Betritt man die Marienkirche in Bad Schönau zieht sofort das große Altarbild, „Das letzte Abendmahl“ die Aufmerksamkeit auf sich. Es füllt die ganze Breite des Altarraumes aus. Es ist eine aufgeregte Tischgesellschaft, welche das Essen schon hinter sich hat, aber von einer Nachricht erschüttert und getroffen ist. Einige Personen sind aufgestanden, zeigen mit der Hand nach jemandem und sind ratlos. Einige wenden sich Jesus zu, der gelassen, mit leicht ausgebreiteten Armen und mit nach oben gedrehten Handflächen, in der Mitte sitzt. Es ist der Moment danach, wo er seinen Jüngern mitgeteilt hat, dass einer von ihnen, ihn, für dreißig Silberlinge verraten wird. Seine Jünger wollen wissen, wer von ihnen es ist. Er weis, wer ihn verraten wird, trotzdem wird er an der Situation nichts ändern und den Verrat nicht vereiteln. Er sagt, dies muss geschehen, damit sich die Heilsgeschichte erfüllt. Gehört also Verrat zum Leben und zur Geschichte, geht es ohne Verrat nicht, wenn auch beim Plan Gottes der Verrat eingeplant ist?
In der Menschheitsgeschichte oder im persönlichen Leben wird der Verrat erst im Nachhinein erkannt. Julius Cäsar sagte, als er hinterrücks erstochen wird im Augenblick des Todes, „auch du Brutus“. Wo beginnt der Verrat in der eigenen Lebensgeschichte, der Verrat von Vater und Mutter, vom Bruder oder vom besten Freund. Am schmerzlichstem trifft es einen, wenn man vom Partner verraten wird. Bei niemandem öffnet man sich so weit, als wie beim Partner und Öffnung bedeutet verwundbar zu sein. Im Berufsalltag ist der Verrat an der Tagesordnung, er hat einen schönen Namen, das bessere Angebot oder der leistungsfähigere Mitarbeiter. In der Geschäftswelt wird gerechnet, da geht es nicht um Gefühle, Beziehungen oder Partnerschaft. Es geht um den Vorteil und ist dieser noch so klein. Jeder jagt jeden, man ist Gejagter und Jäger. Was man auf der einen Seite gewinnt, verliert man auf der anderen Seite. Am Ende des Weges kommt man ausgelaugt und ausgebrannt an.
Verraten werden.