oster:jause

Wer sich am späten  Vormittag des Karsamstags in die Drau Stadt begibt um einige Besorgungen für das Osterwochenende zu  machen, darf sich nicht wundern, dass in fast allen Geschäften viele Kunden sind. Bei den Frequenzbringern, wie Apotheke, Lebensmittelmarkt, Blumenhandlung und Konditorei haben sich die Leute bei der Kassa angestellt um ihre Waren zu bezahlen. Verstärkt wurde diese Situation dadurch, dass in Kärnten und sonst in keinem anderen Bundesland in Österreich, die Geschäfte am Karsamstag ab 14 Uhr geschlossen halten. Damit hat der Karsamstag in Kärnten, von den Geschäftsöffnungszeiten betrachtet denselben Stellenwert wie der 24. Dezember, der Heilige Abend. Dafür gibt es ein Abkommen zwischen Wirtschaft, Arbeiterkammer und katholischer Kirche. Der Grund dafür ist, dass in Kärnten am Nachmittag in den Kirchen und Kapellen die Speisensegnung stattfindet, im Volksmund wird sie Fleischweihe genannt. Diesen Brauch gibt es in Österreich  nur in Kärnten. Dabei werden im „Weih Korb“, es ist zumeist ein geflochtener Einkaufskorb,  Schinken, Haus Würste, Eier, gekochter Speck, Rippalan und Kren hineingegeben und zur Segnung durch den Pfarrer in die Kirche gebracht. Dieser Brauch hat bei den Menschen einen so hohen Stellenwert, dass sich auch die großen Handelskonzerne bereit erklärt haben, die Geschäfte am Ostersamstagnachmittag geschlossen zu halten. So ist es nicht verwunderlich, dass die Hektik in den Geschäften an diesem Vormittag besonders groß war. Dazu legte der neuerliche Wintereinbruch eine Pause ein und der Himmel hatte sich etwas aufgelockert, bevor es in der Nacht auf den Ostersonntag wieder Schnee geben soll.  

In der Apotheke am Oberen Hauptplatz hatte man aus dem Kundenandrang zu schließen den Eindruck, als erreicht die Grippewelle zu diesem Wochenende ihren Höhepunkt. Zudem gibt es die Situation, dass gerade vor den Feiertagen dieses und jenes Medikament zu Ende geht oder jemand in der Familie ist plötzlich erkrankt. Ich versuche Apotheken und Ärztewartezimmer in Grippezeiten zu meiden, weil meinem Gefühl nach herrscht in diesen Räumen ein Luftgemisch aus Viren und Bakterien. Nicht alles Unangenehme ist im Leben vermeidbar.

Im Lebensmittelmarkt zeigte sich ein ähnliches Bild, dort scharrten sich die Leute um die Fleisch- und die Gemüseabteilung  und dem Aufsteller mit den letzten Schokoladeosterhasen und  – Eier. Ein Teil der Kunden war mit Handy und Einkaufswagen unterwegs, es wurden  Termine für die Zeit nach dem Einkauf ausgemacht. Einige holten sich per Telefon Ratschläge, welches Fleisch und Gemüse es für den Ostersonntag sein soll. In Österreich ist gerade eine Verordnung in Kraftgetreten, welche beim Radfahren das Telefonieren mit dem Handy verbietet.  Zum Anderem schafft es die Exekutive nicht, das Handytelefonieren beim Autofahren zu kontrollieren. Manches Mal habe ich das Gefühl, dass dadurch gefährliche Situationen für alle entstehen, wenn während des Abbiegens auf einer Kreuzung oder beim Überholen am Handy telefoniert wird. Vielleicht ringt man sich in Österreich zu einem ähnlichen Gesetz durch wie in Italien, wo das Telefonieren mit dem Handy in Cafés und Restaurant, sowie in Supermärkten verboten ist. Die Strafgelder bei der Überschreitung dieser Vorschriften könnte der österreichische Staat gut brauchen.

In der Konditorei drängeln die Schokoladehasen und -hennen, die verschiedenen Sorten von Oster Pralinen und Schokoladeeier rund um den Eingang und lassen niemanden vorbei, ohne etwas mitzunehmen. So steuerte alles auf Mittag zu und die Kinder erfreuten sich am Bummelzug und dem Ringelspiel, welche das Stadtgartenbauamt liebevoll auf dem Rathausplatz eingepflanzt haben. An diesem Vormittag war alles mit einer dünnen Schneedecke an gezuckert. Dieses Jahr werden die Osterhasen auf Skiern oder auf dem Schlitten unterwegs sein um den Kindern die Geschenke zu bringen, geradeso wie das Christkind. War dies gegen meine Aufgeklärtheit gerichtet, dass mir am Abend des Gründonnerstags bei der Heimfahrt vor der Wohnung ein Hase über den Weg gelaufen ist.

Nicht vergessen, Blumenstrauß.

WIEN:splitter II

Kommt ein Wienbesucher in die Verlegenheit, gleich ob er aus einem Bundesland angereist ist oder einem europäischen Land, eine typische Haltung oder Geste der Wiener zu beschreiben, dann könnte er sagen: „In der U-Bahn auf den Oberschenkeln verschränkte Arme, welche die Handtasche oder den Stadtrucksack festhalten. Die U-Bahn ist ein modernes öffentliches Verkehrsmittel, man kommt mit ihr schnell zu den wichtigsten Zentren und Plätzen der Stadt. Beim genauen Hinschauen gibt es verschiedene Eigenheiten, eine ist das Misstrauen gegenüber dem Sitznachbar. Alle Taschen werden krampfhaft mit beiden Armen festgehalten. Oder ein plötzlicher Platzwechsel, wenn jemand dem Äußeren nach nicht ordentlich aussieht. Immer wieder zu beobachten ist, dass jemand seinen BicMäc mit dem Hund teilt. Ein Problem sind die Gratiszeitungen, die beim Eingang zur U-Bahnstation mitgenommen werden, durchgeblättert werden und im Waggon liegengelassen werden und später  am Boden landen. Man muss in der U-Bahn über einen Zeitungsblätterwald darübersteigen.

Gleich rechts und links vom  Eingang in den Stephansdom befinden sich die Altäre der Heiligen, wo man gegen Bezahlung ein Teelicht vor dem Altar anzündet, umso die Fürbitte zum Heiligen zu verstärken. Wer es bequemer haben will, kann gegen eine Gebühr einen Zettel ausfüllen und darauf seine Bitte schreiben und in einen Korb werfen. Von kirchlicher Stelle wird versichert, dass für alle Bitten im Korb zu einem bestimmten Zeitpunkt, am 8. 12., gebetet wird.

Alles bezahlt.       

KAUFEN:haben II

Gibt es bei den Konsumenten neue Bedürfnisse die einen Gewinn versprechen, so werden sie von den Handelsketten aufgegriffen und umgesetzt. Einer dieser Trends sind Biolebensmittel und Produkte aus heimischer Landwirtschaft, diese findet man jetzt vermehrt in den Supermärkten. Dabei hat es in den Orten vor Jahren noch Bäckereien, Fleischereien,  Bauernmärkte und ab Hof Verkauf gegeben, wo man sich mit  naturnahen Produkten eindecken konnte. Es bedurfte der Werbung: „ Ja natürlich“. Ein großer Unterschied herrscht zwischen der  Stimmung  auf dem Villacher  Wochenmarkt  und der Stimmung in  einem „Ja natürlich Supermarkt“. Am Wochenmarkt läuft der Schmäh, der kleine Tratsch, die persönliche Ansprache. Eine kleine Kostprobe gefällig und nicht klinische Verpackung. Über den neuen „Menschenschlag“ den die EKZ hervorbringen schreibt Pfarrer Dr. Deibler: „Die Geschäfte haben keine Eingangstüren, daher grüßt auch niemand beim Betreten oder beim Verlassen des Geschäftes. Die Angestellten sitzen wie betäubt an der Kassa oder schlichten stumm und unbeteiligt Ware in die Regale. Ich habe in Einkaufszentren immer den Eindruck, als ob die Menschen hier in Hypnose wären, ferngesteuert, von Bildern und Markennamen hierhin und dorthin gezogen, ihre menschlichen Qualitäten vergessend.“

Eine Perspektive für die Zukunft könnte sein, dass wie beim Straßenverkehr ein Umdenken einsetzt. Vor Jahrzehnten wurden immer mehr und immer breitere Straßen durch die Landschaft und durch die Orte gebaut. Heute ist man um eine Verkehrsberuhigung bemüht, es werden Straßen rückgebaut. Es hat nicht mehr die größtmögliche Mobilität den Vorrang, sondern Lebensqualität und Wohnqualität. Werden auch die EKZ in Zukunft nicht mehr und noch größer, sondern werden sie  zurückgebaut? In der Innenstadt, im Ortskern der umliegenden Gemeinden würde es dann wieder mehr Nachhaltigkeit, Wertschöpfung und Leben geben.

KAUFEN:haben

Im Handel gibt es für die meisten Branchen im Oktober eine Verschnaufpause, soweit es in den Einkaufszentren eine Verschnaufpause gibt. Das Sommergeschäft ist vorbei, das Herbstgeschäft hängt, so im Textil- und im Schuhhandel, stark von der Wetterlage ab. Herrschen im Oktober sommerliche Temperaturen, dann überlegen sich viele, ob sie eine Herbstgarderobe kaufen sollen oder ob sie auf die Wintermode warten. Vom Bikini in den Wintermantel. Anders im Baumarkt, da möchten viele vor dem Winter noch dieses und jenes am Haus fertigstellen. Jetzt konzentriert sich der Handel auf die nächsten Monate, fragt sich, was können wir für Weihnachten anbieten. Wie steigern wir das Weihnachtsgeschäft. Den Lebensmittelhandel stören die hohen Temperaturen nicht, der Lebkuchen, der Weihnachtsstollen und der Christbaumbehang liegt in den Verkaufsschütten. Die erste Weihnachtswerbung flimmert über den Bildschirm.

In Villach versuchte die Pfarre Völkendorf mit einer Veranstaltungsreihe, „Essen-kaufen-Haben“, unser Konsumverhalten zu hinterfragen. Der Center Manager des Atrio Einkaufszentrum, hielt in der Pfarrkirche ein Statement: „Wie ein Einkaufszentrum zum Wahrzeichen der Stadt wird“. Einige seiner Thesen sind: „Das Atrio entwickelt sich zu einem Treffpunkt für die Bevölkerung der Stadt, für die umliegenden Regionen und das benachbarte Ausland. Die Atmosphäre im EKZ zieht am Vormittag die Senioren und am Nachmittag die Jugendlichen ab. Auf dem künstlichen Marktplatz, der Piazza, stillen die Mütter ihre Babys. Das Atrio entspricht den modernen Bedürfnissen des mobilen Menschen.“  

Diese schöne Konsumwelt wurde von einigen Zuhörern in Frage gestellt, durch andere Sichtweisen ergänzt und erweitert. Die Besucher des EKZ fehlen anderswo, sie werden aus der Innenstadt, aus den Gemeinden der umliegenden Regionen abgeworben. Hier treffen sich die Leute auf einer künstlichen Piazza, die in  Rekordbauzeit geschaffen wurde. In der Region veröden die in Jahrzehnten, manchmal in Jahrhunderten gewachsenen Ortskerne. Es ist oft so, dass sich Initiativen und Vereine aus den Umlandgemeinden bemühen im Atrio einen Auftritt zu erhalten, weil sie hier mehr Leute aus dem Ort ansprechen können, als wenn sie im Heimatort auftreten würden. In den Ortschaften um Villach, in den Stadtteilen, haben sich die privaten Lebensmittelhändler und Fachgeschäfte, mit dem Entstehen der EKZ am Stadtrand verabschiedet. Sie haben schließen müssen, weil die Kaufkraft abgezogen wurde. Am Land beklagt man sich heute darüber, dass viele Fachgeschäfte aufgegeben haben, man müsse wegen jeder Kleinigkeit in die Stadt fahren. Eine selbsterfüllende Prophezeiung. In den Umlandgemeinden sind Ortsentwicklung, Dorferneuerung zusammengebrochen, weil Mitarbeiter, meistens waren es Menschen aus dem Handel, Gewerbe und Gastronomie, ausgestiegen sind. Es ist  ein Zeitenwandel, den man achselzuckend hinnimmt.

Tagebuch.

VER:laufen IV

Verlässt man in Venedig den markierten Weg ist die Gefahr groß, dass man sich verläuft. Dies kann dazu beitragen, dass man etwas Neues entdeckt, was für das Begreifen der Stadt förderlich ist. Dies können persönlich gestaltete Fenster von kleinen Werkstätten oder Mauernischen mit religiösen Motiven sein, die einen Blick in die Seele des Viertel gewähren.

Kann man sich auch im Leben verlaufen? Unsere Lebensläufe lehnen sich an die Routen der Eltern an, die an die Kinder weitergegeben wurden, der pädagogische Routenplaner. Bei den Routenplanern hat man die Wahl zwischen der schnellsten oder der kürzesten Route. Gleich bleiben der Abfahrtsort und der Zielort. Vor Jahrzehnten konnte man mit diesem oder jenem Schulabschluss den Einstieg in einen bestimmten Beruf und die vorgegebenen Aufstiegsmöglichkeiten planen.  Zuweilen wusste man bei Betriebseintritt in welcher Position man zum Berufsende in Pension gehen wird. Dabei hat es immer Aussteiger und Ausreißer gegeben. Heute wäre eine solche Lebensplanung absurd, das Schlagwort heißt Flexibilität. Immer flexibel sein bedeutet in steter Anspannung zu leben, den Augenblick nicht zu versäumen.

Da stellt sich die Frage, wann man sich eine Pause gönnen soll, wann braucht es die Flexibilität nicht mehr. Oft werden für das Alter, wenn man aus dem Berufsleben ausscheidet, Forderungen gestellt, dass man alles daran setzten soll um flexibel zu bleiben. Es geht darum, den Lebensfaden nicht zu verlieren. Meine Losung für die Pension heißt, so flexibel wie möglich und stabil wie notwendig.

Plexiglas.