Es besteht die Gefahr, dass man die heutigen Ereignisse aus der Sicht, wie man sie selbst vor dreißig Jahren erlebt hat, beurteilt. Optimismus wird als ein Vorrecht der Jugend gesehen. Mit zunehmendem Alter kann man nicht mit so viel Schwung und Energie an die Aufgaben herangehen, als wie vor Jahren. Die wenigsten sind körperlich so fit, dass sie sagen können, sie sind mit siebzig besser in Form als mit vierzig. Gerade bei kleinen Handels- und Gewerbebetrieben trifft es zu, dass die InhaberInn über das Pensionsalter hinaus im Betrieb sind. Viele verschieben ihren Pensionsantritt um Jahre, der Betrieb ist ihr zweites Zuhause, ihr Lebenswerk. Man fühlt sich vital genug, um weiterzuarbeiten. Dabei übersieht man, dass es mit den Jahren ab sechzig, fünfundsechzig, oder siebzig immer beschwerlicher wird, im Arbeitsalltag Schritt zu halten. Nach sechzig melden sich manchmal Krankheiten, die man bis dahin gut unter Kontrolle hatte oder kaum gespürt hat. Oft ist auch niemand da, der das Lebenswerk weiter führen will oder kann.
Ich habe einen Gutschein für einen Friseurbesuch gekauft, der bis zum Jahre 2015 gültig ist. Die Friseurmeisterin wird dann siebenundsiebzig Jahre alt sein. Ob sie dann noch Haarschneiden wird? Beim Besuch einer Kollegin wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass die Chefin nicht hier sei, aber doch da ist. Im Büro erlebte ich, dass der körperliche Zustand der Kollegin schlecht war. Ihr Gesicht war eingefallen, bleich, sie hustete und konnte kaum stehen. Die Kollegin ist über siebzig Jahre alt. Bei diesen Beschwerden hätte ich mich geweigert, in den Betrieb zu gehen. Ich hätte mir zwei bis drei Tage Bettruhe gegönnt.
Der Betrieb geht vor.