PAPIER:müll

Von traditionsreichen Firmen, die über Jahrhunderte Bestand haben, kennen wir in Museen die handschriftlich geführten Journale und Geschäftsbücher, wo genaue Aufzeichnungen geführt wurden: Was wem, wann, verkauft wurde und wie bezahlt wurde, ebenso was von wem, wann, eingekauft wurde. Strenger gehandhabt wurden diese Aufzeichnungen bei den  Geldverleiher. In der Schifffahrt wurde in den Bordbüchern jede Fracht und alle Vorkommnisse vermerkt. Irgendwann muss jemand dafür Verständnis aufgebracht haben, dass Geschäftsunterlagen, die Finanzbuchhaltung nicht für immer aufgehoben werden muss. Hätte es damals schon die sieben Jahresfrist gegeben, wären diese Aufzeichnungen nicht mehr vorhanden.  

Dieses Jahr können die Buchhaltungsunterlagen aus dem Jahre 2002 in die Papiermülltonne gegeben werden. Dabei sieht man, dass manche Firma nicht mehr existiert oder das man keinen geschäftlichen Kontakt mehr hat. Solche Veränderungen passieren schon in sieben Jahren, wie vieles wird sich in siebzig Jahren ändern? Hinter diesen Papieren versteckt sich viel Arbeit: Bestellungen, Lieferungen, Auspacken und Einräumen. Viele Verkaufsgespräche mit den Kunden. Jetzt kommt alles in den Müll, auch die Erinnerungen.

Insiderwissen.  

FABRIKS:verkauf

In wirtschaftlich turbulenten Zeiten verbindet man mit dem Wort Fabriksverkauf die Vorstellung, dass eine Fabrik von der Konkurrenz übernommen wird. Es kann aber auch sein, dass Waren direkt ab Fabrik an die Konsumenten verkauft werden. Bei Jahrmärkten und Stadtfesten  wird mit einer Plane „Fabriksverkauf“ auf eine günstige Einkaufsmöglichkeit aufmerksam gemacht.Viele Menschen sehen darin eine Möglichkeit den  Erwerb einer leicht beschädigten Ware zu einem reduziertem Preis. Nicht selten gibt es Fabriksverkäufe, obwohl am Standort nicht mehr produziert wird. Während meiner Zeit als Schuhfacharbeiter bei der Firma Gabor in Spittal/Dr. war am Standort ein Verkaufsladen. Dort wurden Schuhe mit leichten Lack- oder Lederfehlern preiswert angeboten.Vor einem Jahr wurde die allgemeine Produktion eingestellt, die Fabrikshallen stehen leer. Es werden noch die Prototypen der jeweils neuen Kollektion produziert, bis Jahresende. Den Fabriksverkauf gibt es noch.

Bei einer anderen Firma habe ich die Fabrikshalle betreten und erwartet, dass ich Arbeiter und laufende Maschinen vorfinden werde. Die Produktionshalle war menschenleer, am Rand standen ein paar verstaubte Maschinen. In einer  Ecke  habe ich eine Arbeiterin angetroffen. Neben ihr standen mehrere Paletten mit Schultaschen, hergestellt in Taiwan.Von ihr wurde das Firmenschild vorne in die Taschen geschoben. Den Fabriksverkauf gibt es noch. Der Ort San Daniele  in Friaul ist für seinen zarten Schinken, Prosciutto, bekannt. Der luftgereifte Schinken hat seinen Preis. Die Nachfrage nach dem Schinken ist so groß, dass es unmöglich ist, in Friaul so viele Schweine zu mästen, wie für die Produktion notwendig wäre. So werden aus Holland und Polen Schweine importiert und in San Daniele zum Schinken verarbeitet, besser gesagt, herangereift.

Original und  Kopie.

ZUG:reise

Lese ich während einer Bahnfahrt in der Zeitung von schrecklichen Schicksalen, dann  lasse ich von der Zeitung ab. Ich unterhalte  mich mit den Reisenden, dabei kommt man zum Thema Verreisen und  Fliegen. Da komme ich mit meiner Bodenständigkeit und meiner Vorliebe für das Zugfahren nur am Rande vor. Ich schaue auf die kleinen Dinge, die sich im Zugabteil abspielen. Gerade gibt es im Bahnhof Chiemsee vom Zugbegleiter eine Durchsage, dass die Reisenden nach München den Regionalzug benützen sollen, da der EC-Zug restlos überfüllt ist. Am Eingang zum Zugabteil sitzen manche am Boden, überall stapelt sich das Reisegepäck und ein Kinderwagen muss auch noch Platz haben. Wie sich die Reisenden im übervollen Zug verhalten ist ganz unterschiedlich. Die einen schlafen, verschlafen sozusagen die Überfüllung, ihnen bringt man am meisten Respekt und Zurückhaltung entgegen. Andere packen den Laptop aus und brechen zu einer virtuellen Reise auf oder haben die Kopfhörer vom IPod im Ohr. Manche drängen sich durch die stehenden Leute, auf der Suche nach dem Rest der Familie. Kinder spielen am Boden ein Würfelspiel und die Würfel rollen immer wieder unter die Sitze. Ein dunkelhäutiges Mädchen „läuft“ mit dem Zug mit, sie läuft im Abteil am Stand und ist der Meinung, dass wenn sie zum Laufen aufhört, der Zug zum Stillstand kommt. Am Kopf fängt sie an zu schwitzen, dann gibt sie auf und verlangt ihre Haribogummis. Der grau melierte Herr im hellen Anzug vertieft sich in ein Piper Taschenbuch. Die ständig vorbeidrängenden Passanten zwingen ihn zum Aufgeben und er legt das TB zur Seite, verschränkt seine Arme und schaut dem Treiben zu. Ein Mädel und ein Bub haben auf dem Schoß eine Obststeige, die sie zu einem Transportbehälter für zwei Zwerghasen umfunktioniert haben. Die vielen verschiedenen Handyklingeltöne ergeben ein eigenwilliges Konzert. Inmitten dieser Unrast sitzen zwei Ehepaare und haben ein Sechsertragerl Löwenbräu auf der Ablage stehen, lesen und kommentieren gemeinsam die Bild Zeitung. Andere schauen argwöhnisch, wenn sich neben sie jemand hinsetzt.

Nerven sparen, Bahn fahren.

KUNST:kosmos

In diesem Jahr gedenken wir des fünfzigsten Todestages von Albert Camus, er ist im siebenundvierzigsten Lebensjahr bei einem Autounfall gestorben. In einer Tagebucheintragung schrieb er: „In fünfundzwanzig Jahren bin ich siebenundfünfzig Jahre alt und trotzdem vergeude ich meine Zeit mit Nichtigkeiten“. Zu diesem Zeitpunkt wusste er nicht, dass sein Leben um zehn Jahre kürzer sein wird. Mit „Nichtigkeiten“  meinte er wahrscheinlich die Alltäglichkeiten des Lebens, die ihm viel von der Zeit zum Schreiben geraubt haben. Diese Feststellung werden andere schöpferische oder wissenschaftlich tätige Menschen auch machen. Sie wirft eine Reihe von Fragen auf: Wie entledigt man sich der Alltäglichkeiten, wie viel Kontakt braucht es zu den Familienmitgliedern und anderen Menschen. Geht die Fantasie verloren, wenn man sich von den Mitmenschen völlig isoliert, sind Künstler überhaupt beziehungsfähig? Besteht das Glück darin, sich in einem Kosmos von verständnisvollen Menschen zu bewegen.

Schreibzimmer.      

PLATZ:karte

Um eine Veranstaltung zu besuchen braucht es eine Eintrittskarte, dabei stellt sich die Frage, welchen Platz soll man nehmen. Sind die Plätze nummeriert, dann ist mit dem Kartenkauf die Entscheidung gefallen und nicht mehr veränderbar. Meistens möchte man, kommt man den Saal, den Platz noch tauschen. Schwieriger ist es bei der freien Platzwahl. Jeder hat seine Vorlieben. Manche sitzen gerne vorne bei der Bühne, andere lieber in der Mitte, auf der rechten Seite, andere links. Oft will man den Platz noch einmal wechseln, weil sich die Sichtverhältnisse durch neu hinzukommende Besucher verändert haben. Bei mir ist es schon vorgekommen, dass ich den Platz zwei- bis dreimal gewechselt habe, bis die Partnerin sich geweigert hat, noch einmal hin- und herzuwandern. Ausdauer zeige ich auch, wenn es um den Bezug eines Hotelzimmers geht, in den seltenen Fällen gefällt mir das zugewiesene Zimmer. Ein Zweites anzuschauen gehört zum Alltag. Es gibt auch Situationen, dass kein anderes Zimmer frei ist, dann hat das Zugeteilte zu passen. Leichter ist es im Parkcafé, dort weis ich, wo ich in Ruhe die Zeitung lesen und meine Notizen schreiben kann und dabei trotzdem die Menschen beobachten.

Zur schönen Aussicht.