11. September :2001 /II

Waren die Anschläge in New York vom 11/09 ein „Wendepunkt“ für die Zukunft der Welt? Der Gedanke über die Auswirkungen ist etwas überhöht, wohl nur für die Westliche Welt. Im Westen neigen wir zum Denken und zum Handeln als wären wir die gesamte Welt. Die USA ist geschockt und holt zum Vergeltungsschlag aus. Die Anstifter und Täter werden in radikalen Islamkreisen verortet. G. Bush, Präsident der Vereinigten Staaten, fragt nicht danach wie konnte soviel Hass in der muslimischen Welt auf Amerika, den Westen entstehen? Er sieht im Islam das Böse und ruft zum „heiligen Krieg“ auf. Im Westen glauben wir, uns gegen alles absichern und versichern zu können, dann gibt es eine solche Katastrophe. Die beste Katastrophenvorsorge ist das „nicht Anhaften“, sei es am Leben oder Geld.

Vierzehn Tage sind seit den Anschlägen auf das World Trade Center in New York vergangen die Radio- und Fernsehnachrichten sind immer randvoll von neuen Erkenntnissen zu den Terroranschlägen vom 11. September. Die Zeitungen bringen auf vielen Seiten Annalysen von Politologen, Islamkenner und Militärstrategen, trotzdem bleiben mir die Ereignisse fern. Unsere engsten persönlichen Konflikte sind eine Keimzelle für die Weltkonflikte. Bereits in der Familie, unter Verwandten, schaffen wir es nicht in Frieden zu leben, so wird es wohl keine konfliktfreie Welt geben. Leichtfertig gehen wir mit dem Leben anderer um, wir zollen dem Leben der Anderen wenig Respekt, wie im Straßenverkehr, der viel „Blutzoll“ fordert. Die ungerechte Verteilung von Lebensmittel und des Trinkwassers auf der Welt führen zu täglichen kriegerischen Auseinandersetzungen. Jede Produktion, jeder Verkauf und Ankauf von Waffen bedeutet eine Vorstufe zur Vernichtung von Leben. Aus dem Tageheft Nr. 67

Tageheftseite September 2001

11. September : 2001

„Dies ist kein Film, dies ist kein Film“, antwortete die Partnerin Rosmarie aufgeregt auf meine Frage, welcher Film gerade im Fernsehen läuft? Nach einem arbeitsreichen Tag kam ich am 11. September 2001 nach 20 Uhr aus dem Papiergeschäft im Erdgeschoß in die Wohnung im ersten Stock. Beim Eintreten in das Wohnzimmer sah ich am Bildschirm rauchende und brennende Wolkenkratzer und dachte Rosmarie sieht sich einen Katastrophenfilm an. Am Montag den 10. September 2001 war Schulbeginn in Kärnten und der Dienstag, der 11. September, war in unserer Papierhandlung in Arnoldstein ein verkaufsstarker Tag für Schulartikel. Den ganzen Tag über hatten wir im Geschäft viel zu tun und niemand, weder die Verkäuferinnen noch wir haben Radionachrichten gehört oder Fernsehen geschaut. Damals war es kaum üblich, dass tagsüber im Fernsehen eine Nachrichtensendung geschaut wurde. Zumeist sah man die Hauptnachrichten um 19.30 Uhr, die Zeit im Bild. Von den Kunden gab es im Laufe des Tages keinerlei Bemerkungen, dass in New York etwas „Schreckliches“ passiert wäre. Unser ganzes Bemühen trachtete danach die Einkaufslisten für die Schulartikel vollständig und richtig „abzuarbeiten“.

Nach Geschäftsschluss war ich noch länger im Geschäft mit dem Nachfüllen und Nachbestellen von Waren beschäftigt. Die Partnerin ging etwas früher aus dem Geschäft um das Abendessen vorzubereiten. Nach 20 Uhr kam ich in die Wohnung und sah im Fernsehen die beschädigten und rauchenten Wolkenkratzer und hielt dies für Szenen aus einem Katastrophenfilm aus den Filmstudios von Hollywood. Ich konnte mir lange nicht vorstellen, dass auf das World Trade Center in New York ein Anschlag mit Flugzeugen verübt wurde. Aus dem Tageheft Nr. 67

u:bahn

Bei der Rückfahrt mit der U-Bahn, von einer Ausstellung in die Unterkunft um rechtzeitig am Abend eine Theateraufführung zu besuchen, zeigte sich, dass gut Geplantes plötzlich in ein vages Unternehmen umschlagen kann. Die U-Bahn zwischen Karlsplatz und Hauptbahnhof war durch ein technisches Gebrechen ausgefallen, zur Verkehrsspitze um fünf Uhr Nachmittag. Eine nicht abreißende Menschen Schlange, welche mit den Rolltreppen in die U-Bahnstation eingefahren ist, machte unten kehrt und fuhr mit den Rolltreppen wieder nach oben. Bei der Straßenbahn Station Opernring staute es sich auf allen Warteflächen, es herrschte eine babylonische Sprachverwirrung. Jeder Zweite telefonierte am Smartphone um einen Termin oder Verabredung zu verschieben, da die U1 ausgefallen ist. Für alle die zum Hauptbahnhof wollen wird als Ersatz die Tramway D außerplanmäßig in verstärktem Interwall geführt. Die erste Garnitur der Tramway D ist bereits vollgestopft mit Fahrgästen, bevor sie noch zum Stehen kommt. In der zweiten Garnitur ergattere ich einen Stehplatz, bei der Aufforderung zu anderen Menschen Abstand zu halten, trifft genau das Gegenteil ein. Immer noch drängen Menschen in die Straßenbahn, bis wir Körper an Körper stehen, um jeden Zwischenraum wird gerauft. Zuletzt die Aufforderung Rucksäcke und Taschen auf den Boden zwischen die Beine zu stellen, damit noch für ein paar weitere Fahrgäste Platz wird.

An den Haltestellen kommt es bei den Abfahrten immer wieder zu Verzögerungen, weil die Lichtschranken blockiert werden und so das Schließen der Türen verhindert wird. Von den Fahrgästen gibt es lautstarke Unmutsäußerungen über die schlechte Information, über unfreundliche Schaffner bis zu den Aussagen, man werde sich bei den Wiener Verkehrsbetrieben über das Personal Beschwerden. Dieser Ansage will man Nachdruck verleihen, indem man lautstark verkündet, dass dies das erste Mal im Leben ist. Für eine Beschwerde einzureichen sei es nie zu spät im Leben, auch nicht mit fünfzig.

unz:markt

Am Bahnsteig in Villach, vor der Fahrt nach Wien, kommt mir der Gedanke ob ich auch diesmal mit meinen Notizen in das Tageheft in Unzmarkt beginnen werde? Werde ich auch diesmal beim Passieren vom Bahnhof Unzmarkt die Lust verspüren mit den Eintragungen in die Tagehefte zu beginnen?  Ich kann mir nicht erklären, warum ich gerade hier zum Schreiben beginne. Ist es der Ortsname welcher bei mir den Schreibimpuls auslöst? Auf jeden Fall weiß ich von einer Leere in mir welche mich zum Schreibwerkzeug greifen lässt. Wohl befinde ich mich hier in der nötigen Distanz zum Alltag in Villach. Wer es noch nicht erlebt hat, dem empfehle ich zur Selbstfindung eine Bahnreise zu buchen. Sitzt man erst einmal im Zugabteil braucht es keinerlei eigene Aktivitäten für eine Ortsveränderung, die zumeist auch eine Veränderung des Blickwinkels bedeutet. Nach einer mehrstündigen Zugreise kommt man am Ziel als ein neuer, ein anderer Mensch an. Eine Art von Beschäftigung, welche zum Loslassen geeignet ist. Die Art der Beschäftigung, des Wohlbefindens ist während der Zugfahrt frei wählbar.

Einige Zugreisende betrachten entzückt die vorbeiziehende Landschaft, andere vertiefen sich von der ersten Minute an in eine Zeitung oder blicken aktuell auf das Smartphone. Dazu gibt es ein geheimes Timing mit Bekannten, auf die Minute genau telefoniert man mit Gott und der Welt. Zu meiner ersten Beschäftigungen bei einer Zugfahrt zählt, dass ich mein Jausenbrot auswickle.  Meine Reise beginnt mit einem Imbiss andere sprechen von der Reiselust, ich vom Reisehunger. Nirgendwo lässt sich so genussvoll und geruhsam eine Salamisemmel verspeisen wie bei einer Zugfahrt. Jeder hat seine Vorlieben oder wie der Volksmund sagt, jeder tickt anders. Während der letzten zwanzig Jahre hat sich vieles beim Zugfahren verändert, zu kurz kommt derzeit das Gespräch mit den Nachbarn. Dazu hat die Coronakrise in den letzten zwei Jahren das Ihrige beigetragen.

o:tannenbaum

Das Coronavirus hat für uns vieles im Alltag auf den Kopf gestellt und den meisten einiges abverlangt: Lockdown für alle, FPP2 Masken tragen, Klinikaufenthalt wegen Corona Infektion u.v.m. Diese Liste kann jeder aus seiner eigenen Erfahrung ergänzen. Die große Unbekannte ist, mit welcher Art von Coronavirus müssen wir im Spätherbst rechnen und wie gefährlich wird die neue Virusvariante sein? Keiner der Virusexperten und zuständigen Politiker kann und will darüber im Voraus etwas Verbindliches sagen. In diesem Dilemma ragt die Empfehlung der Generaldirektorin für Gesundheit Katharina Reich unter allen Aussagen heraus: „Feiern wir eventuell einen Geburtstag, der im November wäre, im September vor“.

Diesen Vorschlag möchte ich, wegen eines möglichen Lockdowns, um eine Anregung erweitern. Warum nicht Weihnachten in den September „vorverlegen“. Der Dezember hat sich als „Hotspot“ für das Coronavirus erwiesen. Die Vorverlegung würde dem Zeitgeist entsprechen, weil mit Anfang September kommen wir in den Möbelhäusern an den Regalen mit aktuellem Weihnacht- und Christbaumschmuck nicht vorbei. Zur selben Zeit werden in den Lebensmittelmärkten die ersten Sortimente mit Lebkuchen- und Kecks Mischungen prominent im Kassenbereich präsentiert. An den Utensilien um den Christbaum festlich zu schmücken und am weihnachtlichen Backwerk wird es nicht mangeln. Einige Mitmenschen rühmen sich, schon Ende August alle Weihnachtsgeschenke sicher im Kleiderkasten versteckt zu haben. Dieses Jahr werden deren mehr sein.

Versammeln wir uns dieses Jahr an einem lauem Septemberabend auf dem Balkon oder im Garten rund um den Christbaum. Singen wir dabei aus vollem Herzen: „O Tannenbaum, O Tannenbaum…“.