KATZEN:tod

Besucht man dieselbe Stadt  in Abständen von ein paar Jahren , dann bemerkt man Veränderungen. Dies kann die Installierung einer Fußgeherzone sein, neue Verkehrsregelungen, die Renovierung von Fassaden. Es kann einen Museumsneubau geben, die Errichtung eines Schwimmbades oder Freizeitzentrums. Die Eröffnung eines Einkaufszentrums, dieses nimmt den Status eines historischen Gebäudes ein.

Beim Besuch der „Biennale di Venezia” in Venedig zeigt sich vieles unverändert, das Plätschern der Lagune, die drängenden Touristen, die übervollen Vaporetto und die Luxusjachten am Ende des Canale Grande. Etwas hat sich verändert, es gibt  auf den Plätzen und in den Parks von Venedig keine streunenden Katzen mehr. Vor Jahren gab es davon viele. Dieses Jahr sieht man nur vereinzelt eine Katze. Sie kommen mit erhobenem Haupt und einem stolzen Blick daher, sie sind die Überlebenden einer Säuberungsaktion, eines Planquadrat „Katzentod”. Folgt man nicht dem Touristenpfad von der Piazza Roma zur Rialtobrücke, weiter zum Markusplatz und zum Biennalegelände, sondern wählt einen Weg abseits, dann kann man eine Entdeckung machen.

In der Nähe des Platzes „Campo Santa Maria Formosa” liegt der Eingang zum „Bookshop in the World”, bewacht von zwei Katzen. Sie lassen sich durch die vorbei-gehenden Menschen in ihrer Nachmittagsruhe nicht stören.  Als ich näherkomme, laufen sie nicht davon.  Sie können  Bücherliebhaber und Markus-Platztouristen  an ihrem Duft unterscheiden.  Im Eingangsbereich stehen Postkartenständer, Stadtpläne,  Bildbände und Reiseführer von Venedig in allen Sprachen und Kalender für 2010. Kalender, mit Fotos von der Stadt, Kunstkalender, Kalender mit Porträts von den Gondoliere und Kalender mit Fotos von den Priestern der Stadt. Eine Anregung einmal im Monat den Pfarrer zu wechseln. Ich betrete den Laden, dort türmen sich auf den Tischen und in den Regalen die Bücher, bevorzugt wird die horizontale Lagerung der Bücher. Hier findet man seltene Literatur zur Geschichte der Stadt, Atlanten, historische Reisebücher und Landkarten. Bildbände von den Sehenswürdigkeiten, den Malereien und Kunstschätzen in den Kirchen. Wissenschaftliche Werke zur Anatomie und Mechanik, klassische Literatur. Ein Schild mit dem Hinweis „Neuheiten” konnte ich nicht entdecken. Den Mittelraum des Geschäftslokales füllt ein Ruderboot von etwa zehn Meter Länge aus, vollgefüllt mit Büchern. Im hinteren Teil sitzt, durch Bücherstapel vor neugierigen Blicken geschützt, ein freundlicher Herr. Mit dem Hinweis, dass ich ein Kollege bin, kommen wir in das Gespräch.

 Frizzo Luigi, der Inhaber der Buchhandlung, spricht ein wenig deutsch, und sagt stolz, dass Donna Leon, von ihm eine Bekannte sei. Meiner Bitte, von ihm ein Foto zu machen, stimmt er gerne zu. Persönlich führt er mich in den zweiten Verkaufsraum, dort ist die Hintertür offen und das Wasser vom Kanal plätschert an der Türschwelle vorbei.

 Auch in diesem Raum stapeln sich die Bücher bis zur Decke und in der Mitte das „Bücher-schiff”. Gibt es „Acqua alta”, dann könnte sich die Lagerung der Bücher in einem Ruderboot als Vorteil  erweisen.

Der Tod in Venedig.

MÜLL.plan

Nach einem Stadtbummel durch Rijeka habe ich beim Warten auf den Autobus, der in der Nähe vom Hafen abfährt, eine überraschende Beobachtung gemacht. Mit schnellen Schritten nähert sich dem Hafengelände ein kleinwüchsiges Paar, beide tragen eine Mütze auf dem Kopf und haben einen Spazierstock in der Hand. Die Frau ist schlank, der Herr korpulent und trägt einen schwarzen Müllsack. Zielgerichtet steuern sie die Müllinseln an, öffnen die Müllcontainer und verschaffen sich mit dem Spazierstock einen Überblick über den Inhalt. Gekonnt holen sie die Pfandflaschen aus dem Müll und geben sie in ihren Müllsack. In wenigen Minuten ist eine Müllinsel durchsucht und raschen Schrittes geht es zur Nächsten. Das Paar macht einen ordentlichen, einen sauberen Eindruck und zeigt ein fröhliches Gesicht. Sie haben meine Sympathie, weil sie selbst etwas zu ihren Lebensunterhalt beitragen und sich nicht auf die Fürsorge des Staates verlassen.

Diese Beobachtung erinnert mich an eine Busreise nach Venedig, bei der  wir vom Reiseleiter einen Stadtplan bekommen haben, indem eine Unmenge von grünen Punkten eingezeichnet war. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass  in Venedig die Sehenswürdigkeiten so dicht beisammen sind. Bei näherem Studium des Planes stellten wir fest, dass dieser Plan eine Ausgabe vom Umweltamt war und dass die grünen Punkte die Standorte von öffentlichen Müllkörben waren.

Im Mülllabyrinth.    

VER:wandlung

Von den christlichen Kirchen wird gelehrt, dass mit dem Glauben an die leibliche Auferstehung Jesus, dies bedeutet auch die leibliche Auferstehung für jeden von uns, die christliche Lehre fällt und steht. Nach dem Tod, auferstehen als Fleisch und Blut. Zu dieser Jahreszeit können wir uns an vielen farbenfrohen Schmetterlingen erfreuen. Sie haben sich, nach meinem Geschmack, von einer unansehnlichen Raupe in einen bunten Schmetterling verwandelt. Sind wir eine Raupe, ein unvollkommenes Abbild Gottes und werden durch die Auferstehung zu einem vollkommenen Menschen. Was für die Schmetterlinge gilt, müsste auch für die Menschen gelten.     

 

Gleiches Recht für alle.

VITAL:kirche

 „Von der Volkskirche zur Individualkirche” bezeichnete Dr. Peter Deibler seinen Vortrag. Bei dem Wort Individualkirche ist mir der heutige Mensch eingefallen mit seinen persönlichen Bedürfnissen. Egal, welchen Bereich man heranzieht, dort, wo man es sich leisten kann, geht es um die Individualität. Das fängt beim Essen an, Bioessen, Vitalessen oder Schlemmermenü, betrifft die Kleidung, jedem sein Designermodell. Ein neues Auto mit individueller Ausstattung, auf die Fahrgewohnheiten des Käufers abgestimmt. Die medizinische Forschung verspricht für die Zu-kunft Medikamente, die ganz spezifisch auf die Schwingungen jedes Einzelnen und seine Beschwerden wirken.  

Die Individualkirche stelle ich mir so vor, dass sie für jeden ein persön-liches, maßgeschneidertes Angebot bietet, je nach Lebensverlauf. Für die verschiedenen Lebensläufe sowie für die verschiedenen Berufe, wie Tischler, Automechanikerin oder Verkäufer. Es gibt unterschiedliche Persönlichkeiten und Hobbys, wie Läufer, Musiker, Imker oder Feuer-wehrmann, mit unterschiedlichen Sorgen und Freuden. Die Menschen haben verschiedene Gesichter, so könnte man für jeden von Gott ein ein-zigartiges Profil erstellen. Für verschiedene Volksschichten eine unter-scheidbare Kirche, für die Jugend eine rockige Kirche, für junge Eltern eine Kirche, die anpackt, für die Senioren eine vertrauenswürdige, eine bodenständige Kirche.

Dazu ein Softwareprogramm für den PC, das für den Einzelnen zu seinen Angaben eine maßgeschneiderte Auslegung der Bibel liefert. Jedem seinen persönlichen Glauben, wie seine persönliche E-Mail-Adresse.

Die Breitbandinitiative.

BLÄTTER:rauschen

Zu den Annehmlichkeiten eines Kuraufenthaltes gehört die Zeit zwischen den Kuranwendungen. Die Therapien sind nicht immer angenehm, in vielen Fällen sind sie anstrengend. Die Zeit zwischen den Anwendungen kann man sich mit dem Lesen von Tageszeitungen vertreiben. Die Kurorte im Gasteinertal verfügen über einen Lesesaal, wo eine Reihe von deutschsprachigen Tageszeitungen angeboten werden. Hier liegen Schundzeitungen und Schwundzeitungen nebeneinander, es ist eine geistige Dialysestation. Im Lesesaal rauscht es, wie das Laub im Herbst. Dazu kommt das Rauschen der Entlüftung, gleich der am WC. Manche verbinden das Lesen einer Tageszeitung mit dem Trinken von einer Tasse Kaffee. Der Lesesaal verhält sich zu einem Café wie ein Klinikspeisesaal zu einem Gourmetrestaurant. Vor dem Fenster spielt eine hochgewachsene Dame auf einer Flöte. In der Zeitung habe ich vom digitalen Buch gelesen, vom Rascheln beim Seiten umblättern zum geräuschlosen digitalen Umblättern. Oft finden sich in verschiedenen Zeitungen dieselben Nachrichten, wessen Meinung zählt? Plötzlich ist man eingenickt.

 

Vom Lesesaal zum Schlafsaal.