rück:tritt l

Die Frau, mit zerzausten Haaren, vom mobilen Kiosk auf dem Villacher Hauptplatz reicht mir mit einer Serviette den letzten großen Bierbrezen. Kaiserbrezen wie Kaisersemmel und bekomme dazu eine warme Tasse Tee. Ich befinde mich auf dem Weg in ein Cafe zum Zeitungslesen. Seit ein paar Tagen weht der Föhn von Oberitalien. Die Winterkälte wurde gebrochen, jetzt abends ist es noch kühl. In den letzten Februartagen hat der Südwind die kalte Luft und den Bodennebel aus dem Villacher Becken vertrieben.Auf der Ladefläche eines Lkw, wenige Meter vom Kiosk entfernt, die zu einer Bühne umfunktioniert wurde, bestreitet der amtierende Landeshauptmann von Kärnten seine Abschlusskundgebung vor dem Wahlsonntag. Heute weiß noch niemand, wer in drei Tagen der neue Landeshauptmann sein wird.

Die Wahlrede ist vorbei, einige Leute stehen, mit Losen in der Hand, vor der Bühne. Zum Abschluss der Wahlkundgebung werden Geschenkkörbe verlost. Der Landeshauptmann erzählt Witze und nebenbei werden die Kärntner Schmankerln verlost. Ein heimisches Bier und Kärntner Brettljausen, dafür lohnt es sich länger auszuharren.

In Folge des Papstrücktrittes beginnen um 20 Uhr von allen Stadtpfarrkirchen die Glocken zu läuten. Die Wahlveranstaltung wird rasch zu Ende gebracht, der Landeshauptmann verschwindet von der Bühne und die Musik wird abgedreht. Die Kirchenglocken haben die Funktionäre der Landeshauptmannpartei erschreckt. Es sind Töne des Abschieds, in einer Umkehrung  könnte man sagen, die Sterbeglocken läuten. Läuten sie auch den politischen Abschied der Landeshauptmannpartei ein?  Müssen sie in Kärnten abdanken, wie der freiwillig zurückgetretene Papst?  Von sich aus verlassen Politiker nicht ihre Ämter, sie müssen von den Sesseln gestoßen werden. Dies liegt im Ermessen der Wähler, in drei Tagen haben sie dazu Gelegenheit.

Aus dem Tagebuch, 28.2.13

hof:hund ll

Mit der Erinnerung an den Hofhund „Wächter“ wird auch ein anderer Ort aus der Kindheit lebendig, die hofeigene Mühle. Sie zu betreten war für uns Volksschulkinder streng verboten. Dort lauerten viele Gefahren, die Möglichkeit über eine Stiege herunterzufallen, sich an einem Werkzeug zu verletzen und bei Betrieb die Gefahr mit der Hand in einem laufenden Keilriemen eingeklemmt zu werden. Für einen Buben war die Mühle ein Wunderreich, hier befand sich der Großteil des bäuerlichen Werkzeugs. Die ganz große Versuchung war, den Elektromotor einzuschalten. Der alte Raftbock stand in der Mitte der Mühle, ihn hat schon der Großvater benützt. Auf ihm hat der Vater alles, was aus Holz hergestellt werden konnte, selbst gemacht und repariert. Mit dem Raftmesser und anderen Schnitzeisen wurden die Holzrechen, die Rückkörbe oder auch eine Holztaube für das Mostfass hergestellt. In den Werkzeugregalen befanden sich die Schraubschlüssel, Schraubenzieher, Hammer, Bohrer, Sägen und vieles mehr, die ganzen Handwerkzeuge. Die Ausnahme bildete ein elektrisch angetriebener Schleifstein. 

Das Getreide wurde in einen großen hölzenen Trichter hineingeschüttet, von dort rieselte es auf die Mühlstein. Dem Verbau mit den großen Mühlsteinen folgte der Rüttelkasten, wo das Mahlgut gesiebt und das Mehl vom Gedreideschrott getrennt wurde. An den Mahltagen lag über allen Teilen ein feiner Mehlstaub. In den Spinnweben hielten die Spinnen ihren vermeintlichen Schlaf. In meinen Ohren höre ich die Geräusche der laufenden Mühle, das Tick- Tack des Keiles, der den Fluss des Getreides auf die Mühlsteine auslöste, das Knirschen der sich reibenden Mühlsteine. Das Geknatter des Stoffsiebes, wo das Mehl gefiltert wurde.

Krauthobel

hof:hund l

   

Über dem Ehebett der Eltern hing dieses Bild. Abend für Abend bin ich davor am Holzboden gekniet, habe meine Hände gefaltet und gebetet: „Heiliger Schutzengel mein, lass mich dir empfohlen sein. In allen Nöten steh mir bei und halte mich von Sünden frei. Auch in dieser Nacht, halte bei mir treue Wacht. Amen.“

Von der Mutter wurde ich danach in die Mitte der breiten und hohen Ehebetten gelegt und roch den Duft von frischem Stroh, mit dem die Bettsäcke gefüllt waren. Der Schutzengel war für uns Kinder eine bildliche Vorstellung, der uns im Schlaf beschützte. Der Hofhund “Wächter”, der immer ein wachsames Auge auf mich hatte war der leibliche Schutzengel“. Er war auf dem Bauernhof das Kindermädchen, er trottete mir immer hinter her. Egal, ob ich mich im Freien aufhielt, in den Viehstall ging oder auf dem Tennboden spielte. Eines Tages war er fort und abends beim Einschlafen sah ich ihn als Schatten auf der Zimmerwand laufen. Es half kein Gebet zum Schutzengel, in meinen Träumen lief ich ihm hinterher und die Eltern hörten mich nach dem „Wächter“ rufen. Sie beruhigten und trösteten mich damit, dass der „Wächter“ jetzt im Himmel bei den Engeln sei. Nach einigen Tagen konnte ich wieder ruhig schlafen.

Der Hofhund war schon sehr alt und ist unheilbar krank geworden. Er wurde von einem Jäger aus der Nachbarschaft erschossen und auf dem Acker hinter dem Stall verscharrt.

Hundetreue.

ski:sport II

Eine ehrliche Aussage machte die Skinachwuchsläuferin T. W., in einem lockerem Gespräch („Zitat Bulletin“) wo sie zugibt: „Vor einem Rennen geht es mir teilweise körperlich richtig schlecht. Dann möchte ich einfach davonlaufen oder ich hoffe, dass das Rennen abgesagt wird (lacht).“ Niemand würde es ihr übelnehmen, wenn sie vor einem Start sagen würde, sie fühle sich nicht in Form oder sie fahre nur mit einem „Sicherheitspolster“?  Viele würden begreifen, dass Angst und Vorsicht kein Ausschluss aus der Gesellschaft sein muss, sondern einen Schritt für einen neuen Umgang miteinander bedeuten würde.

Im gewöhnlichen Alltag kann ein banaler Zahnarztbesuch emotionalen Druck verursachen. Es gibt die gesellschaftliche Verpflichtung, die Angst vor dem Zahnarzt wegzuleugnen. Das Unbehagen setzt bei uns ein, wenn man an mögliche Schmerzen denkt, die mehr oder weniger dazugehören. Teilt man dem Arzt seine Befürchtungen mit, kann eine Aufklärung über den Ablauf der Behandlung viele Ängste beseitigen. Im Familienkreis darüber sprechen, dass einem der Termin Sorgen bereitet, löst Mitgefühl aus. Spontan erklärt sich jemand  bereit einen zu begleiten und die Wartezeit mit Unterhaltung zu verkürzen. Ablenkung ist besser, als die ständige Beschäftigung mit der Art der Behandlung. Eine andere Möglichkeit sind einfache Atemübungen, die Verspannungen und Furcht vorbeugen. Nicht derjenige ist der Mutige welcher die  Angst verleugnet, sondern seine Befürchtungen eingesteht. Sich äußern, dass man sich bei manchen Behandlungen oder Aufgaben unwohl fühlt, macht den Weg frei zu einem Wohlfühlleben.

Vertrauensselig.

ski:sport I

Das Wort “Burnout” ist eines der Modewörter der vergangenen Jahre, die moderne Bezeichnung für Depressionen, für das seelische Ausgebrannt sein. Gesellschaftlich ist es auch heute noch verpönt, wenn sich jemand dazu bekennt. Nur Mutige äußern sich darüber öffentlich. Dies fördert den Abbau der körperlichen Spannungen. Seelische Empfindlichkeit haftet in unserer Gesellschaft etwas Grenzwärtiges an. In der leistungsorientierten Arbeitswelt und Gesellschaft  wird man damit schnell aussortiert. Bekannte Sportlerpersönlichkeit gestehen immer wieder ein, dass sie dem Erwartungsdruck siegen zu müssen, nicht standhalten können. Vor Jahrzehnten wäre ein solches öffentliches Geständnis ein Affront gegenüber der eigenen Nation gewesen. Diejenigen wären als Verräter am Sport beschuldigt und fallen gelassen worden. In der vergangenen Wintersaison hat die amerikanische Slalomfahrerin Lindsey von V. versucht zu verbergen, dass sie den psychischen Anforderungen des Spitzensportes nicht mehr gewachsen ist. Das Krankenhaus hat den Reportern mitgeteilt, dass sie wegen Bauchschmerzen in Behandlung ist.

Ist eine der Ursachen für die Überforderung der Sportler der Ehrgeiz der Trainer und der Funktionäre? Inwieweit tragen wir Zuschauer dazu bei, egal ob live im Zielraum oder am Bildschirm, dass die Anforderungen an die Spitzensportler immer höher geschraubt werden? Wen interessiert ein Sportevent, wo keine  extremen Leistungen  geboten werden? Dabei bringt schon ein realistischer Wettkampf genug an Spannung mit.

Fassdaubenrennen.