AUF:räumen

Der Winter hat sich in unseren Breiten aus den Tälern zurückgezogen. Im Schatten sind an den Straßenrändern noch Schneereste anzutreffen. Grauschwarz von den Autoabgasen und daneben liegen Abfälle, die sich in den letzten Monaten angesammelt haben, und die bis jetzt vom Schnee zugedeckt wurden. Hier finden sich : Bierdosen, Coladosen, alte Zeitungen, Taschentücher, Konservendosen, leere Zigarettenschachteln oder die Verpackung von Mannerschnitten. In den Ortschaften ist der Schnee am Straßenrand unansehnlich.

 

Bei meiner Fahrt zur Arbeit zeigen sich die fernen Berggipfel schneeweiß. Es ist die Zeit des Sonnenaufgangs und die Berge strahlen wie frisch polierte Zähne. Hoch oben soll der Schnee noch reinweiß sein, ich selbst bewege mich nicht in diesen Höhen. Extrembergsteiger berichten, dass auch in Höhen von dreitausend oder fünftausend Metern, der Schnee, das Eis, verschmutzt ist. In diesen Einsamen, Menschenabweisenden, Menschenabwerfenden Höhen sammelt sich der Müll, es gibt Mülldeponien. Bei uns gibt es den Frühjahrsputz, neben der Straße, im Haus und im Garten. In diesen extremen Höhen ist dies schon technisch und menschlich kaum möglich.

 

Wir sind zweigeteilt, wir schreiben über die Schönheit des Schnees, des Winters, andererseits verschmutzen wir die Umwelt, die Berge. Wir richten beim Schreiben unseren Blick öfter auf die schmutzigen Seiten des Lebens, als auf die Schönen. Egal ob in Zeitungen, Zeitschriften oder anderen Medien. Antonin Artaud hat geschrieben: „Alles, was ihr für meine großen Texte hält, sind die Ausscheidungen meines Körpers.“

 

Müllentsorgung.

     

BERUF:ung

Im zweiten Schulhalbjahr müssen sich viele Jugendliche entscheiden, welchen Beruf sie erlernen möchten. Die größere Frage ist, wo gibt es dafür eine freie Lehrstelle. Man beginnt mit der Lehrstellensuche und viele Bewerbungen sind notwendig. War es früher ein formloses Gespräch, so erwarten sich heute die Firmen eine Bewerbungsmappe mit ausführlichen Unterlagen. Blaise Pascal sagte: „Das Wichtigste im Leben ist die Wahl eines Berufes. Der Zufall entscheidet darüber“.

Pascal hat recht. Ich wünschte mir einen Beruf, der etwas mit Büchern zu tun hat. Trotz Suche fanden wir keine Lehrstelle. Als Ersatz sollte ich mich in einer Elektromotorenwicklerei vorstellen. Auf dem Weg zur Vorstellung sahen wir, Vater und ich, im Schaufenster einer Buchhandlung in der Bahnhofstraße in Spittal/Dr. ein Plakat: “Lehrmädchen wird aufgenommen”. Wir sind in das Geschäft gegangen und haben gefragt, ob es auch ein Bursche sein kann. Es war möglich. Die Zeit für die “Berufung” kommt vielleicht noch, die Rufe sind vorhanden.

Das Echo.

20:prozent

Ein Büroartikelhersteller macht damit Reklame, dass man durch die neue Hebelmechanik bei den Ordnern, beim Ablegen der Papiere um zwanzig Prozent schneller ist. Eine aufschlussreiche Studie wäre, wie viel Zeit ein durchschnittlicher Mensch mit dem Einordnen von Schriftstücken verbringt. Für Leute, welche in der in der Verwaltung, im Büro, arbeiten, wird dies von Interesse sein. Ich frage mich, welchen Vorteil wir aus dieser 20-prozentigen Zeitersparnis haben. Ist dies schon ein menschlicher Fortschritt, wenn etwas schneller geht. Die Beschleunigung im Herstellungsbereich hat einerseits zu einer Überproduktion geführt, anderseits zu einer Verbilligung der Waren. Die Beschleunigung am Arbeitsplatz, im Straßenverkehr oder in der Freizeit, hat auch dazu geführt, dass viele überfordert, nervös und depressiv sind. Die stärkste Beschleunigung haben wir in der Fortbewegung. Hat man früher Besorgungen in der Stadt, die zehn Kilometer weit entfernt war, zu Fuß erledigt, so geschieht dies heute mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Auto. Haben wir jetzt deshalb mehr Zeit? Eher weniger, weil wir uns neue Aufgaben aufgeladen haben. Genauso wenig trägt die so gewonnene Zeit zu unserem Glück bei. Die meisten beklagen sich darüber, dass sie zu wenig Zeit haben.

 

Mit Antritt der Pension schmilzt die Zeit wie ein Eiswürfel auf der Hand dahin. Der Verlust der Zeit schmerzt genauso, wie sich der Eiswürfel kalt anfühlt.

 

Entschleunigung.

 

ATEM:holen

Unsere Gesellschaft wird immer spezialisierter, sie stellt immer höhere Ansprüche, besonders im Gesundheitsbereich. Wir kommen mit neuen Beschwerden zum Arzt, dies verlangt neue Behandlungsmethoden. Im psychosomatischen Bereich probiert man verschiedene alte Erfahrungen aus, um zu helfen. Eine dieser Aktivitäten ist das Atmen. Seit es Menschen gibt das Natürlichste der Welt. Ohne Atem kein Leben, so wird dem Atem göttliche Kraft zugesprochen. In der Meditation und im Yoga gibt es eigene Atemübungen. 

Wir kommen heute schnell außer Atem, vergessen zu Atmen oder haben einen zu kurzem Atem. Viele wünschen sich mehr Platz zum Atmen. Der Tagesplan ist so voll, dass man nicht zum Atmen kommt. Auch in der  Freizeit oder im Urlaub plant man viel zu viele Aktivitäten und man kommt nicht zum Durchatmen. Vieles wird im Laufe eines Lebens eingeatmet, Staub, Industrie- und Autoabgase, Zigarettenrauch oder den Zorn des Nächsten. Es ist nicht verwunderlich, dass sich die Lunge zur Wehr setzt, uns zu schaffen macht. Die größeren Schwierigkeiten haben wir beim Ausatmen. Die Ausatmung ist flach und ungenügend, es bleiben viele Schadstoffe in der Lunge und die Lunge versumpft. Um die Lunge trockenzulegen braucht es einen Atemtherapeuten. 

Außer Atem.

SIEBEN:undsiebzig

Es besteht die Gefahr, dass man die heutigen Ereignisse aus der Sicht, wie man sie selbst vor dreißig Jahren erlebt hat, beurteilt. Optimismus wird als ein Vorrecht der Jugend gesehen. Mit zunehmendem Alter kann man nicht mit so viel Schwung und Energie an die Aufgaben herangehen, als wie vor Jahren. Die wenigsten sind körperlich so fit, dass sie sagen können, sie sind mit siebzig besser in Form als mit vierzig. Gerade bei kleinen Handels- und Gewerbebetrieben trifft es zu, dass die InhaberInn über das Pensionsalter hinaus im Betrieb sind. Viele verschieben ihren Pensionsantritt um Jahre, der Betrieb ist ihr zweites Zuhause, ihr Lebenswerk. Man fühlt sich vital genug, um weiterzuarbeiten. Dabei übersieht man, dass es mit den Jahren ab sechzig, fünfundsechzig, oder siebzig immer beschwerlicher wird, im Arbeitsalltag Schritt zu halten. Nach sechzig melden sich manchmal Krankheiten, die man bis dahin gut unter Kontrolle hatte oder kaum gespürt hat. Oft ist auch niemand da, der das Lebenswerk weiter führen will oder kann.

 

Ich habe einen Gutschein für einen Friseurbesuch gekauft, der bis zum Jahre 2015 gültig ist. Die Friseurmeisterin wird dann siebenundsiebzig Jahre alt sein. Ob sie dann noch Haarschneiden wird? Beim Besuch einer Kollegin wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass die Chefin nicht hier sei, aber doch da ist. Im Büro erlebte ich, dass der körperliche Zustand der Kollegin schlecht war. Ihr Gesicht war eingefallen, bleich, sie hustete und konnte kaum stehen. Die Kollegin ist über siebzig Jahre alt. Bei diesen Beschwerden hätte ich mich geweigert, in den Betrieb zu gehen. Ich hätte mir zwei bis drei Tage Bettruhe gegönnt.

 

Der Betrieb geht vor.