heilige:hemma II

So ist das Leben.

Ein stereotyper Satz, den ich in Gesprächen immer wieder höre. Aber wie ist das Leben und gilt dies für jederlei Leben? Für eine Zeit Soldatin, einen Kfz-Techniker, für eine Heimhilfe oder einen Steinmetz gleichermaßen? Wahrscheinlich sind damit, betrachte ich den Ausspruch genauer, Ähnlichkeiten in unserem Alltag als Mitteleuropäer gemeint. Die Umstände, so ist das Leben, in Nordafrika, im Vorderen Orient oder an der Südspitze von Südamerika kann ich nicht beurteilen. Diese kenne ich gerade einmal aus Fernsehdokumentationen oder aus Büchern mit Reiseberichten. So ist das Leben, hat auch zumeist einen drückenden Beigeschmack.                                                                                                                          

So ist das Leben, habe ich vor kurzem in der Gaststube des Kronenwirt am Domplatz in Gurk aus dem Mund eines älteren Gasthausbesucher gehört. Ich besuche den Gurker Dom nicht jährlich, es könnte sein, dass es Jahrzehnte zurückliegt, dass ich in Gurk gewesen bin. Beim Erfassen meiner Tagehehefte bin ich vor ein paar Tagen auf einen Eintrag gestoßen, dass ich vor dreiunddreißig Jahren in Gurk war. Geht es um eine krisenhafte Situation, passiert irgendwas Unvorhergesehenes in meinem Leben, drängt es mich in den Gurker Dom. Anders die Situation in der Jugend. Damals sind wir als Internatszöglinge zum Ende des Schuljahres, am Namenstag der Heiligen Hemma, den 27. Juni, von Tanzenberg nach Gurk gefahren. Dies war für uns ein schulfreier Tag und im Dom haben wir die Heilige Messe gefeiert. Der Ausflug hat uns viel Spaß gemacht, eine Unterbrechung des strengen Internatsalltag. Bestimmt habe ich zu diesem festlichen Anlass meinen Kärntner Anzug und ein weißes Hemd getragen. Wie auf dem Foto in der Geschichte, Der Schnee ist nicht weiß, zu sehen. Um zu Beten für eine gute Schulnote bei einer Schularbeit, dürfte es zu diesem Zeitpunkt zu spät gewesen sein. Eine Woche vor Schulschluss standen die Zeugnisnoten schon fest, der Klassenvorstand hatte ein Machtwort gesprochen, da kämen alle Fürbitten an Gott zu spät.

dom:gurk

Die Frauen erfahren von den Männern, was der Iman in der Moschee gepredigt hat.

Die Terrasse vom Dom Café in Gurk liegt im Klosterinnenhof, der ist weitläufig und es ist wunderbar ruhig. Diese Beschaulichkeit und so viel Platz habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Diese Stille kann ich gut brauchen, weil sich die täglichen Vorkommnisse bei mir auf körperliche Weise bemerkbar machen. Von Kopf bis zum Fuß, ohne hier einen Arztbrief zu veröffentlichen. Blitze im Auge, Hautausschlag, eine nervöse Blase und ich will mich nicht zu viel mit dem Kranksein befassen. Wer sich ein Leben lang beschwerdefrei fühlen will, der darf nicht altern.

Bei Kaffee und Kuchen greife ich zu meinem Tageheft und darin der Eintrag vor zwei Tagen, dass ich von einer Bekannten eine arabische Süßspeise bekommen habe. Diese hat sie zum Ende vom Ramadan gebacken. Die kleinen Häppchen bestanden aus Sirup, Honig, Nüssen und etwas Blätterteig.  Dazu bemerkte die Bekannte, dass die Süßspeise nichts für Diabetiker ist. Am Ende des Ramadans gehen die Männer in die Moschee, die Frauen beten zu Hause und bereiten ein Festmahl vor. Die Frauen erfahren nach dem Nachhause kommen von den Männern, was der Iman in der Moschee gepredigt hat. Die Übermittlung der Predigt erfolgt von den Männern nach ihrem Gutdünken und was sie für notwendig halten. Auf den ersten Blick würden wir EU-Bürger entrüstet sagen wie rückständig, wie können sich Frauen so unterwerfen und weitere Vorurteile.

Mir ist dies aus unserer Kultur bekannt vorgekommen. Meine Seminararbeit zur Lehrveranstaltung „Sinn des Lebens, Sinn der Welt“ habe ich einem Verwandten zum Lesen gegeben. Dabei erwähnt, dass seine Frau für diese Arbeit auch Interesse hat. Ich war überrascht, als ich die Seminararbeit nach wenigen Tagen zurückbekommen habe. Wie ist dies möglich, hat er vergessen sie an seine Frau weiterzugeben? Auf meine diesbezügliche Frage hat er dies damit begründet, dass er findet, der Inhalt sei für die Frau zu schwierig. Er habe ihr einige Passagen erläutert, für das Verständnis der Frau aufbereitet.

heilige:hemma

Über einige Stufen gelange ich in die Krypta, zum Grabmal der heiligen Hemma.

Bevor ich in Gurk den Dombezirk, der ein Kloster und einen Friedhof miteinschließt betrete, setze ich mich in den kleinen Park davor. Ich beobachtete den Eingangsbereich. In der nächsten halben Stunde betraten nicht mehr als eine Handvoll Menschen den Dombezirk. Darunter waren sicher einige Einheimische, die einen Friedhofsbesuch machten. Unwillkürlich denke ich, ist der Dom heute geschlossen? Haben die Kirchen auch ihre Ruhetage? Gerade nähern sich ein Herr und eine Frau, beide mit einem Rollator, dem schmiedeeisernen Eingangstor.  Zuerst betritt man den Friedhof und muss ihn überqueren, um dann in den Dom eintreten zu können. Wird ihnen der Besuch bei der Heiligen Hemma, der Landesfürstin von Kärnten, Mut und Trost geben? An diesem Nachmittag gibt es keine Busreisende oder Pilgergruppen, es ist kein Sonn- oder Feiertag. Es ist ein gewöhnlicher Freitag. Was die Besucherströme im Dom betrifft, Vorsaison. Nach dem Eintreten in den Dom bin ich fasziniert von dem vergoldeten Hochaltar und seinen vielen Statuen. Ein Glücksfall ist, dass die Sonne verschiedene Altäre ausleuchtet. Ich bleibe lange der einzige Besucher im Dom. Über einige Stufen gelange ich in die Krypta, zum Grabmal der Heiligen Hemma. Meinen Dank, aber auch Wünsche lege ich in ihr Grab. Etwas verwundert bin ich über einen Felsstein an dem zwei Krücken lehnen. Wie ich dem Domführer entnommen habe, saß Hemma auf diesem Stein, wenn sie den Bauarbeiter des Domes ihren Lohn auszahlte. Die Krücken stellvertretend für jene, welche durch die Fürbitte von der Heiligen Hemma geheilt wurden. Krücken werden nach einer Hüftoperation gebraucht, jeder hofft so kurz wie möglich.

Beim jetzigen Besuch fühle ich mich wie damals, als ich vor dreiunddreißig Jahren vom St. Veiter Krankenhaus aus Dankbarkeit hierher gefahren bin. Die Ursache für die Durchfälle war eine harmlose Gastritis.

müll:sorgen II

Durch unsere Zwangsbeglückung wird die afrikanische Textilindustrie zerstört.

In meinem Papierladen sammelte ich das Altpapier, dies waren vor allem Verpackungskartons und die alten, geköpften Zeitungen und Zeitschriften. In den 70er Jahren wurden nur die Titelseiten der Zeitungen und Zeitschriften zurückgesandt, der Rest der Zeitungen und Zeitschriften blieb beim Händler. Eine flächendeckende Altpapiersammlung oder Altpapiertonnen waren damals eine ferne Zukunftsmusik. In Villach existierte eine kleine Firma, welche Alteisen- und Altpapier gesammelt hat. Diese habe ich verständigt, wenn ich eine größere Menge an Altpapier und geköpften Zeitungen hatte. Damals wurden Firmen für das Einsammeln von Alteisen, Schrott und Altpapier belächelt, heute ist die Abfallwirtschaft ein boomendes Geschäft.

Bei den Container für Altglas stehen auch die grünen Container für Altkleider. Meine Einstellung zum Sammeln von Altkleidern hat sich seit meinem Besuch der documenta xv in Kassel verändert. In mehreren Videos und bei einer Diskussion habe ich aus erster Hand erfahren, wie negativ sich der Export unser Kleiderspenden für die afrikanische Textilbranche und das Selbstbewusstsein der Afrikaner auswirkt. Wir nehmen an, dass wir mit dem Export von gebrauchten Kleidern nach Afrika eine gute Tat vollbringen. Wir finden uns großartig, wenn wir den armen Afrikanern unsere Altkleider spenden. Unsere Vorstellung ist, dass sie durch Recycling neue Stoffe gewinnen könnten. Die Wirklichkeit ist eine andere, wie es in den Videos auf der Documenta gezeigt und von Wirtschaftsprofessoren erläutert wurde. Die Hälfte der Kleider sind ob ihrer schlechten Qualität nicht wieder verwertbar und werden oftmals auf ungesicherten Mülldeponien illegal verbrannt. Beim restlichen Kreislauf der Wiederverwertung ist der Schaden für die afrikanische Wirtschaft und der Bevölkerung um vieles größer als der Nutzen. Durch unsere Zwangsbeglückung wurden und werden die afrikanische Textilindustrie, welche ihre landestypischen Stoffe herstellt, zerstört. Ebenso die Folgebetriebe, wie Schneidereien und Handelshäuser. Zudem gibt es keine eigenständige afrikanische Mode, welche für den Nationalstolz und das Selbstbewusstsein, förderlich wäre. Zum Großteil schämen sich die Leute, wenn sie sozusagen gezwungen sind die europäischen Klamotten zu tragen, eine neue Form der Kolonialisierung. Auch die Chance zerstört, dass afrikanische Mode die westliche Welt erobern könnte, Textilien aus Afrika ein Exportschlager sein könnten.

müll:sorgen

Wo Tauben sind da fliegen Tauben zu.

Um den Anteil von Sperrmüll auf der Deponie zu reduzieren, organisierte der lokale Wirtschaftshof jährlich im Sommer eine flächendeckende, damals noch kostenfreie, Sperrmüll Entsorgung in der Untergailtaler Gemeinde. Durch das Engagement der Feuerwehrmänner wurde der Sperrmüll vor der Abholung nach brauchbaren, gut erhaltenen Gegenständen durchstöbert. Gleichzeitig konnten die Bewohner im Arnoldsteiner Feuerwehrhaus Kleider und Schuhe abgeben. Bilder, Geschirr, Bücher, Radios, Spiel- und Werkzeug, Kleider und Schuhe wurden dann im Sommer auf einen Flohmarkt verscherbelt. Das erwirtschaftete Geld wurde zum Ankauf von Geräten oder Ausrüstungen für die Feuerwehr verwendet. Der Flohmarkt bildete die Kulisse für einen Frühschoppen mit Musik, Bier und Würstel, ein echtes Dorffest.

In die landesweiten Schlagzeilen kam Arnoldstein, weil die Mülldeponie für Villach Land und Villach Stadt sich erschöpfte und ein neuer Standort für eine Restmülldeponie gefunden werden musste. Ein geplanter Ort war das Grenzgebiet zwischen Arnoldstein und Hohenthurn. Es gab emotionale Auseinandersetzungen im Kulturhaus von Mülldeponiebefürworter und – Gegner. Dagegen unter dem Motto keine Hausmülldeponie in der Gemeinde, die Umweltbelastungen durch die Industriebetriebe sind schon groß genug. Wie lautet ein Spruch, wo Tauben sind da fliegen Tauben zu, hier lautete das Motto, wo Dreck ist da kommt Dreck dazu. Während der hitzigen Diskussionen um einen geeigneten Standort hatten sich die Vorschriften von Seiten der EU zur Mülltrennung und Restmüllentsorgung verändert. Es durfte kein Müll mehr deponiert werden, vorgeschrieben wurde das Verbrennen des Restmülls. Einer der bevorzugten Standorte in Kärnten für eine Müllverbrennung war der Industriepark in Arnoldstein. Dort wurden wegen der starken Umweltbelastungen, auch wegen Preisverfall bei den erzeugten Rohstoffen, einige Betriebe geschlossen. Der Standort war danach ein umweltökologischer Sanierungsfall auf Grund der Bleibelastungen im Boden und in den Gebäuden. Bei einer Bürgerabstimmung entschied sich eine knappe Mehrheit der Bevölkerung für die Errichtung der Müllverbrennung am Industriestandort. Die Abwärme der Müllverbrennung versorgt den neu belebten Industriestandort mit Energie und das Kerngebiet der Gemeinde mit Fernwärme. Inzwischen wird Fernwärme aus der Arnoldsteiner Müllverbrennung bis in die Bezirkshauptstadt Villach geliefert und dort in das Fernwärmenetzt eingespeist.