiten des Alters. Die unfreiste Zeit des Lebens ist die Zeit der Lebensmitte. Im Alter nützt man noch einmal die menschlichen Freiheiten aus, besitzt man ein gesundes Mass an Selbstbewusstsein und blickt auf sein Leben mit Selbstachtung zurück. Es ist die Zeit, sich noch einmal gegen gesellschaftliche Entwicklungen aufzulehnen, vieles nicht gut zu heißen. Sich nicht durch Jugend und Schönheit in das Abseits drängen lassen. Die einzige Grenze der Altersfreiheit ist die Grenze des eigenen Lebens, die Begrenztheit der Lebensjahre.
Altersfreiheit gegen Jugend.
HUNDE:treue
In der Innenstadt von Villach kann ich beobachten, wie treu ein Hund sein kann, oder ist es die Aussicht auf eine Belohnung? Eine Frau überquert mit einem Hund an der Leine einen kleinen Platz. Der Hund dreht sich immer wieder um und richtet seinen Blick nach oben, zu einem Fenster in einem mehrgeschossigen Wohnhaus. Die Frau drängt den Hund zum Weitergehen, er macht genau das Gegenteil. Er dreht sich um, setzt sich auf sein Hinterteil und blickt zu den Fenstern im ersten Stock empor. Er ist mit Worten nicht zu bewegen seinen Platz zu verlassen, er fängt leise zu jammern an. Die Hundebesitzerin erklärt: “Normalerweise zeigt sich eine Bekannte hinter dem Fenster, öffnet das Fenster und wirft dem Hund einen Leckerbissen zu”. Heute bleibt das Fenster geschlossen, es brennt auch kein Licht in der Wohnung. Der Hund ist nicht bereit weiterzugehen und fängt zu klagen an. Um sich Klarheit zu verschaffen, will die Hundebesitzerin in den Wohnblock gehen und bei der Bekannten anläuten. So kann sie klären, ob sie nicht zu Hause ist oder ob sie irgendwelche Beschwerden hat.
Pflichtbewusstsein.
UN:glaube
Zwischen den Kulturen ist ein Streit ausgebrochen, wer die Ungläubigen sind. Die westliche Welt, darunter christliche Regierungen, bezeichnen seit dem 11. 9. 2001, dem Tag des Anschlages auf das Word Trade Center, die Menschen im Nahen Osten als die Ungläubigen, als Ort des Bösen. Umgekehrt werden wir von den radikalen Muslimen als die Ungläubigen beschimpft. Sie sehen in unserem freizügigen und gottlosen Leben das Ungläubige. So wird der Ball zwischen West und Südost hin und hergespielt. Der Großteil der Menschen im Westen ist im Sinne der Kirche nicht gläubig. Die Meisten leben eine Frömmigkeit „light“. Manche der mittleren Generation schauen ungläubig, wenn man vom Glauben spricht.
Die Ungläubigkeit beginnt beim Aufwachen in der Früh und wir feststellen, dass das tatsächliche Wetter, nicht mit der Wettervorhersage übereinstimmt. Wir können es nicht glauben, das Schönwetter ist, weil Niederschläge angekündigt wurden. Wir beten das Schlechtwetter mit unseren Gedanken herbei. Man gewinnt den Eindruck, dass man Macht über das Wetter hat, mehr Macht, als man sich selbst zugetraut hat. War man Zeuge eines Verkehrsunfalles mit Blechschaden, glaubt man erst daran, wenn eine Notiz in der Lokalpresse steht. Ansonsten ist es nicht passiert.
Wer glaubt, wird selig.
RIT:uale
In der katholischen Kirche Österreichs ist es durch verschiedene Vorkommnisse, wie überstürzte Bischofsernennungen, starre Haltung in sexuellen Fragen, zu einer Reihe von Kirchenaustritten gekommen. Viele benützen die Vorkommnisse dazu, um sich von der Zahlung der Kirchensteuer zu entledigen. In der sozialistischen Ära pflegte die Arbeiterschaft eine distanzierte Haltung zur Kirche. Andere haben keine Beziehung zum Glauben und sind aus Langeweile ausgetreten. In vielen Fällen ist der Grund, warum Menschen einer religiösen Organisation angehören der, dass sie nicht auf die festlichen Zeremonien des Kirchenjahres und ihres Leben verzichten wollen. Die Feiern im Jahreskreislauf, wie Weihnachten, Ostern, Fronleichnam und Allerheiligen. Eine besondere Bedeutung nehmen die Lebensrituale ein, die Taufe, die Firmung, die Hochzeit, bis zum Begräbnis. Im Angesicht des Todes ändern Menschen ihre Gesinnung. Für viele ist es nicht vorstellbar ohne den kirchlichen Trost, der Hoffnung auf Auferstehung und ein Weiterleben nach dem Tod, zu sterben. Die Hinterbliebenen lassen sich, mit dem Gedanken auf ein Weiterleben und ein Wiedertreffen im Jenseits, trösten.
Was passiert mit der Seele derer, die aus den christlichen Glaubensgemeinschaften ausgetreten sind und ohne kirchlichen Segen beerdigt werden. Finden diese Seelen auch einen Platz im Himmel? Kann man sich den Himmel als ein Verwaltungsgebäude vorstellen, wo in der Eingangshalle eine Hinweistafel montiert ist, die den eintretenden Seelen die Orientierung erleichtert. Hier geht es zum Aufenthaltsraum für die evangelischen Christen, dort zum Leseraum für die Hinduisten, zum Veranstaltungsraum für die Naturreligionen, zum Betraum für die Christen und so fort.
Den Hinterbliebenen war, da der Verstorbene schon vor Jahren aus der Kirche ausgetreten ist wichtig, dass es eine würdige Verabschiedung gab. In diesem Fall durch das Personal des Bestattungsunternehmens. Man erzählte, dass das Begräbnis schöner war, als bei manchen Geistlichen.
Schönheitsbewerb.