im:rahmen ll

In der Nähe von markanten Ausflugszielen oder berühmten historischen Gebäuden stehen seit jüngster Zeit große rote hölzerne Rahmen. Hier können sich die Besucher in die Bildfläche stellen und ein Foto machen. So hat das Foto gleich einen Rahmen. Diesen Trend gibt es auch in Kärnten. Am Pyramidenkogel steht am Rande der Terrasse vom  Aussichtsturm, bei den Imbissstuben, ein solcher Rahmen. Fotografiert man eine Person, hat man auch einen Ausschnitt vom Wörthersee auf dem Bild. Mit dem Lift fahren die Besucher auf den siebzig Meter hohen Turm für den Rundumblick auf die Täler, Berge und Seen Kärntens. Die wenigsten wollen dem Himmel näher kommen, dafür gibt es höhere Bauten oder beim Fliegen. Was bleibt vom Gedanken Gott näher zu kommen, soweit man Gott im Himmel der sich über uns spannt, wähnt.

Beim Blick über die Landschaft über Gott und die Welt nachdenken. Eine sinnlose Formel und doch bewegen wir uns ständig in diesem Fokus. Der Rahmen für unser Denken ist vorgegeben. Es passiert selten, dass man sagen kann, er hat den üblichen Rahmen gesprengt. In der Einfassung war vielleicht ein Haarriss. Ständig sind wir auf der Suche nach den letzten Dingen. Bei der Suche nach Orten, welche sie noch nicht kennen, sind manche rastlos. Das Ziel haben, die letzten unbekannten Orte in Kärnten zu besuchen. Für Österreich wird es darin um einiges schwieriger. Sinnlos, obwohl man darin etwas sinnhaftes entdeckt hat.

Politzen & Beinten

im:rahmen l

Bringen wir eine kolorierte Stadtansicht von einem Ausflug heim, dann lassen wir diese einrahmen. So bekommt alles seine Ordnung und hat seine Umrandung. Können wir sagen die Ausgaben für ein paar neue Schuhe oder für eine Stehlampe liegen im Rahmen des Haushaltsbudgets, so bedeutet dies Sicherheit. Beim Wettpflügen hat der Vorjahressieger im Rahmen des Möglichen seinen Platz verteidigt. Bis jetzt verläuft die Feier zur Eröffnung der neugestalteten Volksschule in üblicher Atmosphäre. Das Fest wird vom Kinderchor der Naturparkschule umrahmt. Im Rahmen des Vertretbaren wurde auf die Wünsche der Lehrerinnen beim Umbau Rücksicht genommen.

Soweit es möglich ist versuche ich mich zu beruhigen bis die Befunde der Vorsorgeuntersuchung vorliegen. Die Ergebnisse befinden sich im Rahmen der altersbedingten Vorstellungen. Bei manchen Vorhaben muss ich Abstriche in Kauf nehmen. Einiges ist, so wie ich es gewohnt war, nicht mehr möglich. Beim Wandern mit dem Rahmen des Möglichen zufriedengeben. Es ist sinnlos eine Route zu erzwingen, manchmal muss ich es gewähren lassen, denn Rahmen für Wanderungen neu abstecken. Führt eine Wanderung über ein steiles Wegstück und ist dies noch im Rahmen meiner körperlichen Fitness, so tritt Zufriedenheit ein. Eine Sättigung, ein Gefühl wie nach dem Verzehr eines Rindsbratens nach Znaimer Art.

Napoleonwiese.

ge:fesselt II

Während der Zugfahrt lese ich den Aufsatz von Siegfried Lenz: „Mutmaßungen über die Zukunft der Literatur“. Die Zukunft der Literatur bildet einen kleinen Aspekt von den möglichen Zukunftsszenarien für die Menschheit. Bei den vielen Szenarien für das Überleben der Menschheit ist der Bereich der Literatur wahrlich kein wesentlicher, wohl eher ein nebensächlicher Aspekt. Jene, die selbst schreiben oder gerne lesen werden diesen Aspekt für die Zukunft der Menschheit ganz anders beurteilen. Bei ihnen wird der Stellenwert höher sein als bei Anderen und den Wert einer geräumigen Wohnung bei weitem übertreffen. Lesen war noch nie ein breitenwirksames Medium, es ist ein Bildungsangebot und ein Freizeitvergnügen für eine kleine Anhängerschar. Die größte Wirksamkeit der Literatur sieht Siegfried Lenz darin, wenn in Erzählungen ein Ort, eine Talschaft oder Landstrich verortet wird. Über allen anderen Freizeitvergnügen steht für mich das Schreiben. Im extremsten Fall führt die Abstinenz vom Schreiben bei mir zu einer Verschlechterung meiner allgemeinen Befindlichkeit. So werde ich zum regelmäßigen Schreiben gezwungen.

Es wird sich erweisen, ob es durch den uferlosen Gebrauch der digitalen Medien zu einer Reizüberflutung mit Texten kommt? Durch die sogenannten Kurznachrichtendienste kommt es zu einer Verflachung der Inhalte. Die neuen digitalen Möglichkeiten sind eine Folge des Zeitgeistes, eine technische Entsprechung zur Verflüchtigung der Literatur. Zum Anderem ist es mit Hilfe der Computertechnik möglich, auch Netzliteratur zu speichern. Dies ist einer der Schwerpunkte des Deutschen Literaturarchivs in Marbach am Neckar.

Wie schnell aus einer Bahnfahrt ein Abenteuer wird, erleben wir beim Umsteigen in Stuttgart, vom EC- Zug in die S-Bahn nach Marbach am Neckar. Die starken Regenfälle am Nachmittag haben zu einer elektrischen Störung im S-Bahnverkehr geführt. Die S4 konnte wegen einer defekten Weichenstellanlage nicht abfahren. Alle Fahrgäste wurden gebeten die S5 zu benützen. Am Bahnsteig fünf war es schwarz vor Menschen, welche auf eine Fahrt mit der S5 warteten. Alle hofften einen Platz in der nächsten Zuggarnitur zu finden. Als die nächste S5 in den Bahnhof einfuhr und zum Stehen kam, quellte aus dem Zug eine Masse von Menschen. Der Zug wurde von den Wartenden gestürmt. Von Bahnbediensteten wurden die Reisenden in die Waggons hinein geschoben. Bis sich die Inneren zur Wehr setzten und nach außen riefen, es geht nichts mehr. Im Zug waren die Sitz- und Stehplätze doppelt belegt.

Verspätung

ge:fesselt I

Die Autofetischisten sind der Meinung, die wahren Abenteuer spielen sich auf der Autobahn ab. Zumeist kennen sie das Zugfahren nur vom Hörensagen. Für mich spielen sich die wahren Abenteuer, vor allem die Begegnungen mit fremden Menschen, im Waggon ab. Um 9.16 fährt der Eurocityzug EC114 von Villach nach Stuttgart, eine Direktverbindung, ab. Halt in Schwarzach St. Veit um 10.48. Während des Aufenthalts in Schwarzach St. Veit quillt aus dem Zug am Nebengleis eine Gruppe von Jugendlichen hervor. Sofort fällt auf, dass alle Jugendliche Kopfhörer im Ohr haben und sich mit Musik vom Handy berieseln lassen. Andere wischen über den Bildschirm des Smartphone. Die Menge der Menschen die Ein- und Aussteigen nimmt am Bahnhof in Salzburg zu. Zumeist Jugendliche, die eine Klassengemeinschaft bilden. Die Waggons der Zweiten Klasse sind gut besetzt. Die Unterhaltung mit den Sitznachbarn nebenan oder gegenüber kommt in den Zugabteilen immer mehr aus der Mode. Die Reisenden sind von den modernen Kommunikationsmitteln gefangen, genau genommen gefesselt. Dabei erhält das Wort gefesselt eine neue Bedeutung. Unter gefesselt verstand man früher sich nicht mehr bewegen können, aber auch von etwas fasziniert sein.

Als Kinder haben wir uns gegenseitig beim Indianer-, Räuber-  und Gendarmspiel gefesselt. Eines der beliebtesten Freizeit-, vor allem Sonntagsvergnügen im Internat Tanzenberg  war das Indianerspielen. Der ideale Ort ein kleiner Wald westlich vom Schloss. Dort wurden die bösen Weißen von den Indianern gefangen und an den Marterpfahl, einen Baum, gefesselt. In wenigen Fällen wurde dabei ein Feuer entzündet, aus Furcht vor der Heimleitung und um den Spielplatz nicht zu verraten. Das Anpirschen und  Fesseln war ein sozialer Akt. Das derzeitige gefesselt sein vom Smartphon führt oft zu einer Abkapselung von der Gemeinschaft. Bei Kleinkindern dazu, dass sie  nicht mehr so redefreudig sind. Die Mutter- und Papastelle,  die Stelle der geschichtenerzählenden Großmutter übernimmt heute das stumme Tablett. Von den Eltern wird immer weniger Zeit dafür verwendet, um den Kleinkindern die Sprache zu vererben. Das Sprechenlernen wird durch eine Wischbewegung ersetzt. Die Bewegungen des Mundes, die Lautenbildung werden durch eine Handbewegung, wie es mit einem Putzlappen beim Bodenaufwischen passiert, ersetzt. Der Fortschritt besteht neuerdings darin, dass wir von einem kommunikativen Gespräch in eine putzlappenwischende Gesellschaft abrutschen.

Putzlappen

leben:wille

Bei wem die Geburt einige Jahrzehnte zurückliegt, der sinniert nicht über einzelne Tage, auch nicht über Wochen nach. Eine untergeordnete Rolle spielen einzelne Monate, ansonsten zählen nur die Jahre. Es ist nicht selbstverständlich, dass der Lebenswille mit den Jahrzehnten steigt. Durch Ereignisse wie Ehestreit, Beleidigungen, finanzielle Verluste, Sterbefälle wird der Lebenswille angeknappert.  Manches Mal bäumt er sich noch einmal auf, wenn es zu einer neuen Herausforderung kommt: Ein Wohnungswechsel, eine neue Partnerschaft, die Würdigung für eine besondere Leistung, ein persönlicher sportlicher Rekord. Beginnt ein neuer Lebensabschnitt, eine zweite berufliche Herausforderung oder die Zeit für die Muse kommt. Als Älterer ist man ziemlich überrascht, kommt man mit einem zehn Tage alten Baby in Kontakt. Alle Gliedmaßen sind von erstaunlicher Winzigkeit, es funktioniert alles im kleinsten Detail. Erstaunlich ist der Lebenswille, welchen das  Baby ausstrahlt. Wo es nichts von seiner Zukunft weiß, sowenig über die Umwelt. Kaum Erfahrung mit dem menschlichen Gegenüber und doch beeindruckt es durch seinen festen Vorsatz und hier bin ich. Egal ob es die Finger, die Füße, die Augen oder der Gesichtsausdruck sind, der Entschluss etwas auszudrücken und umzusetzen ist da.

Beim freien Schreibtraining, was wäre wenn ich nicht hier wäre? Nach der Ankunft am Salzburger Bahnhof bin ich überrascht, wie warm es in der Stadt Anfang März ist. Es war verlockend die Innenstadt zu besuchen, gleichwohl es dort zurzeit keine besonderen Aktivitäten gibt. Der Durchfluss an Menschen wird in der Getreidegasse um vieles geringer sein, als in der Vorweihnachtszeit. Als Kleinstadtbewohner aus einem Cafefenster vom Tomaselli auf die vorbeiströmenden Menschen zu sehen und ihr Verhalten zu beobachten, ist spannend. Streune ich durch die Altstadtgassen dann schrumpft, dass von meinem Wohnort ferne Salzburg, zur Kleinstadt.

Der Große.