pension:tag III

Der Mann holt die Frau am Vormittag mit dem Auto vom Arzt ab und begleitet sie zum Lebensmitteleinkauf in den Supermarkt. Der Besuch des Thermalbades wird schon am Vortag  geplant. In den vergangenen Tagen war es so heiß, dass man die Balkonpflanzen gießen musste, dabei wurde das Unkraut entfernt, verblühte Rosen geköpft und diese Tätigkeiten werden heute  im Liegestuhl Revue passiert. Offen ist die Entscheidung ob man das Nachmittagskaffee auf dem Balkon oder im Esszimmer trinken wird. Dabei entwickelt sich ein Gespräch darüber, dass heutzutage auch Haustiere vor Entführung nicht sicher sind. Vor ein paar Tagen wurde in der Nähe eine Main Coon Rassekatze entführt. Es wurde beobachtet, wie ein Auto auf dem Parkplatz vorfuhr und die Katze von der Wiese in das Auto gebracht wurde. Vor ein paar Wochen sind eine andere Katze und ein Dalmatinerhund, in dieser Straße plötzlich verschwunden. Dachte man damals daran, dass der Hund und die Katze entlaufen wären, sieht man diese nach dieser Beobachtung anders. Durch das Schreiben von Adressen für einen caritativen Verein hat man einen sozialen Beitrag zur Gesellschaft geleistet. Beim Abendessen blickt man auf einen geglückten Tag zurück.

Abschalten.

pension:tag II

Es gibt Menschen, die länger arbeiten als es für den Erhalt der Pension notwendig ist. Sind sie die neuen Vorbilder für die Zukunft oder können sie sich im fortgeschrittenen Alter keine Ruhe gönnen? In manchen Fällen ist es die Angst vor der Einsamkeit, weil man keinen Partner hat oder er/ sie vor Jahren verloren hat. So bleibt man, solange als möglich im angestammten Beruf, bis einem die Firma in Pension schickt. Eine bessere Position für die Verlängerung der Lebensarbeitszeit haben die Selbständigen. Sie können zwischen ihrem frühesten und spätesten Pensionsantritt wählen. Ist man körperlich und geistig in der Lage, kann man im Betrieb oder im Geschäft bleiben, man bleibt in der Öffentlichkeit. Es ergeben sich außerfamiliäre Kontakte bei den Gesprächen mit der Kundschaft. Man hat einen strukturierten Tagesablauf, eine Aufgabe, die man nicht erst suchen muss. So kann man die Zeit, wo man in die Anonymität einer Privatwohnung zurück muss, hinausschieben. Diesen Vorteil gibt es auch in der Landwirtschaft, wo die Altbäuerin und der Altbauer bis zu Letzt, solange es die Kräfte erlauben, am Hof nützlich machen. So entkommt man der Nutzlosigkeit, dass man sich nur noch als überflüssiger Esser sieht, den viele schon in das Grab wünschen.

Alt und jung.

jugo:land

Die Unterschiede zwischen Einwanderern und Einheimischen zeigen sich heute nirgends so deutlich wie bei den Kopftuchträgerinnen. Das Tragen des Kopftuches in der Öffentlichkeit erregt die meisten Menschen. Vor Jahrzehnten konnte man an Sonntagen in der Bahnhofshalle der Draustadt eine Handvoll Männer in abgewetzten Anzügen sehen. Mit einer Flasche Bier in der Hand unterhielten sie sich gegenseitig. Von den Kärntnern wurden sie in der Umgangssprache als „Jugos“ bezeichnet. An den Wochentagen waren sie in der Öffentlichkeit nicht präsent. Sie waren auf den Baustellen, beim Hoch- und Tiefbau oder beim Straßenbau. Ist es unter ihnen zu einem Raufhandel gekommen, so wurde in den Lokalnachrichten „Gastarbeiter“ wie eine Berufsbezeichnung zum Namen hinzugefügt.

Zu einem verstärkten Zuzug von Gastarbeiterinnen im Raum Spittal/Dr. ist es in den Siebzigerjahren gekommen, als die Schuhfabrik Gabor weiter ausgebaut wurde. Obwohl aus den umliegenden Tälern die Arbeitskräfte mit Firmenbussen in die Fabrik gebracht wurden, fehlte es an Arbeiterinnen. Deshalb wurden im benachbarten Jugoslawien Frauen angeworben. Sie wurden in den umliegenden Gemeinden in kleinen Wohnanlagen und in sogenannten Burschen- und Ledigenheimen untergebracht. Für uns Halbwüchsige, wie wir damals als Zwanzigjährige bezeichnet wurden, waren dies Frauen und Mädchen mit einer besonderen Ausstrahlung. Anders als wir es von den heimischen Mädchen kannte. Die Eltern warnten uns vor den „Jugoweibern“, was sie für uns erst recht interessant machte. In den Wirtshäusern waren die „Jugoweiber“ gern gesehene Gäste und brauchten sich um das Bezahlen der Zeche keine Sorgen zu machen.

Jugoland abgebrannt.

wien:splitter V

Ist man für einen Messebesuch ein paar Tage in Wien, dann kann man abseits der Ausstellung viele Beobachtungen machen. Vorteilhaft ist es, wenn man den beruflichen Aufenthalt verlängern kann, um ziellos durch die Stadt zu flanieren. Richtet man dabei seinen Blick nicht auf die Bauwerke und geht dabei mit nach oben gerichteten Augen durch die Kärntnerstraße und die Mariahilferstraße, sondern richtet man dabei den Blick auf die Menschen in der Fußgängerzone, so lässt sich manches kurioses beobachten.

Kommt man aus der Provinz nach Wien gewinnt man den Eindruck, dass es hier eine Fülle von Behörden, Museen, Theater, Forschungsstätten und anderen Institutionen gibt. Diese öffentlichen Einrichtungen, im Kultur- und Kunstbereich, im Forschungsbereich und auch im sozialen Bereich verschlingen einen großen Teil vom Budget des österreichischen Staates. Ohne diese Geldmittel gäbe es wohl um zwei Drittel weniger öffentliche Institutionen. Auf einer Seite Litfaßsäule klebt ein Plakat, welches zu den Jelinek – Dialogen einlädt, veranstaltet vom Jelinek Forschungszentrum. Elfriede Jelinek ist die österreichische Literaturnobelpreisträgerin des Jahres 2004.

Im Café Griensteidl steht in einer Ecke eine Telefonzelle mit Münzapparat und Telefonhörer, wie es sie früher auf öffentlichen Plätzen gegeben hat. Nach dem Einwerfen der Münzen tippte man die Rufnummer ein und die Telefonverbindung wurde hergestellt. In einem Sichtfeld wurde das vorhandene Guthaben angezeigt. Die älteren Münzapparate hatten eine Wählscheibe und beim Melden des gewünschten Teilnehmers musste man die „Verbindungstaste“ drücken. Jetzt steht vor der öffentlichen Telefonzelle ein Kleiderständer und sie ist nicht mehr zugänglich. Heute hat jeder sein Handy dabei, die Telefonzellen sind überflüssig. Ein Drittel der Cafebesucher unterhält sich nicht mit den Freunden am Cafetisch, sondern über das Handy mit Menschen die weit entfernt sind. Die Touristen schicken ihre Fotos vom Cafesalon um die halbe Welt.

In der Mitte des Cafés sitz ein junges Paar mit einem Kind und dieses isst aus einem Glas mit einem Löffel Nutella.

Nutella pur.

wien:splitter IV

Um in der Stadt seine Kleider zu wechseln, braucht es nicht unbedingt ein Hotelzimmer, dies kann man auch in öffentlichen Gebäuden machen. Meine Beobachtungen beziehen sich nicht auf das Umziehen in einem Schwimmbad oder in einem Fitnesscenter.

Eines der schönen Gebäude in Wien ist das Musikvereinshaus mit dem prunkvollen Konzertsaal, der auch der Aufführungsort für das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker ist. Dieses Konzert wird jährlich von vielen Fernsehstationen in alle Welt übertragen. Kann man einen Wienbesuch mit dem Besuch eines Konzertes im Musikvereinssaal verbinden, Interesse vorausgesetzt, so soll man sich dies nicht entgehen lassen. Die prunkvolle Ausstattung, man möchte sagen kaiserliche Eleganz, schließt auch die Toiletten ein. Überall wacht das Personal auf die Einhaltung der Etikette. So ist man irritiert, wenn man auf der Toilette einen jungen Burschen antrifft, der sich gerade seinen Oberkörper wäscht und seine Sportklamotten gegen Freizeitbekleidung für eine Beiseltour tauscht. Danach wundert man sich nicht mehr darüber, wenn gegenüber vom Hotel Imperial in der Kärntnerstraße, um etwa 23 Uhr im klimatisierten Kundenfoyer der Bank Austria ein junges Paar steht und das Mädchen sich des Tageskleides entledigt und ein „Abendkleid“ überstreift.

Umkleidekabine.