corona:arm

Bei den Online-Konferenzen, welche in der Quarantäne an Quantität und Qualität zugenommen haben, entstand immer wieder das Gefühl, hoffentlich wird man sich bald  real im Kurs treffen können. Viele Kursteilnehmer freuten sich darüber, als man nicht mehr virtuell im Kurs war, sondern real im Kursraum gegenüber saß, wenn auch mit einem gehörigen Abstand.

Mehrere Jahrzehnte hatte ich Kundenkontakte, wo ich mit Handschlag und offenen Blick auf die Kunden zugegangen bin. Auch nach drei Monaten Eingewöhnung fällt es mir schwer bei einem Treffen mit Bekannten und Kollegen meine Hand nicht zum Gruß auszustrecken. Meistens bleibt der Arm auf halber Höhe stecken, ich bin verunsichert und entschuldige mich bei meinem Gegenüber dafür, dass ich ihm nicht die Hand reichen darf. Mit einem Achselzucken lasse ich den Arm wieder fallen. Wir trennen uns mit viel Bedauern und verschieben den Handschlag auf später, in einem Jahr?

Später soll es die Normalität wiedergeben. Der Wunsch zum Verbleib in der neuen Normalität ist gering, obwohl ich mir beim Ressourcenverbrauch wünsche, dass es zu  einer Reduzierung kommt. In unser aller Interesse sollen wir mit den Gütern sorgsam umgehen und nur das zum Leben notwendige anschaffen. Die Waren des täglichen Bedarfs nicht von vornherein als Kurzzeitprodukte, sondern als Langzeitprodukte ansehen.

covid-19/24

corona:schmäh

Die Serviererin im Restaurant strahlte über unseren Besuch, allgemein trudeln die Gäste nur spärlich ein. Lange Zeit gab es in den Lokalitäten keine größeren Familienfeiern, wie Geburt, Erstkommunion, Geburtstage und Hochzeiten. Mit Schaudern denkt die Bedienung an den abrupten Schließungsbefehl zurück, von einer Stunde zur anderen musste der Gastbetrieb geschlossen werden. Am meisten fehlte ihr in den vergangenen Wochen der Plausch mit den Gästen, der kleine Schmäh während sie die Frittatensuppe und die Kärntnernudel serviert.

Abseits von unserem Bedürfnis nach Kommunikation frage ich mich, wie geht es den Vögeln, wenn wir ihnen den öffentlichen Raum wieder streitig machen? Über Wochen waren sie die Einzigen, welche sich zu jeder Tageszeit im Freien zu Wort gemeldet haben. In den nächsten Monaten werden die Vögel nicht mehr die Lauthochheit über den freien Raum haben, ihr Gesang wird wieder mit den Verkehrsgeräuschen von der Villacher Westtangente garniert sein.

Seit den Ausgangsbeschränkungen wird viel davon geredet, wie sehr man unter den fehlenden Kontakten mit anderen Menschen leidet und gelitten hat. Man war über Wochen mit den unmittelbaren Personen enger gebündelt, als manchem lieb war. Unter der Mehrheit, welche sich über die wiederhergestellte Freiheit freut, gibt es eine kleine Gruppe von Menschen, welche die wiedergewonnene Bewegungsfreiheit mit Argusaugen beobachtet. In dem Fall, wenn sie keinen Wert auf soziale Beziehungen legen, kein Interesse an den Mitmenschen haben. Solche, die sich mehr oder minder immer in der Selbstisolation, in der Selbstquarantäne befinden, weil sie sich selbst genügen. Diese haben sich während der Zeit, als nur vereinzelte Personen in der Getreidegasse unterwegs waren, sichtlich wohl gefühlt. Sie brauchten niemanden ausweichen und konnten ungehindert ihrer eigenen Spur folgen. Jene, welche unterwegs waren ähnelten ihnen. Plötzlich kommen ihnen in der Getreidegasse wieder eine Phalanx von Besuchern und Flaneuren entgegen.

covid-19/23

corona:velden

Woher die vielen Menschen an der Uferpromenade kommen, lässt sich nur erahnen. Ausländische Gäste können es Mitte Mai nicht sein, noch sind alle Grenzen Corona bedingt dicht. Nach den Sternen gegriffen empfand ich, dass für viele Steirer und Wiener, für die Villacher und die Klagenfurter sowieso, ihr erstes Ziel nach Lockerung der Ausgangsbestimmungen ein Bummel in Velden ist. Die Fahrzeuge welche durch den Ort rollen reichten vom Hund auf einem Skateboard, dem Kinderwagen gesteuert durch eine Mama auf Rollerblades, dem alten Drahtesel bis zu den neuen Frühjahrsmodellen der E-Bikes. Es findet eine augenscheinliche Renaissance der Vespa statt, die ersten Motorräder, offene Sportwagen und protzige Geländewagen. Beim Café Politzky geht die Post ab. Die Menschen kommen aus dem Staunen nicht heraus, wie viele andere Menschen auch da sind. Wo haben sich die anderen während der Corona Ausgehverbotszeit versteckt gehalten? Jetzt ist man süchtig nach fremden Gesichtern und unbekannten Personen. Ich sah niemanden, welche sich im Gastgarten in eine Tageszeitung vertieft hätte, die meisten kamen aus dem Wundern, was sich hier vor ihren Augen abspielte, nicht heraus.

Wir schlürfen den ersten Cappuccino im Freien und lassen uns die Heiße Liebe auf der Zunge zergehen. Gefehlt haben nur die gegenseitigen Umarmungen und die vielen Bussis. Manche haben angemerkt, dass sie oft zwangsabgebusselt wurden und es für sie kein Nachteil ist, wenn dies auch in Zukunft so bleibt.  Sie wollen in der Nachcoronaära leer ausgehen.

covid-19/22

corona:gastro II

Ein geplantes Geburtstagsfest mit etwa dreißig Personen musste Corona bedingt abgesagt werden, es wurde ein intimes Festessen mit drei Personen in einem Restaurant vor unserer Haustüre. Aus dem drei Tages Städtetrip vor der Feier wurde ein Trip nach dem Essen an das Ufer vom Wörthersee. Es war unser erster großer Versuch wieder an die Außenwelt anzudocken. Das schöne Wetter war ideal für einen Lokalaugenschein in Velden. Beim Gang zum Ufer trauten wir unseren Augen nicht, der Kai war gespickt voll mit Menschen. Eine endlose Schlange von Besuchern spazierte am Ufer auf und ab oder ließ sich mit dem nötigen Abstand auf den Bänken nieder. Es standen mehr Bänke zur Verfügung, in zwei Reihen, als ich es in Erinnerung hatte. Bevor wir an der Promenade ankamen erreichte uns das Stimmengewirr der Flaneure. Eine Vielzahl von verschiedenen Stimmen, welche uns richtig laut vorkam. Seit zwei Monaten hatten wir nur im kleinsten Kreis mit anderen Menschen Kontakt. Von der Fülle an verschiedenartigen menschlichen Lauten waren wir überrumpelt. Ich war verwundert wie umtriebig es in Velden zuging. Hatte dies mit den Lockerungen nach den Corona Beschränkungen zu tun? Die Spaziergänger äußerten sich mit erhobener Stimme, als läge ein zweimonatiges Sprechverbot hinter uns. In den letzten Wochen mussten wir mit unseren Meinungen hinter dem Berg halten, dies sehe ich nicht immer als einen Nachteil. An diesem Maisonntag ist ein sprachlicher Wirbelwind durch Velden gefegt.

Die Besucherin aus einem Vorarlberger Bergdorf hat in der Menschenmenge ein Bad genommen, gebadet wie in einem Schaumbad. Sie war froh unter vielen Menschen zu sein und der gespenstischen Leere im Montafon für ein paar Tage zu entkommen.  Erschwerend war in den vergangenen Wochen, dass sie ihren Beruf im Gastgewerbe nicht ausüben konnte, sie litt an Entzugserscheinungen, was den Kundenkontakt betraf.

covid-19/21

corona:gastro

Mit Sehnsucht und Spannung wurde die Wiedereröffnung der Cafés, Gasthäuser und Restaurants nach der Zwangsschließung wegen der Corona Pandemie, erwartet. Viele Gastwirte haderten mit dem Schicksal, über zwei Monate hatten sie keine Gäste und keine Einnahmen. Kopfzerbrechen bereitete vielen wie sie die Coronavorschriften, das Tragen eines Mundschutzes und Einhaltung eines Mindestabstandes, im Lokal umsetzen können. Die Heimeligkeit eines Cafés oder Beisel wird unter den Abstandregeln leiden. Das Wesentliche, beim Besuch einer Lokalität, ist für viele Menschen die Sehnsucht nach einer Unterhaltung mit fremden Menschen, sie sind einfach neugierig auf Andere. Mancher Beisel Besucher wünscht sich, dass er mit anderen Personen in ein Gespräch kommt, sich in ein Gespräch an der Theke einbringt, oder ihm ein Platz an einem Tisch angeboten wird. Gerade das kleine Format eines Pubs oder Beisel, der beschränkte Raum macht den Reiz dieser Lokale aus. Es bleibt nichts anderes übrig, als dass die Gäste zusammenrücken und beiläufig kommt man so leichter in ein Gespräch. Anders als in einem pickfeinen, vorreservierten Restaurant, wo jeder auf Abstand und Distanz bedacht ist. Genau diese Kuschel Cafés fürchten um ihre Berufung, weil ein Abstand von einem Meter zwischen den Gästen verlangt wird. Das Anbandeln, das Diskurrieren in Bezirksbeiseln, in Künstler- oder Studenten Cafés wird es in den nächsten Monaten nicht geben.

Von dieser Warte betrachtet waren bei den Gastronomen die Erwartungen verhalten. Wer wird sich nach dem Dämpfer den wir alle abbekommen haben, nach den Szenarien von Todesfällen, Verlust, Trauer und Tränen in den ersten Wochen des wieder Hochfahren in ein Lokal verirren.

covid-19/20