wasser:geist

Bei der großen Zahl von Seen in Kärnten, angeblich 1278,  ist es nicht verwunderlich, dass zahlreiche Sagen von Nixen und Wassergeistern überliefert sind. Die Begegnung mit einem Wassergeist im gebirgigen Montafon überrascht. Unter der Kirche von Gaschurn befindet sich eine Ruhe Oase nach dem Motto: „Wasser und Geist“. Dort stehen Sitzbänke und es gibt zwei Brunnen. Überall finden sich Zitate aus der Bibel: „ Wer aus diesem Brunnen trinkt, wird niemals Durst haben.“  „Der Geist der über dem Wasser schwebte und dem Kosmos seine Ordnung gab.“ An der Friedhofsmauer  reifen die Weintrauben heran. Hier kann man seinen Gedanken nachhängen.

Den Geist schweben zu lassen ist räumlich schwierig, da der gegenüberliegende Hang nur eine Armlänge entfernt ist. Über die Berge zu blicken ist unmöglich. Den Ausweg, den Blick talauswärts zu richten, ist möglich. Dort lockt die Freiheit und die Jungen fahren zur Arbeit und zur Unterhaltung talauswärts. Die Hoffnung verspricht ein ungezwungenes Leben, aber auch Gefahren lauern dort. Solange als möglich verhindern die Erwachsenen die Flucht aus dem Tal. Der Weg aus dem Tal wird als schwierig dargestellt, eine Versuchung, der man widerstehen soll.

Wiedersagt ihr dem Teufel, ja wir wiedersagen. Draußen liegt das Verderben und mancher ist den Verlockungen, wie Drogen, Alkohol und Spielsucht erlegen. Dort leben die Einflüsterer: „Man kann beim Glücksspiel sehr reich werden“.

Saureich.

affen:grün

Die Haut meiner Finger, welche diese Notizen um zwölf Uhr Mittag auf der Aussichtsplattform des Kunsthauses Graz zu Papier bringen, lässt die Plexiglasfassade leichengrün erscheinen. Keine rötliche Hautfarbe auf den Armen, dafür schalgrün und dazwischen braune Hautflecken. Zum Glück kann ich mein Gesicht nicht sehen, über die Gesichtsfarbe könnte ich mich zu Tode erschrecken. Die schwarzen Schuhe schimmern grünlich und das Hemd ist grünblau. Das Wasser der Mur erscheint beim Blick durch die Fassade schwarz. Von der Glasfassade perlen die Regentropfen ab. Meine hellrote Jacke ist dunkelrot. Die Finger sind abgemagert, in die Länge gezerrt, um Jahrzehnte gealtert. Die Handballen zeichnen sich als schwarze Totenflecken ab, die Lebenslinien als tiefe Schluchten.

Die Fassade ist für die Gorillaausstellung in grünes Licht getaucht. Im Video bewegt sich der Gorilla auf einem Ast in Echtzeit. Es sieht so aus, als sitze ich auf einem Ast und gebe mich einen Tag lang dem Nichtstun hin. Dem Beobachten und beobachtet werden.

Leichenschau.

alles:schlagloch

Nach  den ersten Anwendungen  im Therapiezentrum Warmbad haben sich die Beschwerden im Nackenbereich und in den Hüften gebessert. Eine Möglichkeit um die Abnützungen der Gelenke auszugleichen ist, die Muskulatur zu entspannen und zu stärken. Im Stadtzentrum geht es am Kirchtagsgelände rund. Vieles wird in dieser Zeit von den Einwohnern nur mehr am Rande wahrgenommen, egal ob  Korruption, schlechte Wirtschaftsprognosen und Währungskrisen. Ein Kärntner Sprichwort sagt: Wenn die Katze aus dem Haus ist, dann feiern die Mäuse Kirchtag. Wird  die Kontrolle ausgeschaltet, dann feiern die politischen Funktionäre Kirchtag.

Nach ein paar ausgelassenen Stunden im Vergnügungspark ist vieles leichter zu ertragen. Dort ist auch ein sechzigjähriges  Knochengerüst für ein paar Stunden von altem Schwung erfüllt. Muss mit Sechzig alles noch so funktionieren wie mit Vierzig? Soll man die Abweichungen als Defizite sehen oder ist es der Wechsel vom Mittelalter in das Spätmittelalter? Ewiges Glück bedeutet, wenn im Körper alles top funktioniert. Wie lange kann das Glück dauern? Braucht es dafür einen guten Arzt und wo kann man diesen finden? Der einen da abholt,  wo man zurzeit körperlich und seelisch steht.

Das Problem bei Künstlern ist, dass der behandelnde Arzt nichts von der Arbeit des Künstlers kennt. Da  macht es keinen Unterschied, ob es sich um einen Komponisten, Bildhauer oder Literaten handelt.  Wie kann ein Arzt einem Menschen helfen, von dem er nichts gehört, gesehen oder gelesen hat.  Er kennt einen wesentlichen Teil seines Patienten nicht. Wie kann er dann Symptome und Beschwerden richtig zuordnen. Nur in Ausnahmefällen hat der Arzt oder die Ärztin von mir etwas gelesen. Eine Diagnose gleicht der Landung bei Nacht,  ohne Lichtmarkierungen am Flugfeld. Es ist ein gewagter Versuch, anstatt Licht in die Beschwerden zu bringen.

Verdecktes Schlagloch.

schutz:engel

Dieses Bild ist über dem Kinderbett im Elternschlafzimmer gehangen. Abend für Abend bin ich davor gekniet, habe die Hände gefaltet und folgendes Gebet gesprochen:

Heiliger Schutzengel mein,

lass mich dir empfohlen sein.

In allen Nöten steh mir bei

Und halte mich von Sünden frei.

Auch in dieser Nacht,

halte bei mir treue Wacht.

Amen. 

Danach legte mich die Mutter in das Bett auf den Strohsack und deckte mich mit dem Gulda zu. Der Hofhund Wächter war das wachsame Auge des Schutzengels, er war mein Kindermädchen. Egal ob ich im Stall, auf den Tennboden oder im Garten unterwegs war, er trottet mir nach,. Eines Tages war Wächter nicht mehr da. Beim Einschlafen konnte ich seinen Schatten auf der Zimmerwand sehen. In meinen Träumen rief ich nach dem Hund. Der Schutzengel konnte nicht verhindern, dass ich von Alpträumen geplagt wurde. Eines Tages sagte die Mutter, der Wächter sei im Himmel beim lieben Gott.

Kreuzzeichen.

aus:radiert IV

Über die Vorhaben liegt ein Schleier wie im November, die Ungewissheit drückt auf das Gemüt. Langjährige Rentner geben Einblick in das Rentnerparadies, wobei Fernreisen und das Überwintern auf einer Insel im Süden eine gut dotierte Rente voraussetzen. Die anderen suchen um einen Zuschuss zu einem Kuraufenthalt an, anstatt eine Weltreise zu buchen. Sie  müssen jeden Termin akzeptieren, weil sie Zeit haben. Ihr Alltag besteht darin, dass sie halbe Tage in den Wartezimmern der Fachärzte verbringen. Mit dem Schritt vom Arbeitsleben in den Ruhestand beginnt ein neuer Lebensabschnitt, wenn  dieser Wechsel radikal durchführt wird und keine Hintertür offen bleibt. Man beginnt die letzten Jahrzehnte zu beurteilen, eine Bilanz zu erstellen. Die Ärgernisse während des Berufslebens vergisst man schnell, man übt sich in Nachsicht. Das Leben wird auf den Kopf gestellt, seit der Geburt ist es bergauf gegangen, mit Beginn der Pension geht es bergab. 

Die Generation sechzig plus wird heftig umworben:  Vom Lebensmittelhandel mit light Käsesorten, von den Drogeriemärkten mit Nahrungsergänzungsmitteln, von den Apotheken mit Vitamintabletten, von den Volkshochschulen mit Computerkursen für Einsteiger und von den Fitnesscentern mit  schonender Wirbelsäulengymnastik. Die Reisebüros  bieten spezielle Tagesausflüge und Kurzurlaube für ältere Menschen an. Wohlgesinnte und doch etwas neidische Freunde versorgen sie mit Reiseprospekten, sowie einem Zehnerblock für den Besuch des Thermalbades. Nach dem Motto: Am Wochenende in das Bad und monatlich einen Busausflug. Tagesausflüge sind beliebt, weil sie preiswert  und bei der Busfahrt ein Mittagessen und eine Kaffeepause inkludiert sind. Den meisten Senioren ist dabei die Geselligkeit wichtig und das sie zu Mittag zwischen drei Menüs wählen können. Gibt es dazu Musik mit der Ziehharmonika,  steigt die Stimmung. Dazwischen steht die Besichtigung eines Heldendenkmal, eines Wasserfalles oder einer Kirche am Programm. Der  Vorteil ist, dass der  Bus nahe an die Sehenswürdigkeiten heranfahren kann und die Reisenden brauchen nicht weit zu laufen. Sorgt der  Buschauffeur auf  der Heimfahrt für heitere Stimmung, dann gibt es am Ende der Fahrt reichlich Trinkgeld.

Vom  Abschied nehmen berichten viele Lieder und Gedichte. Zuerst denkt man an den  Abschied von einem verstorbenen Menschen. Dieser Abschied ist ein Schnitt in das Herz, der eine Narbe hinterlässt. Das Blut fließt nicht mehr frei, von daher kommen die Schmerzen im Brustbein. Die Beschwerden richten sich danach  wie nahe man dem Menschen gestanden ist.  Ein Weggang ist,  wenn man  aus seiner Wohnung, von seinem Ort, aus dem Tal  wo man jahrelang gelebt hat, wegzieht.  Einen Berggipfel, eine Felswand,  auf die man täglich geschaut hat, verlässt. Der Dobratsch  wechselte mit den Tages- und den Jahreszeiten seine Farbe.  Beim Blick auf die  “Rote Wand” habe ich in ihr oft etwas Neues entdeckt. Der Berg hat mich getröstet,  hat mir Ratschläge gegeben und hat mir Ruhe geschenkt. Er hat mir zugeflüstert:  „Auf diesen Felsen kannst du dein Leben bauen“.