tisch:nachbar

Über die Finanzierung der Pensionen und das fehlende Geld bei den Pensionskassen wird in mehreren EU-Staaten gestritten. Dass die Senioren eine ausgabenfreudige und eine reisefreudige Schicht sind, sollte dabei nicht außer Acht gelassen werden.  Diese Bevölkerungsgruppe verbraucht das Geld, bringt es an den Mann und die Frau. Wer nicht mehr konsumieren kann, aus körperlichen Gründen nicht mehr verreist, wird es einmal vererben. Es fließt alles wieder in den Kreislauf zurück, es wird kein Geld vernichtet und bleibt der Volkswirtschaft erhalten. Die Senioren gehören nicht zum Personenkreis, welche ihr Geld in kuriosen Finanzkonstruktionen anlegen. In den meisten Fällen bleibt der Geldfluss auf dem europäischen Kontinent.

Beim Aufenthalt im Hotel, bei den Mahlzeiten ist mir aufgefallen, dass ältere Personen penibel darauf achten, dass alle Leistungen, alle angeführten Speisen, zur Verfügung stehen.  Es wird darauf Wert gelegt, dass zur Anreise das Glas Sekt auch angeboten wird und die Verkostung der Weihnachtsbäckereien im Speisesaal stattfindet. Man hat für alles bezahlt und achtet darauf, dass alle Punkte des Reiseprogrammes erfüllt werden. Keine Unterscheidung will ich zwischen Männern und Frauen machen, dies würde als Diskriminierung ausgelegt werden.

Die Frage nach der Herkunft, nach dem Bundesland, ist ein Anknüpfungspunkt unter Tischnachbarn. Manches Mal lässt sich die Talschaft von der Aussprache, den verwendeten Mundartausdrücke ableiten. So findet man Gemeinsamkeiten oder man lästert über die Eigenheiten der Nachbarländer. Das Verreisen wird bald schon selbst zum Thema, in der Annahme, dass dies nicht der erste Urlaub ist. Klassenunterschiede gibt es auch unter den Rentner.  Die einen unternehmen Fernreisen und Bildungsreisen, die mit größerem finanziellem Aufwand verbundenen sind. Andere gönnen sich zum Wochenende eine Busreise, ihrer Rente angepasst. Dabei tritt ein eigenartiges Phänomen auf: Menschen die Kurzreisen unternommen haben können mehr von ihren Reisen erzählen, als Leute die in exotischen Gegenden Urlaub machten. Es gibt Senioren die sich dem Verreisen verschließen, nicht aus finanziellen Gründen, sondern Reisemuffel sind.

Der Flirt zwischen den Geschlechtern passiert auch bei den Seniorenreisen, Alleinreisende Frauen und Männer beobachten sich abwechslungsweise. Pensionistinnen entschließen sich oft gemeinsam zu einer Reise. Die familiären Angehörigen sind in alle Winde zerstreut, so verbringt man die Feste lieber in einer fröhlichen Runde, als einsam in einer Mietwohnung.

Beim Frühstück konnte ich drei älteren Damen, die sich über ihre Alters- und Geschlechtsgenossen unterhalten haben, zuhören. Bitterböse haben sie  angemerkt, dass sich manche Frauen den Alleinreisenden Männern ohne Wenn und Aber an die Brust werfen. Das Allerschlimmste sei, dass Frauen ab einem gewissen Alter von den Männern mit keinem Blick mehr beachtet werden.

Weltreisende.

augen:licht II

Erzählen andere von ihren Sehschwächen kann ich mit ihnen mitfühlen. Das Ticken bei Kreuzungen kündigt die Grünphase für sehbehinderte Personen an. In der Draustadt begegne ich öfters einem Mann, der mit Blindenhund, Blindenstock und Blindenarmbinde unterwegs ist. Ich staune darüber, wie schnell er sich auf dem Gehsteig fortbewegt und ein Geschäft betritt. Er und der Blindenhund sind ein eingespieltes Team.

Spaziert man auf den Marxrainweg von Judendorf in das Zentrum, dann geht man an einigen überdimensionierten Plakatwänden vorbei. Da ich weiß, wie wichtig das Augenlicht für jeden ist, fühle ich mich von dem Plakat der Initiative „Licht für die Welt“ angesprochen. Sie bitten um Unterstützung, damit sie anderen das Augenlicht erhalten können. Das neueste Plakat hat sofort meine Aufmerksamkeit erregt: Ein Foto von einem afrikanischen Mädchen, vor dem Hintergrund der afrikanischen Savanne, in Sepia Ton. Das Mädchen trägt eine Augenbinde, dazu der Text: „Ich werde wieder sehen. Schenken sie einem Menschen mit einer Spende von € 30.– sein Augenlicht wieder“. Dieser  Aufruf nimmt in etwa ein Drittel der Plakatwand ein. Zwei Drittel sind mit grellen Artikeln eines Möbelhauses plakatiert, es gibt seine Neueröffnung in der Draustadt bekannt. Mir kommt der symbolische Gedanke was sieht das Mädchen, wenn es die Augen öffnet. Da wären poppige Schuhlöffel, das Stück für 69 Cent,  Kissen in Trendfarben zu € 8.99 und zu jedem Stück ein T-Shirt gratis. Tischleuchten in Intensivfarben,  jedes Stück für € 3.– und  ein Funktionssofa in schwarz oder weiß  um € 199.–.  Das Unternehmen mit dem rosa X verkündet: „Sieht doch gleich besser aus“. Sieht die Welt besser aus weil es ein Möbelhaus mehr gibt, das Fünfte in der Stadt, bei zirka 50.000 Einwohnern. Die Ossiacherstraße ist die Möbelmeile.

Hinsetzen.

augen:licht

Besondere Aufmerksamkeit schenkt man der Befindlichkeit der Augen, wenn man selbst unter verschiedenen Augenbeschwerden leidet und seit Jahrzehnten eine Sehschwäche hat. Bei der Fülle von Bildern die täglich auf unsere Augen einströmen ist es das wichtigste Sinnesorgan. Wir verbringen viel Zeit mit den digitalen Medien, dem Handy, dem Computer und seit kurzem mit dem Kindel, dem elektronischen Buch. Wobei mir nicht klar ist, was für die Augen anstrengender ist, das Lesen auf dem Bildschirm oder in einem Buch. Mit Farbfotos versuchen die Medien unsere Aufmerksamkeit zu erreichen. Erreicht man die Aufmerksamkeit des Auges, dann hat man die Aufmerksamkeit des ganzen Menschen. Das Farbfernsehen habe ich lange als abstoßend empfunden, obwohl schon viele davon geschwärmt haben. Unser Haushalt war die Ausnahme, erst Ende der neunziger Jahre wurde der Schwarzweißfernseher gegen einen Farbfernseher ausgetauscht. Gleichzeitig wurde ein SAT Anschluss installiert. Dem Schwarzweißfernseher habe ich lange nachgetrauert. Ich fand verschiedene Reportagen und Filme in schwarz weiß einfach schöner. Vieles was bei den Nachrichten und Reportagen in Farbe gezeigt wird, ist abschreckend. Schwarz weiß Bilder lassen Raum für die eigene Fantasie, Farbbilder zerstören jede Illusion und Träumerei.

Meine Aufnahme als Buchhandlungslehrling bei einer Villacher Buchhandlung scheiterte vor Jahrzehnten daran, dass ich Brillenträger bin. Meine Kurzsichtigkeit könnte sich bei der Lehre als Hindernis erweisen,eine frühe Diskriminierung. Als ich auf dem Weg zu einem Vorstellungsgespräch bei einer Motorenwicklerei war, sah ich im Schaufenster einer Papier- und Buchhandlung das Schild: Lehrmädchen wird aufgenommen. Ich betrat das Geschäft in der Bahnhofstraße in Spittal/ Drau und fragte, ob auch ein Bursche die Lehrstelle antreten könnte? Der Chef war damit einverstanden.

Starkstrom.

pension:tag III

Der Mann holt die Frau am Vormittag mit dem Auto vom Arzt ab und begleitet sie zum Lebensmitteleinkauf in den Supermarkt. Der Besuch des Thermalbades wird schon am Vortag  geplant. In den vergangenen Tagen war es so heiß, dass man die Balkonpflanzen gießen musste, dabei wurde das Unkraut entfernt, verblühte Rosen geköpft und diese Tätigkeiten werden heute  im Liegestuhl Revue passiert. Offen ist die Entscheidung ob man das Nachmittagskaffee auf dem Balkon oder im Esszimmer trinken wird. Dabei entwickelt sich ein Gespräch darüber, dass heutzutage auch Haustiere vor Entführung nicht sicher sind. Vor ein paar Tagen wurde in der Nähe eine Main Coon Rassekatze entführt. Es wurde beobachtet, wie ein Auto auf dem Parkplatz vorfuhr und die Katze von der Wiese in das Auto gebracht wurde. Vor ein paar Wochen sind eine andere Katze und ein Dalmatinerhund, in dieser Straße plötzlich verschwunden. Dachte man damals daran, dass der Hund und die Katze entlaufen wären, sieht man diese nach dieser Beobachtung anders. Durch das Schreiben von Adressen für einen caritativen Verein hat man einen sozialen Beitrag zur Gesellschaft geleistet. Beim Abendessen blickt man auf einen geglückten Tag zurück.

Abschalten.

pension:tag II

Es gibt Menschen, die länger arbeiten als es für den Erhalt der Pension notwendig ist. Sind sie die neuen Vorbilder für die Zukunft oder können sie sich im fortgeschrittenen Alter keine Ruhe gönnen? In manchen Fällen ist es die Angst vor der Einsamkeit, weil man keinen Partner hat oder er/ sie vor Jahren verloren hat. So bleibt man, solange als möglich im angestammten Beruf, bis einem die Firma in Pension schickt. Eine bessere Position für die Verlängerung der Lebensarbeitszeit haben die Selbständigen. Sie können zwischen ihrem frühesten und spätesten Pensionsantritt wählen. Ist man körperlich und geistig in der Lage, kann man im Betrieb oder im Geschäft bleiben, man bleibt in der Öffentlichkeit. Es ergeben sich außerfamiliäre Kontakte bei den Gesprächen mit der Kundschaft. Man hat einen strukturierten Tagesablauf, eine Aufgabe, die man nicht erst suchen muss. So kann man die Zeit, wo man in die Anonymität einer Privatwohnung zurück muss, hinausschieben. Diesen Vorteil gibt es auch in der Landwirtschaft, wo die Altbäuerin und der Altbauer bis zu Letzt, solange es die Kräfte erlauben, am Hof nützlich machen. So entkommt man der Nutzlosigkeit, dass man sich nur noch als überflüssiger Esser sieht, den viele schon in das Grab wünschen.

Alt und jung.