seiten:stechen II

Der Moderator des Lesereigen Seitenstechen meinte zu Beginn, es lasen fünf AutorenInnen, ob das Motto etwas damit zu tun hätte, dass der Weg auf die Klosterruine Arnoldstein körperliche Fitness verlangt. Wo für die AutorenInnen das persönliche Herzweh, ähm Seitenstechen beginnt, erfuhren die BesucherInnen in den nächsten drei Stunden live. Jeder der AutorenInnen trug, je nach Alter,seine ganz persönliche Geschichte oder Gedicht zur Liebe vor. Von vorgetäuschter Liebe in der Ehe bis zur Liebe zu einer Selbstmordattentäterin. Immer am Puls der Zeit. Die Lyrik war noch nie eine Freundin des direkten Sexes. Geduldig wartete ich auf die Lesung von Joseph Zoderer. Bei einer literarischen Sommerwoche in Brixen, in Südtirol,  hatte ich sein Buch Die Walsche zur Lektüre. Ein Thema, welches sich immer wiederholt, jeder strebt danach irgendwo heimisch zu werden. Eine Südtirolerin, verheiratet mit einem Italiener, kehrt in das Dorf ihrer Kindheit zurück, zur Beerdigung ihres Vaters…Dort wo sie beide immer gemieden wurden, der Vater als Volksschullehrer und sie als Abtrünnige, die einen Walischen geheiratet hat. Noch einmal wird ihr aller Leben aufgerollt…

Joseph Zoderer las aus seinem Roman, Die Farben der Grausamkeit, einige längere Textstellen. Mit diesem Buch schließt er an ein Phänomen älterer Schriftsteller an. Sie leben es live oder entwerfen es in einem Roman, dass sie sich noch einmal in eine viel jüngere Frau verlieben. Die andere Konstante ist, sie begegnen in den späten Jahren überraschenderweise der Jugendliebe wieder. Dieser Inhalt liegt diesem Roman von Zoderer zu Grunde. Der sprachliche Ausdruck hat immer noch die Kraft seiner frühen Bücher, vielleicht etwas abgeklärter.

Geht es in der zeitgenössischen Literatur um Liebe, Sex und Begehren, dann haben die AutorenInnen eine schwierige Position. Wie in vielen anderen Branchen ist das Internet ihr gemeinsamer Feind. Die einen AutorenInnen versuchen es mit noch größerer Direktheit bei der Schilderung von Sexszenen, die Anderen mit Poesie.

Herzschmerzen

seiten:stechen I

Das Wort Seitenstechen habe ich schon lange nicht mehr gehört. Geglaubt, dass es aus unserem Sprachgebrauch verschwunden ist. Aufgrund unserer Tätigkeiten, die immer weniger mit Bewegung zu tun haben, kein Thema mehr ist. Kommt es auch daher, dass ich als Buchhändler in Muse nicht mehr so flott unterwegs bin, zu keinen endlosen Wanderungen aufbreche? Erinnere ich mich recht, hat die Befindlichkeit Seitenstechen etwas mit dem Laufen zu tun? Sind wir als Kinder übermäßig gelaufen, beim Räuber- und Gendarmspiel, dann hat der Eine oder der Andere aufgeben müssen, das Laufen hat zu Seitenstechen geführt. Heute klagt man darüber, dass spielen und umher toben im Freien keine Sache der Kinder mehr sei. Diese bloß irgendwo an einem Tisch hocken und sich mit dem Handy beschäftigen. Das Thema in den Medien ist die Handysucht der Jugendlichen. Besorgt klingt es aus dem Mund der Omas, dass deshalb ihre Enkel alle eine Entziehungskur mitmachen müssen, bevor sie das vierzehnte Lebensjahr erreichen werden. Für viele Omas ist eine heimlich gerauchte Zigarette oder ein kleines Bier das kleinere Übel. Meine Wahrnehmung ist, es vergeht fast kein Nachmittag, dass nicht im Nachbargartens ein paar Jugendliche  einander hinterherjagen.

Beim Gebrauch des Wortes Seitenstechen hat es für mich eine große Durststrecke gegeben. Bis vor einigen Wochen, da wurde zu einem Event, „Seitenstechen. Literatur im Zeichen der Liebe“, geladen. Da wurde mir bewusst, vielleicht hat Seitenstechen auch etwas mit Verliebtheit zu tun?  Die Einen bekommen vor lauter Liebe Herzweh, andere Seitenstechen. Ich kann mich nicht erinnern, vor lauter Sehnsucht Seitenstechen bekommen zu haben, aber die menschlichen Befindlichkeiten sind verschieden.

Ob bei den BesucherInnen des Events Seitenstechen. Literatur im Zeichen der Liebe durch die vorgetragenen Texte auch die erotische Fantasie angeregt oder konkrete Bedürfnisse geweckt wurden, bleibt  im Dunkeln. Beim Ausgang wurde an alle eine poppig gelbe Tragtasche mit Werbematerial verteilt. Damit wurde für etwaige Eventualitäten vorgesorgt. In der Tasche befand sich eine Reklame für reizende Dessous, wer aber gleich zur Sache kommen wollte, fand darin ein mit Gleitmittel beschichtetes Markenkondom. Eine Teeprobe, eine Info zu einem Yoga Wochenende, ein Prospekt für Trachtenbekleidung und ein Buchmagazin befanden sich auch in der Tasche. Wer fantasievoll ist, kann dies alles um den Gebrauch des Kondom arrangieren.

Neuseeland

buch:freude II

Beim Neuordnen der Bücher stelle ich mir die Frage, soll ich mich von einigen Büchern trennen?  Sie einem Caritasladen oder einem Flohmarkttandler überlassen?  Meistens beschränkt sich das Ausmisten auf ein paar wenige Bücher, die zumeist eher kalendermäßigen Charakter haben. Das war es dann erst einmal. Von der Übersiedelung weiß ich, dass nichts so schwer war, wie der Transport der Bücher. Vielleicht will ich mich deshalb von keinem Buch trennen? Glücklicherweise wurde ich dabei von einem Freund unterstützt. Dagegen waren die Kleider und die Haushaltsgeräte kinderleicht. Die weiterverwendeten Möbel wurden von einem Schreiner ab- und aufgebaut.

Eine kreative Art antiquarische Bücher einer neuen Verwendung  zuzuführen habe ich beim Blumenmarkt in Villach entdeckt. Die Schüler des Bildungszentrums Ehrental,  haben gebrauchte Bücher dafür verwendet, um darin Blumen zu pflanzen. Es wurden dafür mehrere Bücher miteinander verklebt und in das oberste Buch ein Loch für eine Blumenschale ausgefräst, darin Gräser angepflanzt. Ergänzt wurde diese Kombination durch einige dekorativer Akzente. Ich konnte nicht umhin, ein solches Buchpflanzenarrangement zu kaufen und habe es in ein leeres Regal in meiner Bücherwand gestellt. Beim Kauf habe ich nachgefragt, ob sie für ihre Kreationen Interesse an antiquarischen Büchern hätten? Dazu hat sich eine Schülerin gemeldet und erklärt, sie würde jederzeit gebrauchte Bücher nehmen. Sie hat  eine Leidenschaft für Bücher. Wenn ich gesehen habe wie die übrigen Schüler immer wieder einen Blick auf das Handy geworfen haben, war sie doch eine Ausnahme. Der Schülerin habe ich versprochen, dass ich ihr von meinen Büchern etwa fünfzig Stück vorbeibringen werde. Beim Überbringen der Bücher empfand ich dieselbe Freude, als wenn ich für mich ein Buch gekauft hätte. Bücherfreuden.

Wenn aus Büchern Pflanzen sprießen…

buch:freude I

Noch heute weiß ich genau, welches Buch mir die Eltern als erstes geschenkt haben. Es war das Buch: „Götter, Gräber und Gelehrte“, von C.W.Ceram, Roman der Archäologie, erschienen im Rowohlt Verlag. Der Preis steht jetzt noch auf der Innenseite vom rückwärtigen Buchdeckel, es hat Schilling 158,40 gekostet. Erstmals im Jahre 1949 erschienen, wurde es bis 1962  über 1,3 Millionen Mal verkauft. Ein Longseller der fünfziger und sechziger Jahre. Das Buch ist immer noch lieferbar, in einer Neubearbeitung und hat bis jetzt eine Auflage von über fünf Millionen Stück erreicht. Dieses Buch war eine Empfehlung meines Lateinprofessors, welcher uns spannende Begebenheiten aus der römischen und griechischen Geschichte erzählt hat. Diese Erzählungen während der Lateinstunde waren viel spannender als der übliche Geschichtsunterricht. Der Professor war einige Jahre als Archäologe im Vorderen Orient tätig.

„Die Verbesserung von Mitteleuropa“, ein Roman von Oswald Wiener,1969 im Rowohlt Verlag erschienen, war das erste Buch, welches ich mir von meinem selbstverdienten Gehalt kaufte. Es erscien in einer Auflage von dreitausend Stück. Es führte zwar das Wort „Roman“ im Titel, ist aber alles andere als ein Roman. Es ist eine Textcollage, eine Mischung aus Computerwissenschaft, Sprachexperimenten und Existenzphilosophie. Oswald Wiener entwirft darin, lange vor allen technischen Entwicklungen, ein Bild des Cyberspace und der Virtualität. Die Ausrichtung des Individuums erfolgt durch die Anwendung der Kybernetik. Der Preis, Schilling 53,60, steht auf der Innenseite vom rückwärtigen Einband. In den fünfziger und sechziger Jahren war es bei den Buchhändlern üblich, dass der Preis und das Einkaufsjahr mit Bleistift auf die Innenseite des rückwärtigen Buchdeckels geschrieben wurde.

Chaostheorie.

frühjahr:putz II

Ein Highlight beim Frühjahrsputz ist das Bücherregal und die darin deponierten Bücher abzustauben. Es ist erstaunlich, wie viel Staub sich auf dem oberen Buchrand sammelt. Mit einer Bürste werden die Bücher vom Staub befreit. Gerade so, wie ich es in meiner Buchhandelslehre in Spittal/ Drau gelernt habe. Dort war das Aufnehmen der Bücher in die Inventurlisten und das Abstauben der Bücher zum Jahreswechsel angesagt. Vor kurzem bin ich auf einen Blogartikel gestoßen, wo jemand über das Ausmisten von unnötigen Haushaltswaren, Kleidern und Büchern berichtet hat. Sie hat das Loslassen von Gebrauchsgegenständen des Alltags, das Entsorgen von unnötigem Hausrat als eine Erleichterung empfunden. Als Ballast abwerfen, welcher sich auch in der Befreiung von sonstiger seelischer oder beruflicher Alltagslast niederschlägt. Ein Akt der Befreiung. In diesem Blogartikel wurde auch darüber diskutiert, ob zum Ballast abwerfen auch das Entsorgen von Büchern gehört? Oder fallen diese in eine höhere Kategorie, will heißen in einen geistigen Status? Es war die Rede davon, dass man alle gelesenen Bücher entsorgen kann, es bleiben dann immer noch genug Bücher übrig. Bücher, die ungelesen im Regal stehen. Dazu gesellen sich noch ein- bis zweidutzend Lieblingsbücher, oder Bücher aus Kindheitstagen.  Eventuell Bücher, welche man vom ersten, selbstverdienten Geld gekauft hat.

Lieblingsbuch