paradies:verlust

Heute sind die alten Menschen in Altersheimen untergebracht, in modernen, lichtdurchfluteten und mit Blumenschmuck versehenen Seniorenresidenzen aus Glas, Stahl und Beton. Die Betreuung der alten Menschen in eigenen Heimen zu konzentrieren, bündelt die Betreuung und garantiert eine bessere medizinische  Versorgung. Der andere Grund dafür ist, uns den Blick auf das Alter zu ersparen, weil wir dabei mit der eigenen Vergänglichkeit konfrontiert werden. Dies verweist auch auf unsere Schwierigkeiten mit dem Glauben, wir werden mit unserem Nichtglauben konfrontiert. Bis in die Neuzeit war der christliche Glaube an Himmel und Hölle in Mitteleuropa fest verankert. Damals waren die Plagen des Alltags, die Krankheit, das Siechtum und das Sterben nur eine Übergangsphase in das himmlische Paradies. Im Himmel erwarteten diejenigen, die glaubten und ihre Sünden bereuten, das schönere Leben.

Heute erwartet den aufgeklärten, den industrialisierten und globalvernetzten Menschen nach dem Tod das Nichts. Umso größer ist der Hunger nach dem ästhetischen Bild, nach dem Schönen in der Kunst. Von den Meisten wird die zeitgemäße Kunst, die dem Menschen einen Spiegel vorhält, abgelehnt. Die Bilder von verstörten Menschen auf der Flucht, zerfetzte Leiber vom Bürgerkrieg und zerstörter Umwelt werden als ein flüchtiger Moment in den Fernsehnachrichten akzeptiert, nicht als Gemälde, Fotomontage oder Installation. Wir sind dabei ein käufliches Paradies auf Erden zu schaffen, je mehr wir nach dem Paradies streben, umso weniger paradiesisch wird es in und um uns.

Morgen wirst du mit mir im Paradies sein.

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Winckelmann Joachim  (1717- 1768)  gilt als Begründer der wissenschaftlichen Archäologie und der Kunstgeschichte. Er war sehr an der griechischen Kunst interessiert und stellte die These auf, dass es Zweck der Kunst ist, Schönheit darzustellen!

Muss sie DAS, kann sie DAS, darf SIE es noch?

Durch das Gemetzel der modernen Kriegsführung mit Panzer, Flugzeugen, Bomben und Granaten ist die Ästhetik in der Kunst fraglich geworden. Das Sterben auf den Schlachtfeldern des ersten und zweiten Weltkrieges, bis zu den Terroranschlägen und den Bürgerkriegen der Jetztzeit, lässt bei den Künstlern das Schöne in der Kunst fraglich erscheinen. Kein Tag, wo in den Fernsehnachrichten nicht tote, verstümmelte, blutende und vor Schmerz schreiende Menschen von einem der vielen Kriegsschauplätze auf der Erde gezeigt werden. Durch dieses tägliche Gemetzel hat die Gesellschaft das Recht auf ästhetische Bilder und Skulpturen verloren.

Ob ein Kunstwerk beim Betrachten angenehme oder unangenehme Empfindungen auslöst hängt nicht vom Kunstwerk ab, sondern vom Betrachter. In der aktuellen Kunstszene ist der Zeichenvorrat der Künstler größer als der, der Betrachter. Bei einem geringen Anteil an Neuem wird auf ein Kunstwerk positiv reagiert, bei einem großen Anteil an Neuem negativ. Wird die Sicht- und Denkweise der Betrachter in Frage gestellt, die Vertrautheit der bekannten Symbole zerstört oder ein Thema aufgegriffen, über welches man nicht öffentlich spricht, so stößt das Kunstwerk bei den meisten Betrachtern auf Ablehnung.

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Gegen Spontanität ist nichts einwenden. Manche Situationen erfordern rasches Handeln. Gerne sagt man, wer schnell hilft, hilft doppelt. Diesen Slogan benützen auch karitative Organisationen, wie Ärzte ohne Grenzen oder die Flüchtlingshilfe für Syrien, um für Spenden zu werben. Die ärgsten Katastrophen werden durch Bürgerkriege verursacht, diese sind von Menschen gemacht. Bei Überschwemmungen, Erdbeben, Vermurrungen sind wir nicht die  Auslöser, wir können nur  wiederherstellen. Hat jemand durch einen Wohnungsbrand alles verloren, so besteht die erste Hilfe in eine Ersatzwohnung, meistens bei Verwandten und die wichtigsten menschlichen Bedürfnisse bereitzustellen. Ist jemand auf dem Weg zum öffentlichen Verkehrsmittel, um in der Stadt einen Facharzt aufzusuchen und er wird dabei von einem Nachbarn spontan mit dem Auto mitgenommen, so ist er für diesen Impuls dankbar.

Den Weststrand von Caorle entlang spazieren, bei Schönwetter ist im Oktober der Strand noch gut besetzt. In den Hotels entlang der Promenade logieren die Späturlauber. Der Weststrand endet bei der Flussmündung von der Livenza. Dort spürt man die Weite des Meeres, im Hafen mischt sich das Süßwasser mit dem Meerwasser, es riecht nach Fisch. Von hier verlassen die Fischerboote und die Jachten das Festland, zurück bleiben die  Sehnsüchte jener, die am Ufer stehen. Als nächstes erwartet uns der Fußmarsch zurück in das Zentrum, dann weiter bis zum Oststrand. An Samstagen verkehren kaum Busse. Spontan entschließt sich die Begleiterin zu einem Friseurbesuch, ich sitze auf der Steintreppe vor dem Laden.

Überraschung.

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Die Situation im vorhergehenden Eintrag ist ein Beispiel dafür, dass man auch im späteren Alter sein Gehirn trainieren kann, wenn man Ausdauer hat. Bei einem Gespräch anlässlich einer Firmenfeier, bei Würstel und Bier, bin ich mit anderen Besuchern in das Gespräch gekommen. Dabei hat in der Runde ein Arbeiter erwähnt, dass er seit Anfang dieses Jahres in der Altersteilzeit ist und in drei Jahren in Pension gehen kann. Er hat darüber spekuliert, ob es notwendig sein wird, für die Pension ein Hobby oder eine handwerkliche oder eine soziale Beschäftigung zu suchen? Er hat schon davon gehört, dass manche Pensionisten, vor allem Männer im Ruhestand sehr schnell körperlich und geistig abbauen, wenn sie keine Aufgabe haben und sich dem Nichtstun hingeben. Für die pensionierten Frauen ist es zumeist der Haushalt der eine Tagesstruktur vorgibt, die fehlt den Männern nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben völlig. Dahinter lauert die Gefahr der Muse, die nach ein paar Monaten  ihren Glanz verliert. Betrübt hat ihn, dass er seit dem Wechsel in die Altersteilzeit sofort um Jahre älter eingeschätzt wird. In manche Entwicklungen im Betrieb will man ihn nicht mehr einbinden, weil er sei nur mehr eine halbe Arbeitskraft und in kurzer Zeit soundso in der Rente. Etwas verbittert und enttäuscht fasste er zusammen, dass er damit wohl einen Vorgeschmack auf das bekommen hat, was ihn mit dem Rentenantritt erwarten wird. Da könnte es noch schlimmer sein.

Wie er, habe ich eine ähnliche Erfahrung gemacht. Kaum habe ich verlautet, dass ich in Pension gehen und das Geschäft übergeben werde, wurde ich sofort um einige Jahre älter eingeschätzt als es noch vor ein paar Monaten der Fall war. Schmerzlich war es für meine empfindsame Seele, als ich das Angebot für Senioren, Thermaleintritt mit Tagesteller, in Anspruch genommen habe. Auf meine Frage an die Dame an der Badekasse, ob ich den Seniorenausweis vorweisen müsste, hat diese mit einem Blick in mein Gesicht gesagt, dies sein nicht notwendig.

Gesichtskontrolle.

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Vor der mündliche Prüfung zur Lehrveranstaltung „Natur und Technik“ habe ich mir Sorgen gemacht, wie werde ich es schaffen, eine Fülle von Namen, Thesen und Jahreszahlen zu merken. Die Namen der involvierten Philosophen, deren Jahresdaten und Theorien zu merken. Dafür habe ich eine eigene Lernmethode entwickelt. Den umfangreichen Stoff habe ich mit meinen gedanklichen Erweiterungen in den PC eingetippt und ausgedruckt. Mit dieser schriftlichen Hilfe habe ich in freier Rede über den Stoff geredet, wobei mich bei den Namen, den Buchveröffentlichungen und Jahreszahlen die Zusammenfassung unterstützt hat. Als nächstes habe ich auf einem Blatt Papier nur noch Namen, Datum und dazu ein Stichwort geschrieben. Mit Unterstützung dieses Blattes habe ich für mich über den Stoff referiert und zu guter Letzt ist es ein kleiner Notizzettel gewesen, mit ein paar Namen und einigen Zahlen. Zu meinem Erstaunen hatte ich mir mit dieser schriftlichen Reduktionsmethode vieles eingeprägt. Ich kann von mir nicht behaupten, dass ich ein ausgeprägtes Personen- und Zahlengedächtnis habe. Dafür hatte ich wenig Interesse und habe es keinesfalls gefördert und trainiert. Beim mündlichen Prüfungsgespräch hat es wunderbar geklappt.

Schwindelzettel