HOFFENT:lich

In der Verwandtschaft gibt es Leute, die mit älteren Menschen zu tun haben und dabei mit verschiedenen Eigenheiten konfrontiert werden. Von denen hört man oft den Satz: „Hoffentlich werde ich nicht so.“ Eine dieser Eigenheiten ist, dass ältere Menschen sehr ungeduldig sind. Im Alltag bedeutet dies, dass alte Leute verschiedene Wünsche oder Besorgungen sofort erledigt haben wollen. Das kann das Holz für den Ofen sein, obwohl der Vorrat im Wohnzimmer für drei Tage reicht. Fehlt im Haushalt ein Lebensmittel, auch wenn es in den nächsten Tagen nicht gebraucht wird und daher beim nächsten Einkauf besorgt werden kann, muss es sofort besorgt werden. Wird diesem Wunsch nicht entsprochen, so wird dies in immer kürzeren Abständen wiederholt. Mit der Zeit wird es den Angehörigen zu stressig und man kommt dem Verlangen nach.

Da kann es vorkommen, dass man etwas machen soll, wo man weiß, dass man außerhalb der Zeit kommt. Von den Lebensmittelläden weiß man, dass sie rund um die Uhr geöffnet haben. Anders ist die Situation, wenn man die Milch vom Bauernhof bezieht. Hier gehört es zur Gewohnheit, dass man die Milch zu den Melkzeiten holt und nicht zu jeder beliebigen Tageszeit. Durch Hartnäckigkeit wird man dazu bewegt, am Nachmittag frische Milch zu holen. Die Bäuerin ist im Hausgarten bei der Arbeit. Man entschuldigt sich für den ungünstigen Zeitpunkt und bittet sie darum, die Milchflasche abzufüllen. Ob dafür der gerechte Preis gezahlt wird, ist fraglich. Dabei denkt man sich, hoffentlich wird man selbst nicht so.

In der Altersfalle.              

SCHWING:ungen

Beim Ausspannen im Urlaub mache ich mir  Gedanken über das Leben, auch über mein eigens. Dieser Vorgang wird ausgelöst, da ich Anhaltspunkte, Vergleichspunkte, in der Natur oder in den Landschaftsformen finde. Ein Aufenthalt am Meer macht es mir leicht mein Leben mit einem Schiff zu vergleichen. Ein Schiff, welches am Horizont als kleiner Punkt auftaucht, als Mensch der immer größer wird.

Befindet man sich auf dem offenen Meer, ist man den Meeresstürmen ausgesetzt,  beladen mit Waren, den Aufgaben des Lebens. Es ist nicht immer möglich, den geplanten Kurs  beizubehalten. Glück ist, wenn man nach Kursabweichungen wieder auf den Kurs zurückfindet und es nicht zu einer Kollision mit anderen Schiffen kommt. Im Hafen wird man von den Waren, den Aufgaben entladen. Die älteren Schiffe werden im Küstenverkehr eingesetzt, in ruhigeren Gewässern, nicht mehr auf das offene Meer geschickt.

Fährt ein Schiff über das Wasser, breiten sich die Wellen immer weiter aus, bis sie nicht mehr zu erkennen sind, aber im Wasser noch spürbar. Ein aktives Leben hinterlässt Spuren, die lange Zeit sichtbar sind, aber immer schwächer werden. Die Schwingungen bleiben spürbar, sie vereinen sich mit den Schwingungen der Welt. Die Astrophysiker sagen, dass die Strahlung des Urknalls noch messbar ist.

In ruhigen Gewässer.  

SCHUTZ.mantel

Vor zwei Jahren war es selbstverständlich, dass man sich Pläne für die Zukunft gemacht hat und sie umsetzte. Eine Wohnung kaufte, und statt der Miete eine etwas höhere Kreditrückzahlung in Kauf genommen hat. In zwanzig Jahren besitzt man Wohnungseigentum, welches den Kindern weitergegeben werden kann. Die helle, freundliche Wohnung wirkt aufbauend auf die Familie. Alle hatten einen Arbeitsplatz, als Vollzeit, Teilzeit, oder Lehrplatz. Vor zwei Jahren gab es keine Sturmwarnung vor einem Wirtschaftstief, in Österreich herrschte gutes Konsumwetter. Jeder der sich bemühte und gute Arbeit leistete erlebte seinen Arbeitsplatz als sicher. Man lebte mit dem Umstand, dass die Firma von einer größeren Firma gekauft und wieder verkauft wurde. Am Firmenstandort wusste man zeitenweise nicht, zu welcher Firmengruppe man gerade gehörte. Vielfach hielt man die fremden Namen für einen Fortschritt, man war bei der Globalisierung dabei. In der Regionalzeitung gab es auf der Wirtschaftsseite einen Bericht, dass die Firma soundso von einem größeren Konzern übernommen wurde, um die Marktchancen zu erhöhen. Alle applaudierten.

 

Das neue Wort heißt Arbeitsplatzwarnung, Anmeldung zur Kurzarbeit beim Arbeitsmarktservice. Ein kurzes Email aus der Konzernzentrale, dass sich die Auftragslage verschlechtert hat, es gibt Absatzprobleme und die Finanzkrise. Eine Fachhandelskette hat viele Fachhändler mit Preisdumping verdrängt, bis sie jetzt selbst ein Opfer des Preiskampfes geworden ist. Beim Frühwarnsystem des Arbeitsmarktservice werden die Verkäufer angemeldet. Bei einem Konkurs werden die offenen Löhne vom Staat bezahlt, vom Steuerzahler. Wie groß ist der Schutzmantel des Staates und wie hoch die Kreditrate.

 

Die Schutzmantelmadonna.

BE:schreiben

Seit Jahren verfasse ich wöchentlich mehrere Beiträge.  Ein Vorteil vom Schreiben ist, dass man sich von der äußeren Welt abkapseln kann. Ich entfliehe der alltäglichen Geräuschkulisse, Radio, Fernsehen, Straßenverkehr, auch der Unterhaltung mit anderen Menschen. Es soll ganz still sein, ich beginne einen Dialog mit meinem Gehirn. In der Stille kommt das Gehirn zu Wort, ich horche meinem Gehirn zu. Es wird mit keinen neuen Informationen gefüttert. Beim Schreiben kann die Gedanken ordnen, weiterentwickeln. Beim Gespräch besteht die Gefahr, dass ich mich wiederhole.

 

Zuerst kommt die momentane Stimmung  im Geschriebenen zum Ausdruck, bis es die Zeit schafft, die Stimmung zu verlassen, zur eigenen Stimmung auf Distanz zu gehen. Es ist eine Zeit des Glücks, unabhängig vom Alltag. Von Dimitri Schostakowitsch wird berichtet, dass er seine schönste Musik, einen Teil seiner Sinfonien, in seinen bedrohlichsten Lebenszeiten geschrieben hat. Er wurde von Stalin gedemütigt, verhetzt, vom KGB verfolgt und musste um sein Leben bangen. Er hat weiterkomponiert, die Musik hat ihn gestärkt.

 

Schreiben.     

DREI:könige

Das Judendorfer Feld war einst Weideland für die Hirten mit ihren Schafherden. Inzwischen ist es eine wohlgeordnete  Fläche mit  Wohnhäusern und Wohnblocks, Strassen und Gehwegen, Gasthäusern und Supermarkt,  Volks- und Hauptschule, Kirche und Kultursaal, geworden. Die Beweglichkeit der Hirten ist in das mobile Leben der Stadtbewohner übergegangen, als Benützer des Kreisverkehrs. 

 

Es kann verstören, wenn es an der Wohnungstür läutet und die Besucher, “Drei Könige”,  haben sich nicht über die Gegensprechanlage am Hauseingang angemeldet. Ich weis nicht was uns erwartet, wenn man die Tür öffnet. Es könnte eine Schlammlawine in die Wohnung hereinbrechen, das Leben radikal verändern. Jede Veränderung kann die Stabilität des Lebens gefährden. Wer zur Unruhe, zur Veränderung aufruft, ruft auch zur Vernachlässigung von Riten und Ritualen auf. Viele Lebensablaufe sind ohne Regeln nicht vorstellbar. Wir führen ein aufgeräumtes Leben und haben eine aufgeräumte Wohnung, es könnte ja sein, dass ein Termin abgesagt wird.

 

Verstörung.