Über schlagloch

Er hat es sich zur Aufgabe gemacht mehrmals die Woche eine kleine Studie zu verfassen und teilt dies per Weblog „schlagloch“ einer stetig wachsenden Internetgemeinde mit. Einzelne Leser treten auf der Internetplattform mit ihm auch in eine Diskussion über das Geschriebene ein. Vom Deutschen Literaturarchiv Marbach werden ausgewählte Online-Publikationen, so auch das Blog „schlagloch“ auf der Plattform Literatur-im-Netz langzeitarchiviert. Einige „Schlaglöcher„ hat er materialisiert und zu Büchern gemacht: Zeitenwandel (2009); Die Beobachtungen (2011); Bruchstellen (2015).

HOFFENT:lich

In der Verwandtschaft gibt es Leute, die mit älteren Menschen zu tun haben und dabei mit verschiedenen Eigenheiten konfrontiert werden. Von denen hört man oft den Satz: „Hoffentlich werde ich nicht so.“ Eine dieser Eigenheiten ist, dass ältere Menschen sehr ungeduldig sind. Im Alltag bedeutet dies, dass alte Leute verschiedene Wünsche oder Besorgungen sofort erledigt haben wollen. Das kann das Holz für den Ofen sein, obwohl der Vorrat im Wohnzimmer für drei Tage reicht. Fehlt im Haushalt ein Lebensmittel, auch wenn es in den nächsten Tagen nicht gebraucht wird und daher beim nächsten Einkauf besorgt werden kann, muss es sofort besorgt werden. Wird diesem Wunsch nicht entsprochen, so wird dies in immer kürzeren Abständen wiederholt. Mit der Zeit wird es den Angehörigen zu stressig und man kommt dem Verlangen nach.

Da kann es vorkommen, dass man etwas machen soll, wo man weiß, dass man außerhalb der Zeit kommt. Von den Lebensmittelläden weiß man, dass sie rund um die Uhr geöffnet haben. Anders ist die Situation, wenn man die Milch vom Bauernhof bezieht. Hier gehört es zur Gewohnheit, dass man die Milch zu den Melkzeiten holt und nicht zu jeder beliebigen Tageszeit. Durch Hartnäckigkeit wird man dazu bewegt, am Nachmittag frische Milch zu holen. Die Bäuerin ist im Hausgarten bei der Arbeit. Man entschuldigt sich für den ungünstigen Zeitpunkt und bittet sie darum, die Milchflasche abzufüllen. Ob dafür der gerechte Preis gezahlt wird, ist fraglich. Dabei denkt man sich, hoffentlich wird man selbst nicht so.

In der Altersfalle.              

BEKANNT:machen

Von Historikern wird diskutiert, ob sich die Geschichte wiederholen kann oder ob wir aus der Geschichte lernen können. Verfolge ich als Laie die Weltgeschichte, so habe ich den Eindruck, dass aus der Geschichte nichts gelernt wird. Man spricht zwar darüber, dass  die Völker friedvoller miteinander umgehen sollen, dass man Fehler beim Umgang mit anderen Nationen vermeiden wird. In den Nachrichten höre ich täglich von neuen Grenzverletzungen, Kriegshandlungen. Die Staatengemeinschaft bemüht sich die Lebensmittel besser zu verteilen, der Wasserknappheit vorzubeugen und trotzdem hungern Millionen Menschen. Auch in unseren Breiten gibt es keine soziale Gerechtigkeit. 

In der Lebensgeschichte kann sich  manches wiederholen. Ein Beispiel ist die Partnerschaft. Oft hat der neue Partner dieselben Charaktereigenschaften, der beim Vorhergehenden  zur Trennung geführt hat. In der Familie  gibt es Situationen, wo ich mir denke, dies habe ich schon einmal erlebt. In der Kulturhauptstadt sitzt in einer Trattoria eine Schwester mit ihrer Tochter. Zwischen den beiden der neue Freund der Tochter, er wird der Verwandtschaft vorgestellt. Der Freund ist ein lustiger Steirabua, das tatsächliche Alter liegt etwas darüber. Die Schwester hört dem Freund zu und ist ratlos. Fragend schaut sie in die Tischrunde. Vor einigen Jahrzehnten habe ich ähnliches erlebt. Damals hat die Schwester ihren Freund dem Vater vorgestellt. Er war ein geselliger Holzknechtbua, seine Geschichten wurden schmunzelnd  aufgenommen.  

Die Wiederholung.

HANDY:läuten

Das Handyläuten kann in einer Menschenansammlung wie die Explosion eines Böllers wirken, einen Schock auslösen. Klingelt das Handy, blicken die Menschen einander betroffen in die Gesichter, fragen sich bei wem, und tasten ihre Kleider ab. Menschen, die im Ruheraum eines Bades vor sich hindösen, fahren wie eine Rakete hoch und beginnen das Handy in der Badetasche zu suchen. Während einer Busreise klingelt immer irgendwo ein Handy. Kritisch werden die Personen beäugt, bei denen kein Handy klingelt. Man hält diese für soziale Außenseiter, für Einzelgänger. 

Bei einer Wanderung mit mehreren Personen auf die Klagenfurter Hütte stellte eine Teilnehmerin nach einiger Zeit fest, dass sie ihr Handy im Auto vergessen hatte. Es stellte sich heraus, dass niemand in der Gruppe ein Handy bei sich hatte. Mit Mühe konnte sie davon abgehalten werden umzukehren, um ihr Handy aus dem Auto zu holen. Sie wollte nicht einsehen, dass ein schneller Abstieg und Aufstieg das größere Risiko darstellte, als wenn wir gemeinsam, ohne Handy, unterwegs sind. 

Risikobereitschaft.

BRAND:herd

Ich spaziere über den Kogel und sehe überall kleine Flammen, die sich von einem Grasbüschel zum Nächsten ausbreiten. Rauchschwaden liegen über dem Gestrüpp, verkohlte Gräser und Farne. Die Flammen nähern sich der Bergsiedlung, den ersten   Häusern. Ich laufe in die nahe Fabrik um  die Feuerwehr zu alarmieren. In der  Werkstätte darf ich das Telefon nicht benützen. Der Meister versucht es selbst, es funktioniert nicht. Die Rauchschwaden ziehen an der Werkstatt vorbei, einmal stärker, einmal schwächer. Im nächsten Gebäude auf dem Fabrikgelände treffe ich Bekannte in ihrer Betriebswohnung. Man begrüßt mich und unterhält sich über belangloses. Immer mehr Bekannte treffen in der Wohnung ein. Der Feuerschein vom Wiesenbrand leuchtet in das Zimmer. Es klappt mit der Alarmierung der Feuerwehr. Wir gehen vor das Gebäude und sehen, wie entlang den Felswänden, ein Löschflugzeug auftaucht. Endlich kommt Hilfe. Das Löschflugzeug steuert nicht auf den Brandherd zu, es nimmt uns ins Visier. Es droht das Löschwasser über uns zu entleeren. Wir laufen auf die Werkstatt zu, das Löschflugzeug folgt uns. Wir versuchen zurück in das Haus zu flüchten, das Flugzeug macht eine Wendung und steht wieder über uns. Bereit uns mit dem Wasser zu  überschütten.

Tagwache.

UNTER:dreißig

Die Unterdreißigjährigen benützen das Internet so selbstverständlich wie einen Lift. Bei ihnen gibt es keine Diskussion darüber, ob das Internet sinnvoll ist oder vor Gefahren strotzt. Sie können sich nicht vorstellen, worin die Gefahren des Internet liegen können. Wie beim Lift schätzen sie die Bequemlichkeit und sehen nicht die Gefahr, dass der Lift eventuell stecken bleiben könnte oder sich die Türen nicht öffnen könnten. Mit technischen Errungenschaften hat der Mensch seine Probleme,  wie mit dem Auto. Manche Menschen sahen im Auto ein Machwerk des Teufels, so heute beim freien Internetzugang. Sie sehen bei der Internetbenützung die Suchtgefahr, die Gefahr straffällig zu werden, die Möglichkeit für einen Seitensprung ohne Folgen. Einen mentalen Seitensprung, für mentalen Sex. Gibt es im Haushalt ein Internetanschluss, dann gibt es auch Wünsche. Eine Recherche über eine Persönlichkeit, Veranstaltungstermine, Zugverbindungen oder Ansichten von einem Urlaubsziel.

Über die Gefahren des Internets sprechen oft Menschen, die selbst keinen Internetzugang haben. Kein Internet im Haus zulassen, weil sie damit hoffen, das Böse aus ihrem Haus zu verbannen. Man starrt auf das Zentrum des Feuers und übersieht dabei, dass sich kleine Feuerzungen selbstständig gemacht haben.

Zugauskunft.