Über schlagloch

Er hat es sich zur Aufgabe gemacht mehrmals die Woche eine kleine Studie zu verfassen und teilt dies per Weblog „schlagloch“ einer stetig wachsenden Internetgemeinde mit. Einzelne Leser treten auf der Internetplattform mit ihm auch in eine Diskussion über das Geschriebene ein. Vom Deutschen Literaturarchiv Marbach werden ausgewählte Online-Publikationen, so auch das Blog „schlagloch“ auf der Plattform Literatur-im-Netz langzeitarchiviert. Einige „Schlaglöcher„ hat er materialisiert und zu Büchern gemacht: Zeitenwandel (2009); Die Beobachtungen (2011); Bruchstellen (2015).

E:mobil

Der Gesundheitszustand erlaubt es nicht immer, dass ältere Leute, dabei denkt man heute an über Siebzigjährige, noch Fahrradfahren können. Eine Alternative dafür sehen jetzt viele in einem Elektrofahrrad.  Dieses bietet Unterstützung wenn es eine Steigung zu bewältigen gibt oder bei Ermüdung. Der Ankauf eines Elektrofahrrades wird von der Landesregierung unterstützt. Frauen sind  beim Kauf eines Elektrofahrrades wählerisch, es soll elegant wie ein trendiges Citybike sein, man soll von der Batterie und vom Antrieb nichts sehen. Man will sich keine Blöße geben und keine Zweifel an der eigenen Sportlichkeit aufkommen lassen. Das man mit siebzig oder achtzig noch genauso  fit und leistungsfähig ist wie mit vierzig oder fünfzig, zählt zu den Mythen unserer Gesellschaft. Bei einer Familienfeier oder bei einem Verwandtenbesuch will man seine Fitness unter Beweis stellen. Dies gilt auch, wenn man bei der Betreuung der Enkel zur Stelle ist oder den Kindern bei der Wohnungsrenovierung hilft. Die wenigsten machen die Kinder darauf aufmerksam, dass man gerne einen halben Tag hilft, aber nicht mehr, weil man nicht mehr so kann. Einen anderen  Beweis legt man in späteren Jahren den Bekannten gerne vor, dass ist der Befund von der Vorsorgeuntersuchung beim Internisten. Sozusagen das Pickerl, wie in Österreich die KFZ Überprüfung heißt. Kaum jemand der nicht gesagt hätte, dass er völlig gesund ist, dabei aber täglich sechs Tabletten einnehmen muss.

Nicht viel Zustimmung finden über Achtzigjährige die noch mit dem Auto unterwegs sind, wenn auch nur im Nahverkehr. Bei einem Bekanntenbesuch in der Steiermark ist ein Nachbar, ein älterer Herr mit seinem neuem Renault Clio, vorgefahren. Die Bekannten haben mich aufgefordert das Alter des Nachbarn zu schätzen, ich habe auf Mitte Siebzig getippt. Der Herr war siebenundachtzig Jahre alt und hat sich mit dem Einwand bemerkbar gemacht: „Jetzt, wo die Kraft seiner Füße nachlässt und er nicht mehr so gut gehen kann, hat er sich ein neues Auto gekauft“.

Sag niemals nie.  

BEFREI:ung

Eugen Drewermann, der von der katholischen Kirche seiner Ämter und Weihen enthoben wurde, hat in einem ORF Gespräch mit seinen Aussagen für orientierungslose oder verunsicherte Gläubige Hoffnung verbreitet. Als profunder Kenner der Heiligen Schrift und der menschlichen Seele sind seine mahnenden Aussagen überdenkenswert. Seine Schlüsselsätze lauten: Das Jesus keine Kirche als Institution wollte, er wollte die Angst der Menschen lindern. Die Angst vor dem Leben hier auf Erden und die Angst davor, was nach dem Tod sein wird. Er sieht in der Priesterelite eine Barriere zwischen Mensch und Gott. Gott will sich nicht in Rundbriefen verwirklicht sehen, sondern im Leben jedes Einzelnen. Die Priesterkaste war schon bei den Azteken und Ägypter eine Herrschaftsklasse. Sie benützt als Druckmittel das Jüngste Gericht.

 Die Bevölkerung ist früher durch die Feiern im Jahreskreislauf eine Zweckgemeinschaft mit der Kirche eingegangen. Man hat den Himmel durch den sonntäglichen Kirchgang geschenkt bekommen. Die veränderte Gesellschaft bedarf dieser Zweckgemeinschaft nicht mehr, sie kann sich in allen Bereichen Teile holen, sozusagen Lebensabschnittsglaube. Für die Jugend, für die keine Planung mehr möglich ist, nicht für zehn, nicht für zwanzig Jahre. Dies trifft auf den Beruf, die Partnerschaft und auf den Glauben zu. Sind die Pflichttermine, wie Erstkommunion oder Firmung vorbei, ist es auch oft mit dem Kirchenbesuch vorbei. Bei Lebenskrisen wird dem einzelnen Menschen nicht die Möglichkeit angeboten die Umstände zu ändern, sondern als Alternative „zu Glauben“. Zum Sonntag müsste es eine Alternative geben. Gottfindung kann auf vielen Wegen stattfinden, nicht nur in der Institution Kirche. Vor der Bestrafung der Sünde gehen die meisten Ängste aus.

Erbsünde

FROH:botschaft

Vor kurzem bin ich mit dem Fahrrad an der Villacher Stadthalle vorbei geradelt und sah wie aus mehreren Seitenstraßen, Frauen und Männer, Mädchen und Burschen, in allen Altersstufen, auf den Eingang der Stadthalle zuströmten. Am meisten aufgefallen ist mir, dass sie in farbenfrohen Kleidern, gut gelaunt und mit einem heiteren Gesicht unterwegs waren. Auf dem Gehsteig begrüßten sich kleine Gruppen herzlichst untereinander, und redeten angeregt miteinander. Für mich, einen Außenstehenden, der zufällig vorbeigekommenen ist, war ersichtlich, dass diese Menschen von etwas begeistert sind, das ihnen Lebensmut gibt. Ich hatte das Gefühl, das dies ansteckend sein kann, dass sie  in der Stadthalle eine frohe Botschaft erwartet. Wie ich erfahren habe hielten an diesem Wochenende die „Zeugen Jehovas“ ihren Jahreskongress ab. 

In der Nähe der katholischen Kirchen vermisse ich am Sonntag, dass junge und ältere Menschen gemeinsam, mit Heiterkeit auf die Kirche zuströmen. Man nähert sich der Kirche mit einem ernsten Gesicht, mit Andacht, in sich gekehrt. Uns Christen konfrontiert man zuerst mit der Sünde, mit allem was wir falsch machen, an dem wir scheitern. Soll uns etwas Hoffnung machen, dann erreichen wir dies nur durch Reue, Askese und  Verzicht. Die Glückseligkeit muss uns schwerfallen, muss schmerzhaft sein. Der Ablauf der  Messliturgie wird dramatisiert, wirkt fast bedrohlich. Mit ernsten Gesicht folgen die Kirchenbesuchern, in den zumeist schlecht ausgeleuchteten, düsteren Kirchen dem Ablauf der Handlung, nie kommt Fröhlichkeit auf. Auch das Liedgut ist durchzogen von Opfer und Schmerz. Manchmal frage ich mich, ob ich bei der richtigen Glaubensgemeinschaft bin, oder kommen die Signale, die sie aussendet bei mir falsch an.

 Aus heiterem Himmel.

TRACHTEN:paar

Die Norditaliener, vorwiegend Leute aus dem Raum Udine,Triest, Padua und Venedig sind willkommene Gäste in den Grenzorten von Kärnten. Die  Veranstaltungen in Villach, Klagenfurt oder am Wörthersee sind die Zugpferde dafür. Dazu zählen die Weihnachtsmärkte, der Jahreswechsel und die Faschingsumzüge. Im Sommer ist der Villacher Kirchtag, mit seinem großen Trachtenumzug, ein besonderer Anziehungspunkt. Die Friulaner lieben alles was mit Trachten und Musik zusammenhängt und haben eine Vorliebe für das Villacher Bier. Der Villacher Kirchtag fällt in die Zeit der Ferragosta, der traditionellen Ferienzeit in Italien. In dieser Zeit haben  viele Geschäfte, Handwerksbetriebe und Firmen geschlossen. Ein Kurzurlaub in Kärnten ist auch eine Möglichkeit den zumeist schwülen Temperaturen im Hinterland von Venedig zu entkommen. Während dieser Zeit können sich die Gasthöfe in Grenznähe auf brave Esser freuen. Die Italiener sind als Gäste beliebt, weil sie sich Zeit für das Essen nehmen. Bei ihnen steht das Wienerschnitzel und dazu ein großes Bier ganz oben auf der Wunschliste. In Italien sind  Fleischspeisen und Bier vergleichsweise teurer.  Jene Gasthöfe, die ein großes Schnitzel zu einem günstigen Preis anbieten, haben den meisten Zulauf. So bezeichnen sich Gasthöfe als  „Schnitzelkönig“, andere sagen von sich, bei ihnen gibt es die größten und knusprigsten Wienerschnitzel. Wer es noch größer haben will bestellt eine Grillplatte für zwei Personen. Daran können sich drei Personen satt essen, meistens bleibt ein Drittel übrig. Täglich eine warme Mahlzeit. Frei nach dem Motto: „Nach dem Essen soll man ruhen oder tausend Schritte tun“, warten in der angrenzenden Wiese zwei rote Liegestuhle darauf, dass sich jemand ausruht. Das WC wird öfter aufgesucht als die Liegestühle.

Schwein gehabt.

MILCH:brot

In einer italienischen Tageszeitung konnte man die Schlagzeile lesen: „Es scheint, dass die Hölle leer ist“. In meiner Jugend war der Ausdruck „Todsünde“ noch üblich. In der Kirche hat bei der Bestrafung der Sünder eine Trendwende eingesetzt. Es wird  nicht mehr der strafende Gott, sondern der verzeihende Gott in den Vordergrund gerückt. Eine Episode, die gerne während des Mittagsessen in Bildungshäusern erzählt wird: Petrus serviert den wenigen Bewohnern des Himmels das Mittagessen. Es gibt seit  Jahren täglich nur Milch und Brot. Durch ein Fenster kann man beobachten, dass einen Stock tiefer, in der Hölle, die feinsten Speisen serviert werden. Dort gibt es zum Mittagessen verschiedene Fleischgerichte, alkoholische Getränke und als Nachtisch Mehlspeisen. Ein Himmelsbewohner fragt Petrus, wie  kommt es, dass wir nur Milch und Brot bekommen, während sie in der Hölle mit Fleischgerichten und alkoholischen Getränken verwöhnt werden. Petrus antwortet: „Für uns wenige zahlt es sich nicht aus zu kochen“.

Ähnlich verschieden war die Stimmung bei einem Aufenthalt in einem Kurzentrum. Ist man durch den Speisesaal der Kassenpatienten gegangen, gab es dort Hintergrundmusik und man erlebte fröhliche und gesprächige Menschen. Betrat man den Privatspeisesaal, dann saßen Kurgäste an Einzeltischen, in die Zeitung vertieft. Jedes Geräusch von Gabel und Messer war im ganzen Restaurant zu hören. Wurde zwischen Bedienung und Gast gesprochen, dann geschah dies im Flüsterton. Jetzt kann man sich überlegen, welche Menschen haben sich beim Essen wohler gefühlt.

Zu ebener Erde und im ersten Stock.