transformation:phase

Bei Enkelkindern verläuft heute die entwicklung zumeist anders als früher. Vor allem in der Zeit der Transformationsphase. In der Pubertät, vom Mädchen zum Teenager, falls dies heute noch so benannt wird. Dabei wird den Eltern massiver Widerstand geleistet, gerade von Einzelkindern. Bei mehreren Geschwistern wird vieles an überschüssiger Kraft innerhalb der Geschwister abgeleitet. Es richtet sich nicht die ganze Speerspitze gegen die Eltern und die engsten Verwandten. Wie eine Spinne lauert das Transformationsphasenkind darauf, ob eine Bemerkung oder eine Feststellung fällt, der sie widersprechen kann. Wo sie glaubt ein hieb- und stichfestes Wissen zu besitzen. Inhalte soweit verändert, dass sie Recht hat. Der Wunsch, Recht zu haben, hängt auch mit der Erbmasse zusammen. In der Familientradition gibt es wenig Einsicht dafür, dass mehrerer Aspekte erst ein ganzes Spektrum ergeben.

Das familiäre Umfeld einigt sich darauf, das Transformationsphasenkind nicht zu reizen. Bei der gemeinsamen Gestaltung der Freizeit und vor allem ist man zusammen verreist. Zum Großteil dreht sich alles darum, was möchte das Kind, wie kann man es unterhalten. Soweit es nicht jede Unterhaltung langweilig findet und sich lieber dem Smartphone zuwendet. Schnappt es hin und wieder einen Begriff vom Gespräch auf, so wird dieser Begriff schnell bei Wikipedia eingesehen. Möglicherweise kann sie mit einer gegenteiligen Aussage auftrumpfen. Von der Vergänglichkeit des Wikipedia Wissen, von seiner raschen Verfallszeit, hat das Transformationsphasenkind nichts gehört. Für sie ist diese Plattform stabil wie ein Felsen.

Für sie gibt es in der Welt der Erwachsenen keine Grenzen, so als wird eine Rakete in den Weltraum geschossen. Orte sind dann sehenswert, wenn es ein mondänes, prächtiges Shoppingcenter oder eine noble Einkaufsstraßen gibt. Die erste Frage beim Aussteigen aus dem Auto oder der Bahn lautet: „Wo befindet sich das nächste Shoppingcenter, Shopping brutal“. Während der Aussage wird auf die Reaktionen der Erwachsenen geschielt, weil die Ansage brutal shoppen kennt die Oma nicht. Statt einem vermeintlichen Kaufzwang stand früher das Sparen im Vordergrund. Das ständige Präsentsein am Handy lässt die Großeltern nachfragen: “Musst du ständig am Smartphone wischen? Möchtest du dich nicht ein wenig mit uns unterhalten”? Insgeheim hofft man, dass aus dem Transformationsphasenkind ein bunter Schmetterling wird.

Transformationsphasenkind

kinder:stube l

Wir, die Großelterngeneration, erinnern uns zwischendurch an Situationen wie es in unserer Kinderstube war. Ich will  nicht versuchen diese mit denen der Enkelkinder zu vergleichen. Keineswegs, dies wäre rückschrittlich oder wie der Enkel sagt, ihr mit eurer alten Zeit. Mit der Formel, früher war dies so und so. Vor allem wenn es erzieherisch und nicht erzählerisch gemeint ist. Schon bei uns hat sich gezeigt, war ein Freund oder eine Freundin ein Einzelkind, dies war in den sechziger Jahren eher selten, besaß er oder sie zumeist eine schönere Jacke oder eine buntere Schultasche. Seine Hemden und Hosen waren zumeist neu, während die Kinder aus einer größeren Familie die Kleider und die Schultaschen von den größeren Geschwistern aufgetragen haben. Diese Kleidungsstücke sahen nicht mehr so schön aus, von modisch keine Spur. Dazu gab es Langzeitkleidungsstücke, bei uns Burschen war es die Lederhose. Diese hatten schon mehrere Kinder vor mir getragen. Mit jedem Kind wurde sie stabiler und schöner. Um das Leder geschmeidig zu halten wurde am Bauernhof das natürlichste Lederpflegepalsam verwendet, die Speckschwarte. Das ständige Einreiben mit der Speckschwarte war am Leder nicht zu übersehen, es glänzte wie eine Alufolie. Bekam die Lederhose einen Riss oder verlor einen Knopf, war dies eine Arbeit für den ortsansässigen Schuster. Zumeist gab es am Hof auch ein paar Schuhe, welche repariert  werden mussten. Die Schuhe zum Schuster zu bringen und dort abzuholen war eine Beschäftigung für uns halbwüchsige Kinder. Vorher wurden wir von den Eltern darauf aufmerksam gemacht, die Schuhe beim richtigen Schuster  abzugeben. Im Ort gab es zwei Schuster, den Oberen und den Unteren. Wir gingen zum Unteren Schuster.

Egal ob es sich um den Schuster, das Gemischtwarengeschäft oder um eine Gastwirtschaft handelte, die Trennung verlief zwischen Arbeiterschaft und Bauernschaft. Die Arbeiterschaft kaufte die Schuhe beim Oberen Schuster und die Bauernschaft beim Unteren. Ähnliches passierte beim Einkauf der Lebensmittel. Die Landbevölkerung kaufte beim Gemischtwarenhändler Bacher, die Arbeiterschaft im Werkskonsum des Heraklithwerkes. Die Menschen waren im Gemeindegebiet einander nicht Feind, es gab nur die feinen Unterschiede, wer wo was einkaufte.

Peternell

inter:aktiv II

Für einen ehemaligen Internatszögling erweist sich die Diskussion über Datenschutz, seien es die persönlichen Daten zu Krankheiten und dem Medikamentenkonsum, die Datenerfassung beim Bezahlen mit einer Kreditkarte, als eine nebensächliche Diskussion. Genauso die Fragen zur Speicherung der Einkäufe beim Lebensmitteldiskonter auf dem Kundenkonto, egal ob es um Joghurt, Kaffee oder Wurstsorten geht, als Kaffeeplausch. Welchen Stellenwert haben die Fragen rund um die Erlaubnis zur Aufzeichnung von Internetkontakten, Telefonanrufen oder dem Email verkehr, wenn man in der Zeit aufgewachsen ist, wo Gott selbst die geheimsten Gedanken lesen konnte. Dieses Gefühl begleitet die Internatszöglinge noch Jahrzehnte später. Die Pessimisten befürchten, dass wir mit der Zunahme der Vernetzung und der freiwilligen Preisgabe von wesentlichen Ereignissen aus unserem Leben darauf zusteuern, dass Google bald unsere geheimsten Gedanken lesen kann. Wie ist es sonst möglich, dass mir bei jeder Gelegenheit freie Hotelzimmer in Portoroz angeboten werden?

Zumeist fühle ich mich in einem größeren Speisesaal wohler, als in einem kleinen Restaurant, wo das Buffet ständig vom Oberkellner beobachtet wird. Auch die Stimmung unter den Gästen ist in einem größeren Ambiente lockerer, als wenn in einem kleinen Saal die Tische zumeist sehr eng gestellt sind und jeder auf jeden acht gibt. Schleppe ich noch immer etwas aus meiner Internatszeit herum oder ist es einfach der Wunsch nach mehr persönlichen Freiraum?

Schwarzes Loch.

inter:aktiv I

Die Möglichkeit eine höhere Schule, in Verbindung mit einem Internat zu absolvieren, war in den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts ein Privileg. Zumeist konnten dies ihren Kindern nur Eltern der gehobenen Einkommensschicht  bieten. Die monatlichen Internatsgebühren schlossen die Kinder der Arbeiter- und Bauernklasse davon großteils aus. Neben dem Vorteil von einem kurzen Schulweg, wenn Schule und Internat im selben Gebäudetrakt untergebracht waren, gab es am Nachmittag bei den Hausaufgaben eine Aufsicht, bei festgelegten Studienzeiten. Der Tagesablauf in einem Internat ist zum größten Teil geregelt, es gibt feststehende  Essens-, Schlaf-, und Studierzeiten, dazwischen die Freizeitbeschäftigungen.

Zu den leiblichen Erziehungsbevollmächtigten, den Präfekten und dem Lehrpersonal kam noch eine übergeordnete Instanz, die Transzendente. Für uns Zöglinge eine ganz und gar unheimliche Instanz, weil dieser nichts verborgen bleibt. Egal ob man sich im Turmzimmer oder in einer Hütte im Wald versteckte, dem lieben Gott, wie er von den Präfekten genannt wurde, bleibt nichts verborgen. Selbst die bösen Gedanken, die man gegenüber einem Mitschüler hegte, weil er einem bei der Hausaufgabe nicht geholfen hat. Ebenso die unkeuschen Gedanken, die einem nach dem Blick auf den Busen der Tochter vom Schulwart nicht mehr losließen. Von alldem wusste Gott, Gedanken auf die sonst niemand Zugriff hatte. Die Präfekten konnten sich im Umgang mit den Zöglingen viel Ärger ersparen, es genügte der Hinweis, dass Gott alles sieht, auch wenn wir es vor dem Erzieher verheimlichten.

Drittes Auge

vor:gestern

Als der Vater ein Moped, die blaue Puch 50, kaufte bedeutet dies für uns Jugendliche einen Schritt nach vorne. Die blaue Puch durfte auch von uns Burschen benützt werden, plötzlich waren wir mobil. Das zweisitzige Moped wurde vielseitig eingesetzt, um Lebensmittel im nahen Ferndorf zu besorgen, die Eier und die Milch zur Sammelstelle zu bringen, zum Besuch der Sonntagsmesse und an Wochentagen um den weit entfernten Holzschlag zu erreichen. Im Sommer fuhren wir mit dem Moped  am Sonntagnachmittag in das Ferndorfer Strandbad nach Döbriach. Diese Fahrten gingen nicht immer ohne Blessuren an uns über die Bühne. Die erste Frage nach einem Ausrutscher mit dem Moped war, ist die Blaue nicht beschädigt und fahrtüchtig?, alles andere war nebensächlich. Die wenigen Stunden am Millstättersee reichten aus, dass wir die nächsten Tage an einem Sonnenbrand litten. Zur Fütterung und dem Melken der Kühe mussten wir abends pünktlich am Hof sein. Das schrille Nacht- und Strandleben am Millstättersee, in den wilden 60er Jahren, ging an uns ungenützt vorbei. Die Unterhaltungstempel Rossmann oder Hausboot kannten wir nur vom Hörensagen. Für uns hingen die Trauben tiefer, dies war die Diskothek Untersteggaber in Olsach und die Kirchtage in den umliegenden Dörfern.

Meine Tagehefte werden von mir nummeriert, mit einem Index versehen und in ein Verzeichnis eingetragen. Ein Teil der Notizhefte, deren Ursprung bereits Jahrzehnte zurückliegt, wird  in absehbarer Zeit an das Deutsche Literaturarchiv Marbach am Neckar verschickt. Dort finden sie eine neue Heimat, ergänzend zur online Archivierung meines Blog schlagloch.

Ein Sommer wie damals.