Über schlagloch

Er hat es sich zur Aufgabe gemacht mehrmals die Woche eine kleine Studie zu verfassen und teilt dies per Weblog „schlagloch“ einer stetig wachsenden Internetgemeinde mit. Einzelne Leser treten auf der Internetplattform mit ihm auch in eine Diskussion über das Geschriebene ein. Vom Deutschen Literaturarchiv Marbach werden ausgewählte Online-Publikationen, so auch das Blog „schlagloch“ auf der Plattform Literatur-im-Netz langzeitarchiviert. Einige „Schlaglöcher„ hat er materialisiert und zu Büchern gemacht: Zeitenwandel (2009); Die Beobachtungen (2011); Bruchstellen (2015).

IN:vasion

Ich weiß, dass es geschehen ist, es kann aber gestern gewesen sein, oder auch vor fünf, ja sogar vor zehn Jahren. Nicht, dass ich mich nicht daran erinnern kann, nein, denn ich sehe es noch genau vor meinen Augen. Nur kann ich ihnen nicht sagen wann es geschehen ist, denn ich habe jeglichen Sinn für Zeit verloren. Sie werden dies schrecklich finden, aber ich habe mich daran gewöhnt, seit…..ich weiß nicht wann.

Ich, dass ist ein Herr nach der „Norm Acht“. Ich würde ihnen diesen Begriff, seine Bedeutung, seinen Zusammenhang gerne erklären, doch bin ich dazu nicht in der Lage, denn ich verfüge über keine Kenntnisse von der Art meines Staates. Wohl aber kann ich ihnen eine Beschreibung meines Äußeren geben: Fußlänge 80 cm, Rumpflänge 70 cm, Kopflänge 20 cm. Wann immer sie einen Mann mit solchen Maßen begegnen, dann wissen sie, dass er zu der Gruppe „Norm Acht“ gehört, vielleicht bin es sogar ich. Ich habe dies alles erzählt, damit sie das Folgende leichter verstehen können.

Es beginnt alles wie gewöhnlich, besser gesagt entsprechend der „Norm Acht“. Ich öffne die Augen, ohne es zu wollen. Über mir höre ich dauernd ein Geräusch von hohem, tiefem und schrillen Kratzen, ich glaube man prägte dafür das Wort Musik. Ich stehe auf, trete an das Waschbecken und lasse das Wasser über die Finger laufen. Es hört sich komisch an, dieses Gurgeln und Plätschern, und in diesem Moment werden in mir irgendwelche Reize berührt, die mich darin erinnern, selbst einmal solche Laute von mir gestoßen zu haben. Jetzt erkenne ich, ich weiß nicht, ob diese Erinnerung Stunden, Tage oder Jahre dauert, was mit mir geschehen ist. Ohne es ändern zu können, ohne es überhaupt ändern zu wollen, ja es erfüllt mich nicht  mit Traurigkeit, mein jetziges zeitloses Leben.

Ich beobachte mich als einen Mann, der einen dauernden Zeitlauf mit der Zeit betreibt, von einem Termin zum nächsten jagt. Bis zu jenem Zeitpunkt, als die „Zeitlosen“ die Erde überfallen. Ich weiß, dass dies geschehen ist, nur kann ich nicht sagen wann. Ich lebe nach diesen Erinnerungen weiter wie gewöhnlich, entsprechend der „Norm Acht“.

VOLKS:zeitung

Vor der Jahrtausendwende hat es in Kärnten außer der „Kleinen Zeitung“ und der „Kärntner Tageszeitung“ eine dritte regionale Tageszeitung gegeben, sie hieß „Volkszeitung“. Der Name klingt nach  Parteizeitung die sich auf das Volk beruft, wie in den ehemaligen kommunistischen Ländern des Ostblocks. Die Volkszeitung hatte eine bürgerliche und christliche Ausrichtung. Meine Kontakte zur Zeitung haben damit begonnen, als auf der Jugendseite meine erste Kurzgeschichte „Invasion“ veröffentlicht wurde. Der Jugendredakteur war auch der Fotograf der Zeitung und wechselte später als Kameramann zum Fernsehen.

Vor kurzem habe ich gelesen, dass ein anderer Zeitungskollege, H., in Spanien verstorben ist. Nach seiner Arbeit bei der VZ war er später Kriegsreporter für eine Wiener Tageszeitung und hat aus Vietnam, dem Nahen Osten und aus Südamerika berichtet. Er hat mich immer wieder eingeladen mit ihm, zu seinen Kriegseinsätzen, mitzureisen. Damals sind den Reportern die Kugeln noch um die Ohren gepfiffen.

Ein anderer Jugendfreund, E., ist vor einigen Jahren gestorben, er war Chefredakteur für ein Kleinformatblatt. Wir haben gemeinsam eine Internatsschule besucht. Er hat viel gelesen und hat zu denen gehört, die Bücher  spannend nacherzählen konnten. Ich habe auch gerne gelesen, allerdings keine Karl May Bücher und nicht so viele Bücher wie er. Trotzdem kenne ich einige Erzählungen von Karl May, weil E. sie uns im Schlafsaal, nachdem das Licht ausgeschaltet war und die Schritte des Präfekten verklungen waren, auf spannende Art nacherzählt hat. So bleibt er mir in Erinnerung.

Andenken.

HÄND:isch

Es  gibt kaum noch Bereiche wo nicht versucht wird zu automatisieren, sich zu spezialisieren. Es gab Zeiten, da konnte man nach dem Betreten des Warteraums beim Fahrkartenschalter eine Fahrkarte für eine Bahnfahrt lösen. Hinter einer Glasscheibe stand ein Herr in blauer Uniform und mit blauer Mütze und hat die Fahrkarte unter einer Glasscheibe durchgereicht.  Auf der Glasscheibe war ein Schild angebracht mit der Aufforderung: Einzeln vorzutreten, laut und deutlich zu sprechen. Heute steht in einer Ecke ein Fahrkartenautomat den man selbst bedienen muss. Beim Bankschalter ergeht es einem ähnlich, die Kontoauszüge erhält man beim Kontoauszugsdrucker und das Bargeld kann man beim Bankomat beheben. Die Bankomaten gibt es in Österreich seit dem Jahr  1989.   Damals hat man erwartet, dass man etwa ca. 600 Bankomaten brauchen wird, heute sind es in Österreich 2996  Bankomaten. 

Anderseits wird von den Kunden erwartet, dass man Vollautomaten im Betrieb hat, wie einen Kopierer, der die Dokumente automatisch einzieht  und diese nicht händisch eingelegt werden müssen. Da wird man dann gefragt, ob es notwendig ist, dass man dies händisch erledigen muss. Ist es ein  Zufall, dass man von der Evolution zwei Hände bekommen hat, eben um Arbeiten händisch zu erledigen.  So kann es vorkommen, dass die  Handgelenke und Schultergelenke durch die lange Arbeitszeit schmerzen.

Linkshänder.

GELI:modell

Es wird oft behauptet, dass ältere Menschen gerne von den früheren Zeiten schwärmen: “Damals war vieles besser”. Das sich in den letzten vierzig Jahren manches verändert hat, spürt man täglich beim Autofahren. In den größeren Städten gibt es am Morgen und am Abend den obligatorischen Stau, die Autofahrer sind zueinander oft rücksichtslos. Die wichtigsten Dinge für das tägliche Leben, wie Lebensmittel, Kleider oder Eisenwaren kaufte man früher beim Gemischtwarenhändler im Ort. Heute muss man in ein Einkaufszentrum oder in einen überdimensionierten Baumarkt fahren um ein paar Bilderhacken zu besorgen. Die große Auswahl bei den Lebensmittel, dabei ist es einerlei ob es sich dabei um Joghurt oder Käse, um Thunfisch oder Marmelade handelt, macht  das Einkaufen nicht leichter. Es schmeckt auch nicht besser, vielleicht war manches früher bei den Lebensmittel natürlicher, trotz der Werbung mit dem Slogan: „Ja natürlich“. Bei der Bekleidung gab es nicht alle Vierteljahr eine neue Mode. Die Kleider und Hosen konnte man  drei Jahre lang tragen. Das Freizeitverhalten der Jugend hat sich geändert. Wurden damals viele Spiele gemeinsam gespielt, so sind durch die elektronischen Spiele am PC und das Internet viele einsam geworden. Die Kinder verständigen sich über das Handy, jeder bleibt in seinem Zimmer. Mit zwei Fernsehprogrammen war man  zufriedener  als heute, wo man aus fünfzig Programmen wählen kann.

Das Nostalgie schon früh einsetzen kann, zeigte sich bei einem Gespräch mit einem dreißigjährigen Mann. Er wollte von mir wissen, ob es noch die Möglichkeit gibt, GELI – Flugzeugmodelle zu bestellen. Dies waren Bastelbögen von allen bekannten Zivil- und Militärflugzeugen, zum Ausschneiden und Zusammenkleben. Es war eine Geduldsarbeit, die mit schönen, maßstabgetreuen Modellen belohnt wurde. Die Bastelbögen erhielt man für wenige Schillinge, von 2,90 bis 24,90. In vielen Wohnzimmern konnte man ein GELI- Flugzeug auf dem Fernseher oder im Wohnzimmerschrank sehen. Er möchte jetzt, in seinen mittleren Jahren, wieder mit GELI Modellen basteln.

Wiedereinsteiger.

TABAK:genuss II

 Eine neue Bestimmung des Gesundheitsministerium verlangt, dass für Raucher und Nichtraucher in Gaststätten separate Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Wie als Schaufensterpuppe fühlt man sich, wenn man im Glascontainer, der von einem Café in einem Einkaufszentrum als Raucherzone angeboten wird, Platz genommen hat. Auf der Glastür klebt ein Schild:“ Rauchen gefährdet ihre Gesundheit und die Gesundheit ihrer Mitmenschen.“ Alle vorbeigehenden Shopper werfen einen Blick in den Glascontainer.

Schaden gelitten hat die Idee in einem Völkendorfer Café, den Besuchern Bücher zum Lesen anzubieten, durch die Trennung des Lokals in Raucher- und Nichtraucherzone. Die Bücher befinden sich in der Raucherzone, die durch eine Glastür vom übrigen Lokal abgetrennt wurde, die Nichtraucher sind vom Bücherentleihen ausgesperrt. Bei den österreichischen Bundesbahnen gibt es nur mehr Nichtraucherabteile. Vor Jahren war es möglich, waren in den Nichtraucherabteilen alle Plätze besetzt, dass man in die Raucherabteile ausweichen konnte. Dort gab es meistens noch freie Plätze.

In der Auslage.