Über schlagloch

Er hat es sich zur Aufgabe gemacht mehrmals die Woche eine kleine Studie zu verfassen und teilt dies per Weblog „schlagloch“ einer stetig wachsenden Internetgemeinde mit. Einzelne Leser treten auf der Internetplattform mit ihm auch in eine Diskussion über das Geschriebene ein. Vom Deutschen Literaturarchiv Marbach werden ausgewählte Online-Publikationen, so auch das Blog „schlagloch“ auf der Plattform Literatur-im-Netz langzeitarchiviert. Einige „Schlaglöcher„ hat er materialisiert und zu Büchern gemacht: Zeitenwandel (2009); Die Beobachtungen (2011); Bruchstellen (2015).

per:habs II

Meine Überzeugung ist, dass die Englische Sprache ihre Wurzeln im Kärntner Dialekt hat. Dies kann ich an drei Beispielen nachweisen: perhabs, de meiss und lei lei.

Das englische Wort perhabs, welches in der üblichen Verwendung mit ungefähr übersetzt wird, gibt es auch in der Kärntner Mundart. Ein Beispiel für seine Anwendung, der Verkauf eines Schweines an einen Fleischhauer. Bauer und Fleischhauer sind sich einig, dass das Kalb perhabs hundertdreißig Kilogramm wiegt, dafür zahlt der Fleischhauer perhabs zweihundertfünfzig Euro. Mit einem Wort, beide Seiten verzichten darauf das Schwein zu wiegen, sie schätzen sein Lebendgewicht. Im beiderseitigen Einvernehmen, ohne um einzelne Cent beim Kilopreis zu feilschen, einigen sie sich auf den runden Betrag von zweihundertfünfzig Euro. Im kärntnerischen Alltag kürzt das Wort perhabs ein langes Feilschen um jeden Deka und jeden Euro ab.

Wohl viele Kärntner haben schon einmal den verzweifelten Ausspruch, „jetzan hom de Meis bei de Salotpflanzln de Wurzln obgfressn“ oder „heit woarn de Meis im Kella und hom den Speck ongeknappert“ ausgerufen oder gehört. Die Mäuse haben bei den Salatpflanzen die Wurzeln abgefressen oder die Mäuse haben im Keller den Speck angeknabbert. Geht es um die Mehrzahl von Maus, geht es um eine Mäuseplage, sind sich die Kärntner und die Engländer in ihrer Wut einig, das waren de Meis.

Lei ist in Kärnten nicht nur im Fasching ein geflügeltes Wort, es wird auch im Berufsalltag verwendet. Es bezeichnet nichts Bestimmtes, zumeist ein schlampiges Vorgehen. Wir werden noch ein paar Tage an der Fassade malen, dann können wir im Stiegenhaus lei weitermachen. Es ist nicht sicher ob uns die Hausverwaltung die ganzen Überstunden lei bezahlen wird. Das Wort Muse wird im Englischen mit lei übersetzt. Die Kärntner verbandeln die Arbeit mit der Muse. Bei einem Vorhaben lassen sie sich nicht hetzen es wird schon lei amol fertig sein.

per:habs

Wo liegt der Unterschied zwischen Anfänger und Echter Anfänger? Was ein Anfänger ist, ist für mich klar und dürfte auch für andere verständlich sein. Über den Status eines Echten Anfängers herrscht bei mir Unklarheit.  Bin ich, wenn ich ohne Vorkenntnisse einen Kochkurs oder einen Englischkurs besuche ein Anfänger oder ein Echter Anfänger. Besuche ich einen Kochkurs würde ich mich als Echten Anfänger einstufen. Ich kann mir eine Tasse Kaffee oder Tee zubereiten und weis was ein Becher, ein Teller und ein Löffel ist. Bin ich deshalb kein Echter Anfänger mehr, sondern nur mehr Anfänger? Eine paradoxe Situation.

Diese erlebte ich, als ich mich zu einem Englisch Sprachkurs an der Volkshochschule anmeldete, der für Echte Anfänger ausgeschrieben war. Wie die Teacher ausführte, wird eine Unterscheidung zwischen Anfänger und Echte Anfänger getroffen. Die meisten können ein wenig Englisch aus der Schulzeit, den Medien und viele englische Fremdwörter sind in der deutschen Sprache integriert. Im Übrigen liegen die Wurzeln der englischen Sprache im Germanischen, wie die Teacher immer wieder betonte, speziell im Niederdeutschen. Also gab es aus ihrer Sicht keine Echten Anfänger, maximal Anfänger. Sie wird ihre Ausführungen ab sofort nur in Englisch halten. Wir würden so mehr und schneller lernen, uns auch an die Aussprache gewöhnen. Folgsam, wie Menschen ab einem bestimmten Alter sein können, gab es keinerlei Widerspruch. Bei der überwiegenden Anzahl der Anwesenden veränderte sich der Gesichtsausdruck immer mehr ins Unverständliche. Die Teacher war in ihrem Wortschwall nicht zu stoppen bis ich einwarf, ob sie mit uns spricht und plötzlich hellten sich bei allen Kursteilnehmern die Gesichter auf.

Den ultimativen Satz lernte ich in der dritten Kurseinheit: I am hungry. Ein Überlebenssatz den ich beim Heimkommen sofort meiner Frau gegenüber anwenden konnte. Der zweite Satz den ich öfters brauchte war: Excusmea i am leater. Entschuldigung, ich bin zu spät. Als ich einmal zu früh dran war, war ich sprachlos

11. September :2001 /II

Waren die Anschläge in New York vom 11/09 ein „Wendepunkt“ für die Zukunft der Welt? Der Gedanke über die Auswirkungen ist etwas überhöht, wohl nur für die Westliche Welt. Im Westen neigen wir zum Denken und zum Handeln als wären wir die gesamte Welt. Die USA ist geschockt und holt zum Vergeltungsschlag aus. Die Anstifter und Täter werden in radikalen Islamkreisen verortet. G. Bush, Präsident der Vereinigten Staaten, fragt nicht danach wie konnte soviel Hass in der muslimischen Welt auf Amerika, den Westen entstehen? Er sieht im Islam das Böse und ruft zum „heiligen Krieg“ auf. Im Westen glauben wir, uns gegen alles absichern und versichern zu können, dann gibt es eine solche Katastrophe. Die beste Katastrophenvorsorge ist das „nicht Anhaften“, sei es am Leben oder Geld.

Vierzehn Tage sind seit den Anschlägen auf das World Trade Center in New York vergangen die Radio- und Fernsehnachrichten sind immer randvoll von neuen Erkenntnissen zu den Terroranschlägen vom 11. September. Die Zeitungen bringen auf vielen Seiten Annalysen von Politologen, Islamkenner und Militärstrategen, trotzdem bleiben mir die Ereignisse fern. Unsere engsten persönlichen Konflikte sind eine Keimzelle für die Weltkonflikte. Bereits in der Familie, unter Verwandten, schaffen wir es nicht in Frieden zu leben, so wird es wohl keine konfliktfreie Welt geben. Leichtfertig gehen wir mit dem Leben anderer um, wir zollen dem Leben der Anderen wenig Respekt, wie im Straßenverkehr, der viel „Blutzoll“ fordert. Die ungerechte Verteilung von Lebensmittel und des Trinkwassers auf der Welt führen zu täglichen kriegerischen Auseinandersetzungen. Jede Produktion, jeder Verkauf und Ankauf von Waffen bedeutet eine Vorstufe zur Vernichtung von Leben. Aus dem Tageheft Nr. 67

Tageheftseite September 2001

11. September : 2001

„Dies ist kein Film, dies ist kein Film“, antwortete die Partnerin Rosmarie aufgeregt auf meine Frage, welcher Film gerade im Fernsehen läuft? Nach einem arbeitsreichen Tag kam ich am 11. September 2001 nach 20 Uhr aus dem Papiergeschäft im Erdgeschoß in die Wohnung im ersten Stock. Beim Eintreten in das Wohnzimmer sah ich am Bildschirm rauchende und brennende Wolkenkratzer und dachte Rosmarie sieht sich einen Katastrophenfilm an. Am Montag den 10. September 2001 war Schulbeginn in Kärnten und der Dienstag, der 11. September, war in unserer Papierhandlung in Arnoldstein ein verkaufsstarker Tag für Schulartikel. Den ganzen Tag über hatten wir im Geschäft viel zu tun und niemand, weder die Verkäuferinnen noch wir haben Radionachrichten gehört oder Fernsehen geschaut. Damals war es kaum üblich, dass tagsüber im Fernsehen eine Nachrichtensendung geschaut wurde. Zumeist sah man die Hauptnachrichten um 19.30 Uhr, die Zeit im Bild. Von den Kunden gab es im Laufe des Tages keinerlei Bemerkungen, dass in New York etwas „Schreckliches“ passiert wäre. Unser ganzes Bemühen trachtete danach die Einkaufslisten für die Schulartikel vollständig und richtig „abzuarbeiten“.

Nach Geschäftsschluss war ich noch länger im Geschäft mit dem Nachfüllen und Nachbestellen von Waren beschäftigt. Die Partnerin ging etwas früher aus dem Geschäft um das Abendessen vorzubereiten. Nach 20 Uhr kam ich in die Wohnung und sah im Fernsehen die beschädigten und rauchenten Wolkenkratzer und hielt dies für Szenen aus einem Katastrophenfilm aus den Filmstudios von Hollywood. Ich konnte mir lange nicht vorstellen, dass auf das World Trade Center in New York ein Anschlag mit Flugzeugen verübt wurde. Aus dem Tageheft Nr. 67

u:bahn

Bei der Rückfahrt mit der U-Bahn, von einer Ausstellung in die Unterkunft um rechtzeitig am Abend eine Theateraufführung zu besuchen, zeigte sich, dass gut Geplantes plötzlich in ein vages Unternehmen umschlagen kann. Die U-Bahn zwischen Karlsplatz und Hauptbahnhof war durch ein technisches Gebrechen ausgefallen, zur Verkehrsspitze um fünf Uhr Nachmittag. Eine nicht abreißende Menschen Schlange, welche mit den Rolltreppen in die U-Bahnstation eingefahren ist, machte unten kehrt und fuhr mit den Rolltreppen wieder nach oben. Bei der Straßenbahn Station Opernring staute es sich auf allen Warteflächen, es herrschte eine babylonische Sprachverwirrung. Jeder Zweite telefonierte am Smartphone um einen Termin oder Verabredung zu verschieben, da die U1 ausgefallen ist. Für alle die zum Hauptbahnhof wollen wird als Ersatz die Tramway D außerplanmäßig in verstärktem Interwall geführt. Die erste Garnitur der Tramway D ist bereits vollgestopft mit Fahrgästen, bevor sie noch zum Stehen kommt. In der zweiten Garnitur ergattere ich einen Stehplatz, bei der Aufforderung zu anderen Menschen Abstand zu halten, trifft genau das Gegenteil ein. Immer noch drängen Menschen in die Straßenbahn, bis wir Körper an Körper stehen, um jeden Zwischenraum wird gerauft. Zuletzt die Aufforderung Rucksäcke und Taschen auf den Boden zwischen die Beine zu stellen, damit noch für ein paar weitere Fahrgäste Platz wird.

An den Haltestellen kommt es bei den Abfahrten immer wieder zu Verzögerungen, weil die Lichtschranken blockiert werden und so das Schließen der Türen verhindert wird. Von den Fahrgästen gibt es lautstarke Unmutsäußerungen über die schlechte Information, über unfreundliche Schaffner bis zu den Aussagen, man werde sich bei den Wiener Verkehrsbetrieben über das Personal Beschwerden. Dieser Ansage will man Nachdruck verleihen, indem man lautstark verkündet, dass dies das erste Mal im Leben ist. Für eine Beschwerde einzureichen sei es nie zu spät im Leben, auch nicht mit fünfzig.