Über schlagloch

Er hat es sich zur Aufgabe gemacht mehrmals die Woche eine kleine Studie zu verfassen und teilt dies per Weblog „schlagloch“ einer stetig wachsenden Internetgemeinde mit. Einzelne Leser treten auf der Internetplattform mit ihm auch in eine Diskussion über das Geschriebene ein. Vom Deutschen Literaturarchiv Marbach werden ausgewählte Online-Publikationen, so auch das Blog „schlagloch“ auf der Plattform Literatur-im-Netz langzeitarchiviert. Einige „Schlaglöcher„ hat er materialisiert und zu Büchern gemacht: Zeitenwandel (2009); Die Beobachtungen (2011); Bruchstellen (2015).

JUNG:alt

Mit dem Älterwerden bringt man zumeist das Nachlassen der Kraft in den Füßen, Atembeschwerden, Sehstörungen oder Unbeweglichkeit in Verbindung. Für junge Menschen stehen ältere Menschen außerhalb ihrer Interessen, sie sind aus ihrer Wahrnehmung ausgeschlossen. Meistens wissen Ältere nichts mit den Begriffen aus der aktuellen Musik- und Filmwelt anzufangen. Auf keinen Fall können sie so spielerisch mit dem Handy und mit dem PC umgehen wie junge Leute. Schon Fünfundzwanzigjährige entrüsten sich über die Respektlosigkeit der Fünfzehnjährigen mit der Bemerkung: „Dies hätten wir uns nicht getraut“. Wie unverständlich erscheint heute vieles einem Fünfundfünfzigjährigen. Die Enkelin protestierte dagegen, dass die Oma gefragt wurde, ob das neue Kleid passt: „Wie kann die Oma wissen was modern ist, sie ist schon alt“. Gut ist es, wenn man im Alter den Humor nicht verliert und sich bei Montaigne Trost holt, der sagt: „Das Alter bringt neue Sorgen, aber es lässt auch alte Sorgen sein“.

Sorglos.

SCHWEINE:grippe

Lese ich in älteren Tagebücher, in meinen sogenannten Notizheften, dann komme ich manchmal aus dem Staunen nicht heraus. Dabei genügt es schon, wenn ich ein Jahr zurück blättere. Viele werden meinen dies ist kein nennenswerter Zeitraum, auf keinen Fall ein historischer. Bei einem Besuch eines Meeres Aquarium in Crikvenica  konnten wir zusehen, wie ein Krebs mit seinen Zähnen einen Fisch zerkleinert und gefressen hat. Es gab bei den Fischen eine ungeheure Muster- und Farbenvielfalt, dass wir glauben konnte, sie sind für die Besucher extra mit diesen schillernden Farben bemalt worden. Danach einen Abstecher in den „Konzum“. Unter gleichem Namen „Konsum“ war dies einmal die führende Handelskette in Österreich. Die Geschäftseinrichtung hatte das Ambiente der siebziger Jahre. In der Warenvielfalt herrschte ein Chaos, die Artikel wurden wahrscheinlich gerade dort eingeräumt, wo Platz war. Keine Spur von Warengruppen.

In einem Café blätterten wir nach einer Woche Zeitungsabstinenz in der Süddeutschen Zeitung und stellten fest, dass sich noch immer alles um die Schweinegrippe drehte und Berlusconi von seiner Frau verlassen wird. Bei der Heimreise habe ich meine Lebensgefährtin davor gewarnt, bei der Grenzkontrolle zu husten, ansonsten die Gefahr besteht, dass wir in Quarantäne müssen. In Kroatien gab es die ersten Schweinegrippefälle und in den Nachbarstaaten herrschte „Schweinegrippealarm“. Im vergangenen Winter hatte fast jeder dritte Bekannte eine leichte Form von Schweinegrippe.

Der Nächste bitte.

MEHR:meer

Von uns Menschen sagt man, wir kommen und gehen. Das nächstliegende ist das Kommen und Gehen in einem Haus, auf dem Postamt, in der Schule, in einem Café, am Bahnhof oder in einem Geschäft. Die vielen Möglichkeiten deuten auf das unstete Leben des Menschen hin. Manches mal ist damit auch das Kommen und Gehen der Menschen auf Erden, das Geboren werden und das Sterben gemeint. Sitze ich an der Küste bei Selce und blicke auf das Meer ist es so, als würde das Wasser am Strand kommen und gehen. Um mich gelbe und violette Blumen, ein Streifen roten Mohn. Schmetterlinge gleiten durch die Luft, das Summen der Fliegen und der Hummeln, seit einer Stunde kein einziges Boot. Ich fühle mich wie als Kind auf der Wiese in Politzen. Gegenüber der graue Felsen der Insel Krk. Die Stadt Vrbnik klebt wie ein Vogelnest am Felsen, von der Sonne werden die roten Ziegeldächer angestrahlt. Das Wasser wird nicht müde zu Kommen und zu Gehen, da werde ich beim Beobachten früher müde.

Endlos.

LEBENS:genuss

Von der Jugend sagt man, dass sie bei einem zufälligen Treffen auf der Terrasse vom Cafe Platzl oder bei der Autowaschanlage „Fun Wash“ auf die Zeit vergisst. Nach Arbeitsschluss führt der erste Weg beim Kiosk an der B83 vorbei und das Fertigstellen des Gartenzaunes wird auf den nächsten Tag verschoben. Um für die Eltern etwas zu besorgen fehlt oft die Zeit, wenn man nach Hause kommt warten schon die Joggingschuhe auf den Einsatz. Ab geht die Post mit der Freundin, die Gail entlang, in der Almwirtschaft wird zugekehrt. Das Wochenende verbringt man im Cinaplex und irgendwie hat die Freundin die flotteren Sachen, dies ändert man beim Modeshoppen. Die Jungen wollen trendig sein und der Tag soll Spass machen auch wenn das Bankkonto schon schmal geworden ist. Bei größeren Anschaffungen, wie Autos und Wohnungseinrichtung vertraut man darauf, dass alles nach Plan verlaufen wird. Zuerst wird gelebt und dann gespart.

Vor Jahrzehnten war es umgekehrt, man hat zuerst gespart und dann gelebt. Manches mal hat man in der Zeit des Sparens das Genießen verlernt und sich mit der Zeit in der Pension getröstet. Später wird vieles schwieriger und beschwerlicher, auch das Genießen und Feiern. Die wenigsten werden reich geboren, sodass sie nicht arbeiten müssen und nur feiern können. Manche sind davon überzeugt, dass sie einen Auftrag in ihrem Leben haben, für sie kommt Genießen nicht in Frage. Sieht man die jugendlichen, braun gebrannten, fröhlichen Frauen von der Hauskrankenhilfe im Café sitzen, dann kommt einem der Gedanke, dass im Alter nicht alles trübe ist.

Zur schönen Aussicht.

JA:natur

Der Spruch einer österreichischen Supermarktkette, „JA.natur“, ist zu einem Bestandteil des Wortschatzes geworden. Nach einem wechselhaften Wetter im Mai spaziere ich, am Maibachl entlang, auf die Gennottenhöhe. Ich sehe wie kräftig das Gras in den letzten Wochen gewachsen ist. Überall ist es grün und es riecht nach Blüten. Am späten Nachmittag beginnen die Vögel mit ihrem Abendkonzert und die Mücken nützen die verbleibenden Sonnenstrahlen. „JA.natur“ denke ich laut. Oft übersehen wir, dass trotz des Krisenstimmung vieles in der Natur funktioniert, dagegen sind manche Lebensmittel, Produkte einer Kunstfabrik. Die Meldungen von der Krise am Arbeitsmarkt und die Einsparungen bei den Sozialleistungen der öffentlichen Hand erscheinen, weil der Konsum und die Exporte zurückgehen, „JA.natur“. Die Banken haben vieles verspekuliert, da ist es „JA.natur“, dass sie etwas zur Budgetsanierung beisteuern.         

Der Kuckuck ruft dreimal und die Bienen streifen am Gesicht vorbei. Der Juni ist ein guter Zeitpunkt, dass man Tabletten durch die „JA.natur“ Bewegung im Freien ersetzt. Läuft ein Jogger vorbei, dann kann ich den Schweiß riechen, „JA.natur“. Bevor ich gegangen bin hat sich ein Vogel in die Loggia verirrt und die Katze Undine hat ihn erwischt und getötet.

Ja natürlich.