duft:spur I

Im Laufe seiner Lebensjahrzehnte entwickelt jeder Mensch seine besonderen Eigenheiten. Manche lieben eine aufgeräumte Wohnung, andere legen Wert auf geputzte Schuhe. Von verschiedenen Frauen wird das Zeitungslesen beim Essen  nicht geduldet, manche Männer wollen darauf nicht verzichten. Neuerdings wird die Zeitung durch das Smartphone abgelöst, es liegt am Esstisch neben dem Besteck. Verschiedene steuern in einem Cafe sofort einen Platz in Fenster- oder Türnähe an, besonders wenn das Cafe überfüllt ist. Diesen ist ein Fluchtweg wichtig. Einigen ist es wichtig zwischendurch schnell einmal die Hände zu waschen, manche wollen ohne Kopfbedeckung keinen Schritt vor das Haus machen. Wenige lieben es, zehn Minuten zu früh, vor der Abfahrt des Stadtbusses, auf der Haltestelle zu sein. Von manchen hat die Uhr mindestens drei Minuten Vorlauf, damit sie nicht zu spät  kommen. Einzelne sehen sich bestätigt, wenn sie auf die Minute genau bei der Veranstaltung eintreffen.

Am stärksten in Mitleidenschaft gezogen werden unsere Gewohnheiten beim Geruchssinn. Was für den einen himmlisch riecht, wie Gailtaler Hauswürstel, ist für jemanden anderen kaum zu ertragen. Bei Käsesorten gibt es oft unterschiedliche Geruchswahrnehmung. Manche vertreten die Meinung, je intensiver der Käse riecht, umso besser seine Qualität. Etliche beginnt es zu würgen, wenn bei der Kärntner Brettljause der Glundnerkäse sein Aroma versprüht. Gerne esse ich zwischendurch einen Fisch, da immer davon gesprochen wird, er ist so gesund. Als Vorbild  werden die Mittelmeerbewohner angeführt, welche keine erhöhten Cholesterinwerte haben und kaum an Herz- und Venenkrankheiten leiden. Beim Braten des Fisches ist es zumeist unvermeidbar, dass intensiver Geruch entsteht. Am liebsten würde ich diesem aus dem Weg gehen. Beim Fischgeruch könnte man daran feilen, dass er für Veganer nach Radieschen und für Fleischliebhaber nach Krainerwürstel riecht. Wer  verschnupft ist bedauert es, dass er den Duft des Kaffees, vom Kleingebäck oder dem Apfel nicht riechen kann.

Minutentakt

kopf:universum

Oft beschränkt sich die eigene Aufmerksamkeit auf das, was im Gehirn vorgeht, im Kopfuniversum. Meistens dreht es sich um den eigenen Körper. Im Stillen klopft man die einzelnen Körperpartien nach ihrer Befindlichkeit ab. Dabei probiert man verschiedenes, drückt auf die eine und andere Stelle um zu spüren, ob sich etwas verändert hat. Man wartet auf eine Rückmeldung vom Körper. Man erhält ein Echo, gerade so wie beim Ultraschall.  Dort, wo es vor drei Tagen geschmerzt hat, ist man besonders aufmerksam. Man dreht und wendet das entsprechende Körperteil, wird der Schmerz sich wieder einstellen?  Kommt keine schmerzliche Rückmeldung ist man darüber froh. Anderseits erwartet man, dass es immer noch weh tut. Es könnte sonst der Eindruck entstehen, dass man sich vor einigen Tagen getäuscht hat.

Simultan.

text:autobahn

Unter Schriftstellern, Lesern und Kritikern gibt es darüber Diskussionen, wie ein guter Text, eine Geschichte beschaffen sein muss. Handelt es sich um kurze Texte, von denen jeder für sich stehen kann, müssen diese dann eine fortlaufende Geschichte ergeben? Genügt es, mehrere kurze Texte hintereinander zustellen, um dem Leser die Möglichkeit zu geben, was ihm sinnvoll erscheint, zusammenzufügen? Im Blog geht es mir darum, Texte hintereinander hochzuladen, Beobachtungen, kurz skizziert. Das Web ist ein schnelles Medium, die User wechseln schnell die Site, das  nächste Blog ruft schon. Ich versuche es in zwanzig bis dreißig Zeilen auf den Punkt zu bringen. Beim Schreiben passiert es mir immer wieder, dass ich von einer Lebensmomentaufnahme ausgehe und dazu fällt mir noch allerlei ein. Ich schreibe weiter und weiter, dazu kommen zumeist noch Erinnerungen aus früheren Tagen, die die derzeitige Situation ergänzen. Ich glaube, dass eine abwechslungsreiche Folge von Texten für eine Lebendigkeit dessen spricht, der die Texte verfasst hat. Wichtig ist mir, dass der Leser offene Stellen vorfindet, für seinen gedanklichen Spaziergang. Nicht alle Gedanken plattgewalzt, wie auf einer Erzählautobahn, eben und asphaltiert. Eine Rennstrecke für Texte, wo der  Leser dahin rast und versucht einen neuen Leserekord aufzustellen. Der Leser soll gedankliche und literarische Betonschwellen vorfinden.

Frostaufbrüche.

jam:mer II

Geht es darum für andere eine Besorgung zu erledigen, einen Nachbarn, welcher kein Auto hat zum Einkauf  oder zum Zug zu befördern, geizen wir mit der Zeit. Plötzlich haben wir viele Termine, von denen wir glauben wir könnten einen versäumen. Finden es lästig, auf andere Rücksicht zu nehmen.  Entdeckt man morgens im Bad beim Ankleiden  einen Hautausschlag, verlangt dieser  nach einem  Besuch beim Facharzt. Dort gibt es beim Eintreffen ohne Voranmeldung keinen Termin, man wird auf die Warteliste gesetzt, es könnte  Mittag werden. Was wollte man nicht alles an diesem Vormittag erledigen,  in der Stadtbibliothek in den Zeitungen schmökern,  bei den privaten Finanzaufzeichnungen Ordnung schaffen und einen kurzen Besuch bei einer alleinstehenden Person machen, der schon lange versprochen ist. Plötzlich ist dies am Vormittag nicht mehr möglich.  In den ersten Minuten verfällt man bei der Anmeldung in eine Schockstarre. Danach versucht man mit der Arzthelferin zu verhandeln, ob es nicht möglich sei, baldigst dranzukommen, wo man doch einiges vor dem Mittagessen erledigen wollte. Gäbe es die Möglichkeit die Wartezeit außerhalb der Ordination, in der Stadt zu verbringen? Alles wird abgelehnt. Missmutig geht man in das abgenützte Wartezimmer und trifft dort auf ebenso übel gelaunte Gesichter.  In jedem der Eintritt sehen sie  einen potenziellen Konkurrenten, der möglicherweise einen fixen Termin hat und vor ihnen gereiht sein könnte. Die gereizte Atmosphäre ist spürbar. Ein, von weitem als leitender Angestellter erkennbarer Herr palavert am Handy und blickt dabei unwirsch auf seine Uhr. Er teilt seinem Gesprächspartner mit, dass bei den Ärzten immer dasselbe passiert, es werden die Reservierungstermine überzogen.

Es gibt keine Nachsicht dafür, dass eine ärztliche Behandlung, dass Gespräch mit einem Patienten nicht mit der Stoppuhr zu planen ist. Sie ist nicht vergleichbar mit der Produktionszeit von einem Stuhl, die auf die Sekunde vorprogrammiert ist. Dabei herrschen bei den Fach- und Kassenärzten ähnliche Zeitvorgaben wie bei der Fertigungsmontage von Möbeln.  Die Krankenversicherungen zahlen für eine Ordination, für verschiedene Behandlungen genau nach Tarif und dafür festgelegten Zeiten. So wird der Mensch, wie der Sessel, als immer schon als etwas Herzustellendes gedacht,  als etwas Technisches.

Warteschleife.