KUR:haus II

Das Kneipp-Kurhaus in Schärding hat eine über hundertjährige Tradition. Sebastian Kneipp hat die Kuranstalt  im Jahre 1886  persönlich besucht, daran erinnert  im Gartenpavillon eine Inschrift. Beim Mittagessen kommt man mit den Tischnachbarn mühelos in das Gespräch, der überwiegende Teil der Kurgäste sind  ältere Menschen. Viele Gespräche handeln davon, wie sich die Gesellschaft, die Technik, der Alltag verändert hat. Oft fällt dabei das Wort „früher“. Es fehlt nicht viel und  man ist bereit zu sagen, in meinem früheren Leben. Damit sind die Jahre gemeint, die sechzig oder siebzig Jahre zurückliegen. Die Kindheit und Jugend  gewinnt an Bedeutung, da sie vor der Jahrtausendwende liegt.  

Vor einigen Jahrzehnten hat es in den Schulzeugnissen die Note „äußere Form“ gegeben.  Es wurde die Leserlichkeit  der Schrift  und die äußere Form einer  Seite benotet. Eine unleserliche Schrift, durchgestrichene Wörter und Radierspuren hatten eine schlechte Note zur Folge. Es gab damals keinen Tintentod und Korrekturroller. Konnte der Lehrer ein Wort oder einen Buchstaben nicht lesen, so wurde dies als Rechtschreibfehler bewertet. Ein Tintenpatzer aus der Füllfeder  hatte zur Folge, dass man die Aufgabe noch einmal neu schreiben musste. Die damaligen Kolbenfüllfedern wurden händisch aus dem Tintenfass gefüllt und danach gab es zumeist einen Patzer. Die heutigen Patronenfüllfedern sind demgegenüber Hightechgeräte. Trotzdem hat man heute Mühe die Schrift von Universitätsabsolventen zu lesen, es erinnert mich  an unser Gekritzelt in der ersten Klasse. Neben den Lehrgängen der  Schreibcenter, wo den Studenten das Fachwissen für das Abfassen eines wissenschaftlichen Berichts vermittelt wird, sollte eine Lehrveranstaltung zur äußeren Form Pflicht sein.

Meine  Schrift und die äußere Form ließen nach den Maßstäben der Lehrer zu wünschen übrig. Beim Elternsprechtag wurde der Vater regelmäßig darauf hingewiesen, dass meine Schrift manchmal unleserlich sei und der Professor bedauerte es, dies als Fehler werten zu müssen. Mein Vater versprach, dass ich in der Oberstufe eine Schreibmaschine bekommen werde, damit könnten die Schwierigkeiten  beim Schönschreiben beseitigt werden. Tatsächlich erhielt ich in der Oberstufe eine gebrauchte Remington Schreibmaschine. Ein heutiges PC Set, bestehend aus PC, Drucker, Tastatur und Bildschirm ist leichter als die damalige gebrauchte Remington. Als Freigegenstand wählte ich Maschineschreiben und im Unterricht hatten wir Stenografie. Auf dieser Schreibmaschine, die nicht so transportabel wie ein Laptop war, habe ich dann die Hausaufgaben und meine ersten Kurzgeschichten geschrieben.

Schreiblehrgang.

KUR:haus

Ein Kuraufenthalt ist eine Auszeit für den Körper und die Psyche, man bekommt dabei die Möglichkeit zum Durchatmen. Bei der Verpflegung kann man unter verschiedenen Diätformen wählen und sich für das Basenfasten, die Vollwertkost oder das tausend Kalorien Menü entscheiden.  Alle Diätformen bringen eine Erleichterung für die Verdauungsorgane, Magen und Darm bekommen die Möglichkeit  sich der Schlackenstoffen zu entledigen. Beim Basenfasten wird  Wert darauf gelegt, dem Alkohol, den Limonaden, den Süßspeisen, dem Fleisch, der Wurst und dem Käse für zwei Wochen zu entsagen. Schnell erliegt man der Versuchung zu  Mittag das Schmankerlmenü und dazu ein Glas Wein zu bestellen. Heute wünscht man sich Erfolg ohne Anstrengung. Es ist eine persönliche Entscheidung ob man den Weg der Enthaltsamkeit wählt oder das süße Leben im Kurhaus fortsetzt. Nach zwei Wochen Verzicht spannt sich der Bauch nicht mehr und die Bewegungen  sind geschmeidiger. 

Auch bei den Kuranwendungen gibt es zwei Wege, den Aktiven und den Passiven. Beim aktiven Weg werden durch eigenes Tun, wie Wirbelsäulengymnastik und Nordic Walking die Gesundheitsreize ausgelöst.  Beim Passiven werden durch Massagen, Heuwickel  und Akupunktur die verspannten Nackenmuskeln,  ebenso die durch Alltagsarbeit und Alltagssorgen degenerierten Hüft- und Kniegelenke stärker durchblutet. Den größten Erfolg erreicht man, wenn beides kombiniert wird.

Topfenwickel.

CA:orle II

Heute bieten die Eisenbahnlinien und die Autobahnen gute Möglichkeiten schnell und bequem das Mittelmeer zu erreichen. Durch die Alpen gibt es Tunnels und die Alpentäler verschwinden hinter den Lärmschutzwänden. An der oberen Adria, in Caorle angekommen, ist es nicht selbstverständlich, dass man das Meer sehen kann. Die Sicht auf das Meer ist durch viele Hotelreihen verstellt, nur die Hotels in der ersten Reihe können einen Meerblick anbieten. Nicht umsonst finden sich überall in der Stadt Hinweisschilder „ Maare“,  zur selbstverständlichsten Sache. Auf dem Weg zum Strand muss man die vielen Sonnenschirme und Liegen, endlos in der Tiefe als auch in der Breite, durchqueren. Kilometerlange Strände mit reservierten Strandplätzen. Zwischen den vielen Sonnenanbetern riecht es nach Sonnenöl und Sonnencreme. Das Wasser plätschert aus der Mineralwasserflasche und aus dem Lautsprecher tönt die Strandanimation. Dazwischen bewegen sich mit viel Geschick die Strandhändler mit ihren Handtaschen, Badetücher und Sonnenbrillen. Länger verweilen die Strandmasseurinnen,  um € 15. —kann man sich auf der Liege vierzig Minuten lang massieren lassen, das Körperpeeling mit dem feinen Sand inbegriffen.

 Im Zentrum gibt es ein Stück Uferpromenade wo man direkt am Meer spazieren gehen kann.  Dort ist man dem Meer ganz nahe, seinem Geruch, dem Wellenschlag, der Sehnsucht.

Strandpolizei.

CA: orle

Die Sehnsucht der Mittel- und der Nordeuropäer nach dem Meer ist ungebrochen. Damit verbunden sind die Aussicht nach Sonne, Wärme und ein unbeschwertes Leben, wenn auch nur für ein oder zwei Wochen. Dazu kommt die Weite des Horizonts, sodass man im Urlaub seine Gedanken frei fließen lassen kann und sie nicht von der nächsten Bergkette gebremst werden. Mit der Reise in den Süden ändern sich das Licht und die Gerüche. In den vergangenen Jahrhunderten waren die Reisen mit der Pferdekutsche eine Qual und die Alpenpässe schwer zu überwinden. Mit der Eisenbahn wurde es bequemer, die ersten Tunnels durch das Gebirge wurden gebaut. Durch die Motorisierung in den fünfziger Jahren wurde die Urlaubsreise in den Süden zur Pflicht. Vom Norden kommend galt es in Österreich einige Pässe zu überwinden, wie den Brenner- Katschberg- und Tauernpass. Dies mit den für heute unvorstellbaren dreißig bis fünfzig PS. Im Auto saßen die ganze Familie, viel Gebäck und manche auch schon mit einem Wohnanhänger.

 Ein Brüderpaar aus Holland erzählte uns am Villacher Kirchtag, im Biergarten am Standesamtsplatz, dass sie schon als Kinder, seit 1954, in Kärnten Urlaub machen. Bei einer Anreise mit dem Citroen hatten sie am Katschberg einen „Platten“. Der Vater hat geschimpft und das Auto am Straßenrand abgestellt, die Mutter hat abseits der Straße das Mittagessen gekocht. Als der Vater das Rad gewechselt hatte sind alle zu Tisch gesessen und danach wurde die Reise fortgesetzt. Ein anderes mal gab es beim Verteiler ein Gebrechen und es hat einige Tage gedauert bis das Ersatzteil aus Wien, wo die einzige Citroenwerkstatt in Österreich war, gekommen ist und die Urlaubsreise fortgesetzt werden konnte. Die Urlaubserlebnisse begannen damals bereits mit der  Anfahrt. Seit über sechzig Jahre verbringen sie ihren Urlaub in Kärnten. Gut in Erinnerung geblieben sind ihnen auch die Ausflüge nach Jugoslawien, über den Wurzenpass, der zu den steilsten Alpenpässen zählt. Bei der Fahrt sind sie an manchen dampfenden und qualmenden Autos vorbeigekommen. Die ersten Opfer der Steigung waren das Kühlwasser und die Kupplungen, die lädiert waren. Dem Stehenbleiben und Wegfahren bei der Bergfahrt waren viele Autos nicht gewachsen. Bei der Abfahrt vom Berg gab es oft Probleme mit der Bremse. So gibt es bis heute am Wurzenpass eine Auslaufspur, wo Autos bei Bremsversagen die Möglichkeit haben einen Fluchtweg einzuschlagen. Bei den Ausweichstellen sind Abschleppwagen bereitgestanden, welche die fahruntüchtigen Autos gegen teure Gebühr abgeschleppt haben. Dabei kam es zwischen den Abschleppfirmen  zu Streitereien wer zuerst da war.

Abgeschleppt.

VITAMIN:b

In Österreich war es lange Zeit selbstverständlich, dass durch die Partei alles geregelt wurde und in vielen Fällen gilt dies bis heute. Ob bei der Suche nach einem Arbeitsplatz oder einer Wohnung, die Zugehörigkeit zu einer Partei war dabei behilflich. Besonders ausgeprägt ist die Parteipolitik in der Verwaltung, im Unterrichtswesen, bei den halbstaatlichten Industriebetrieben. Man hatte oft den Eindruck, dass die Parteimitgliedschaft genügte um einen Arbeitsplatz oder eine Wohnung zu ergattern. Lokalpolitiker haben in ihrem Stammgasthaus die Sprechstunden abgehalten. Man konnte sie dort am Vormittag zu einer bestimmtem Zeit antreffen und seine Anliegen vorbringen. Die berufliche Karriere oder die Vergabe einer Wohnung wurden am Wirtshaustisch entschieden. Mit der Privatisierung der verstaatlichten und staatsnahen Betriebe hat sich der Einfluss der Politik abgeschwächt. 

Eine Gepflogenheit des politischen Alltags ist, dass bei Orts- und Bezirksversammlungen von den Obmännern lange Reden, mit belanglosem Inhalt, gehalten werden. In Vorwahlzeiten wird den Mitgliedern erzählt, dass es um das Überleben der Partei geht, dabei geht es um die Wiederwahl des Bezirksobmannes. Zu den Ritualen gehört, dass die Tagungsordnungspunkte auf mehrere Sitzungen verteilt werden, um mehr Präsenz zu erreichen. Die Politiker leiden unter Entzugserscheinungen, wenn sie abgewählt werden und nicht mehr gebraucht werden. Es ist eine Ausnahme, wenn jemand bemüht ist sein Leben ohne die Unterstützung der Partei, wie es im Volksmund heißt ohne das Vitamin B.,  zu leben. 

Überdosierung.