UN.gewiss

Nähert sich der letzte Arbeitstag, dabei ist es egal ob man freiwillig oder zwangsläufig aus dem Berufsleben ausscheidet, so wissen viele nicht, was sie in der arbeitsfreien Zeit erwartet. Von einem Tag auf den Anderen befindet man sich in der Pension, nicht in einer Fremdenpension, sondern in der Alterspension. Früher gab es den Begriff “man geht in die Rente”, man war Rentner.  Man kann sich vorher einen Tag ohne regelmäßige Arbeitszeit schwer vorstellen. Man wird sich im Dunkeln vorwärts tasten, bis Licht in den Alltag kommen wird. Manche haben vage Vorstellungen, wie Zeitungsausschnitte und Schriftstücke zu ordnen oder die  Foto- und Büchersammlung zu katalogisieren. Entsprechend der Jahreszeit  im Garten oder am Balkon Sträucher und Blumen zu pflanzen. Männer denken daran, Reparaturen in der Wohnung durchzuführen und im Kellerabteil aufzuräumen.

Über die Vorhaben liegt ein Nebel  wie im November, es ist eine Ungewissheit, die auf das Gemüt und auf das Herz drückt. Langjährige Rentner geben Einblick in das künftige Rentnerparadies, wobei Fernreisen oder das Überwintern auf einer Insel im Süden eine gut dotierte Rente voraussetzen. Viele suchen statt der Fernreisen um einen Zuschuss zu einem Kur- oder Erholungsaufenthalt an. Sie müssen jeden Termin akzeptieren, weil man hat jetzt Zeit. So wird man bei verschiedenen Institutionen und bei Behandlungsterminen zurückgestuft, weil man muss nicht an den Arbeitsplatz zurückkehren. Der Pensionsalltag besteht für manche darin, dass sie viel Zeit in den Wartezimmern der Fachärzte verbringen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man nur mehr eine kurze Lebenszeit vor sich hat, wird von den anderen nicht wahrgenommen.

Gewissenslos.

ARBEITS:markt

Hat man eine lange Berufslaufbahn hinter sich, dann hofft man, dass man den Arbeitsplatz nicht kurz vor der Pensionierung verlieren wird. Gehört man keiner bevorzugten Berufsgruppe, wie Eisenbahner oder Beamte an, von denen viele um die Fünfzig in Pension gehen, kann man es nicht riskieren, die eine oder andere Krankheit auszukurieren. Selbstständige verschieben, weil sie vom Betrieb nicht fernbleiben können,  manche Operation in die Zukunft. Man hofft, mit den Beschwerden einige Jahre weiterarbeiten zu können, dann werden es zehn Jahre. Die Politik hat Einsicht  mit denen, die fünfundvierzig Jahre ohne Unterbrechung gearbeitet haben, denen wird ein früherer Pensionsantritt ermöglicht. Die Arbeitslosenunterstützung kann beansprucht werden, sodass man in einer Warteschleife den Pensionsantritt abwartet.

Hat man nie eine Sozialhilfe in Anspruch genommen, dann muß man sich überwinden eine Auskunft auf dem  Arbeitsamt einzuholen. Schon in der Früh warten die Ersten vor dem Amt. Öffnen sich die Türen, dann stürmen alle los, ohne Nummer geht nichts. Jetzt ist man nicht der Herr oder die Frau sowieso, man ist eine Nummer. Der Beamte begrüßt einen nicht, keine Aufforderung Platz zu nehmen, ein kurzes „geben sie her“, gemeint sind die Unterlagen. Man will eine Auskunft. Der Beamte macht einen als erstes darauf aufmerksam, dass man eine Arbeitslosenunterstützung nur in Anspruch nehmen kann, wenn man arbeitswillig ist. Ist jemand arbeitswillig, wenn er die letzten fünfundvierzig Jahre durchgehend ohne Krankenstand, bei wenig Urlaub, gearbeitet hat?  

Das bessere Service.

AL.mosen

Man kann schnell an Bedeutung verlieren und als Mensch uninteressant werden, auch dann, wenn man über Jahrzehnte Kundschaft bei einem Großhändler war. Man muß erleben, dass man nur noch als Kontaktperson von Bedeutung ist, um den Kontakt mit dem Nachfolger herzustellen. Man wird als eine Auskunftsperson und als eine Hemmschwelle angesehen, die im Weg steht und über die man hinweg muss, um an den Nachfolger heran zu kommen. Von Interesse ist man solange, bis man den Namen und die Telefonnummer des Nachfolgers bekannt gegeben hat. Dieses Ansinnen wird mit dem Hinweis versehen, man möchte sich beim Zukünftigen  vorstellen, man will ihm nichts verkaufen. Als Kaufmann habe ich nicht erlebt, dass ein Großhändler Almosen verteilen will, er will verkaufen. Wo liegt die Grenze, zwischen einer Hilfestellung  oder man wird zu etwas gedrängt? In Zukunft will man sich nicht mehr drängen lassen,  das, was man sagen und vorbereiten will, selbst entscheiden. Die neue Freiheit geht dahin, dass ich mir  für die Zeit in der Pension nichts vornehme und nichts wünsche. Ich bin für alles offen, was noch kommen wird.

Dankbarkeit.    

BE:schwerden

Der am häufigsten geäußerte Glückwunsch bei festlichen Anlässen ist: „Bleiben sie gesund“, in Kärnten kurz: „Gsund bleibn“. Daher erleben wir jeden Tag, an dem wir nicht gesund sind, als Ärgernis, als einen Fehler der Natur, eine Misswirtschaft des Schöpfers. Wie aber gehen Menschen mit dem Alltag um, die in frühen Jahren krank geworden sind oder im Alter kränklich werden? Dabei sehnen sich gerade diese nach Freude und Abwechslung. Oft ist man der Meinung, dass man der Einzige mit Beschwerden ist, alle anderen sind gesund und glücklich. Diese Ansicht bleibt so lange aufrecht, bis man einen Bekannten im Krankenhaus besucht, der zu den glücklichen Menschen zählte und jetzt total unglücklich ist.

Spürt man beim Abschiednehmen vom Betrieb körperliche Unsicherheit, so muss man dies akzeptieren. Steht man im leeren Lager und weiß das man hier nichts mehr zu sagen hat, kann  dies Betroffenheit hervorrufen. Man muss etwas loslassen, an dem man sich festhalten konnte. Noch weiß man nicht, an was man sich in der Zukunft festhalten wird.

Kärntnerstraße.

RÜCK:zug

In Seminaren wird darüber gesprochen, in Broschüren darüber geschrieben, zu welchem Zeitpunkt man dem Nachwuchs die Führung der Firma überlassen soll. Oft wird damit zu lange gewartet, sodass der Nachwuchs die Freude an der Mitarbeit verliert, vom Übergeber wird verlangt, dass alles so bleiben soll wie es war. Ein Festhalten an Formen die sich  jahrzehntelang bewährt haben, bedeutet die Chance auf Veränderung für die Zukunft  zu vergeben. Für mich eine falsche Ansage war, als eine Interessentin für die Übernahme des Geschäftes sagte: “Alles soll so bleiben wie es ist”. Damit hätte sie sich einzementiert und wäre für die Zukunft unbeweglich gewesen.

In Pension zu gehen kommt mir komisch vor, ich scheide sozusagen aus dem Leben aus. Ich erhalte ein Ablaufdatum, dass manches mal überschritten werden kann, ohne dass der Inhalt verdorben ist. Man freut sich über die Wertschätzung, die Ehrungen, welche einem entgegengebracht werden, obwohl man kein Freund von Zeremonien ist. In der instabilen Wirtschaftssituation beneiden einen viele um das sichere Einkommen. Auf der anderen Seite steht das Wissen, dass es  Jüngere gibt, welche das längere Leben in ihrer Waagschale haben. Nicht immer ist alles eins zu eins umsetzbar.

Duckdonnerstag.