ver:trauen II

Für den religiösen Menschen und seinem Glauben spielen die Ereignisse rund um das Weihnachtsfest eine bestimmende Rolle. Im Alltag sagen wir oft wir hoffen, dass eine Reise, eine Familienfeier harmonisch abläuft. Man vertraut, setzt nicht auf Aufklärung und Voraussicht. Setzt Vorausplanung und Einsicht den Glauben außer Kraft? Fast nichts läuft im Alltag ohne Vertrauensvorschuss ab, wir vertrauen auf die Wirkung einer Massage oder eines Medikamentes. Bereits bei so einem banalen Vorgang, wie einem Einkauf, vertrauen wir, dass wir Dies und Jenes im Regal vorfinden werden. Das größte Vertrauen setzen wir in den Partner. Wir hoffen, dass er uns in einer schwierigen Lebenssituation, wenn wir angegriffen oder beschimpft werden, wenn wir müde und ausgelaugt sind, unterstützt. Uns zu einer unangenehmen Besprechung oder Untersuchung begleitet. Als selbstverständlich nehmen wir an, dass wir morgens wach werden. Die Zweifler versichern sich nachts zwei bis dreimal, dass sie noch am Leben sind.

„Dass die Sonne morgen aufgehen wird, ist eine Hypothese und das heißt: wir wissen nicht, ob sie aufgehen wird“. (Zitat Ludwig Wittgenstein)

Unbewusst vertrauen wir ein Leben lang unserem Herz, von dem die Meisten nicht wissen, welche Leistungen es erbringt. Erst wenn es schmerzt oder holpert werden wir wachgerüttelt. Ähnlich verhalten wir uns zu den anderen Organen. So zu der Lunge, der wir erst dann Aufmerksamkeit schenken, wenn wir beim Stiegensteigen in Atemnot geraten. Nach Tagen, an denen ich keinen Text verfasse, vertraue ich meinem Gehirn, meiner Intuition oder wem sonst, dass ich in der Verfassung bin Texte zu erstellen. Würde die Eingebung ausbleiben, wäre dies für mich ein großer Vertrauenseinbruch.

Richtwert

ver:trauen I

Wir befinden uns in der schönsten Phase des Sommers, die Tage sind warm, die Abende lau und es ist lange hell, sodass man vieles im Freien genießen kann. Jetzt gibt es eine Diskussion darüber, wie der kommende Winter sein wird. Voriges Jahr erlebten wir den wärmsten Dezember seit den Temperaturaufzeichnungen. Bei den geselligen Runden im Freien schwärmen viele Frauen davon, dass sie bereits einen Teil der Weihnachtsgeschenke eingekauft haben. Auch Firmen werben bereits für den Weihnachtseinkauf, mit Vororderaustellungen. Die Modeversandhäuser verschicken die ersten Weihnachtskataloge. Die Reisebüros wollen einem den Weihnachtsurlaub schmackhaft machen, indem sie drohen, dass viele Reisen für die Weihnachtsfeiertage bereits ausgebucht sind. Zumeist sind es Fernreisen oder Angebote, welche vom Wetter unabhängig sind. Schwieriger haben es die Vermieter in den Alpenregionen, wo das Wetter unstabil ist und genügend Schnee eine Rolle spielen. Trotz dem Einsatz von Schneekanonen gibt es noch keine Schneegarantie. Zum Beispiel der vergangene Dezember,die Temperaturen waren für den Einsatz der Schneekanonen zu hoch.Trotz Minustemperaturen in der Nacht, schmolz der Schnee bei den Plusgraden tagsüber. Zum Leidwesen der Wintertouristiker hat sich das Buchungsverhalten für den Winterurlaub geändert. Erst wenn es die ersten Meldungen von einem Wintereinbruch in den Alpen gibt, läuten bei den Vermietern die Telefone. Heute wird vielfach über das Internet gebucht.

Ein heißer Sommer bringt die Hotelbesitzer und Liftbetreiber in den Wintersportregionen doppelt zum Schwitzen: Einerseits bei der Arbeit im Sommerservice und anderseits bangen sie um den Schnee für die Wintersaison.

Ich bin überzeugt, denken Menschen über fünfzig an Weihnachten, dann denken sie an die Zeit, wo sich der Schnee rund um das Haus auftürmte. Nähern sich die Weihnachtsfeiertage und es bleibt warm, weit und breit kein Schnee in Sicht, dann fehlt etwas für die weihnachtliche Stimmung. Die eigene langweilige, übersättigte Stimmung schiebt man dem fehlenden Schnee zu. Man hofft, dass mit dem Schneefall die Stimmung steigen wird. Zu guter letzt beharrt man darauf, das eine Schlechtwetterfront den Jahresausklang retten kann.

Sommerfrost.

hagel:sturm II

Am  Samstag, auf dem Weg zum Wochenmarkt, war ein Stück des Geh- und Fahrradweges Marxrain unpassierbar. Der Fallwind hatte entlang des Weges markante Bäume entwurzelt, zum Teil sind sie auf den Gehweg gestürzt, einige auf die darunterliegende Straße. Zusammen mit einem Stück Asphalt wurden sie entwurzelt. Vor diesen Naturgewalten weiche ich erschrocken zurück und vermerke mit Demut, dass das eigene Wohngebiet vom Hagel und den meisten Auswirkungen des Sturmes verschont geblieben ist. Überall parken die Firmenautos der Spengler und Dachdecker, der Glasermeister und Holzschlägerunternehmer. Auf einem Firmenauto steht: Nicht verzagen wir kommen schon, ein Glasbruch ist kein Beinbruch. Die Schäden sind diesmal um einiges größer als nur eine kaputte Fensterscheibe. Die Sturm- und Hagelschäden betreffen im Besonderen die Bauern und Gärtnereien, wo innerhalb von fünfzehn Minuten die Ernte eines ganzes Jahres zu Bruch gegangen ist.

Mancher Jugendlicher, der sich von seinem ersten selbstverdienten Geld ein Auto gekauft hat, steht jetzt vor einem zerbeulten Fahrzeug. Wer weiß, wie stark Jugendliche an ihrem Auto hängen, kann den gefühlsmäßigen Schaden erahnen, unabhängig vom finanziellen Schaden. Eine Kaskoversicherung haben die wenigsten und die Katastrophe hat Nothelfer angezogen. Auf den Parkplätzen der Einkaufszentren sieht man jetzt mobile Kfz-Werkstätten, die eine Dellensanierung anbieten. Die Autokennzeichen verweisen auf Flexibilität und dem geschäftlichen Riecher. Nach dem Motto: Was dem einen ein Schaden, ist mein Nutzen. Einige dieser mobilen Werkstattwägen kommen aus Wien und Tschechien um hier Geschäfte zu machen. Ein Mechaniker empfiehlt sich in Geduld zu fassen und sich nach ein paar Wochen an einen heimischen Betrieb zuwenden. Die mobilen KFZler würden aus der Not der anderen für sich eine Tugend machen und die Reparaturen zu überhöhten Preisen anbieten.

Bei einem Autoservice im November hat sich ein KFZ-Meister bei mir darüber beklagt, dass das Geschäft in der Werkstätte flau sei. Die Ursache sah er darin, dass es damals noch nicht geschneit hatte und es daher keine Unfälle gab, wie sie oft mit den ersten Schneefällen auftreten. Wobei es zumeist Blechschäden gibt. Die  Schneefälle waren bis dato ausgeblieben, sein Geschäft leidet darunter. Jetzt,  wo das Geschäft auf der Straße liegt, existiert sein Betrieb nicht mehr, er selbst ist seit einigen Jahren in Pension.

hagel:sturm I

Eine Woche nach dem Unwetter über weite Teile von Villach, Sturmwind mit Sturzregen und Hagelschauern, ist man überall dabei die Schäden zu beseitigen. Wie ein Grexit, haben der Aufruhr der Elemente den östlichen Stadtteil, die Ortschaften Magdalen und Wernberg, heimgesucht. An vielen Gebäuden sind das Dach und die Fensterscheiben kaputt, das Wasser ist in tieferliegende Häuser eingedrungen,die Sturzbäche konnten nicht mehr abfließen. Teilweise waren Unterführungen überschwemmt, Fuß- und Radwege, sowie Autostraßen durch entwurzelte Bäume unpassierbar. Dabei wurden bei zahllosen Autos die Heckscheiben und die Karosserie zerstört. Die tennisballgroßen Hagelschlosse fügten vielen Personen Platzwunden am Kopf oder Prellungen an den Schultern zu. So plötzlich wie der Hagel einsetzte, konnten sich die Menschen oftmals nicht in einen Hauseingang oder in ein Lokal retten.

Am Morgen danach sah ich in der Bahnhofstraße die Eishaufen der zusammengeschobenen Hagelschloten. An allen Ecken kontrollierten Dachdecker die Hausdächer und erneuerten zerbrochene Ziegel. Mitarbeiter vom Wirtschaftshof waren dabei die Gehsteige vom Laub und den Ästen freizumachen. An der Wetterseite sah man an den Hausfassaden Einschläge, als wäre auf die Fassade geschossen worden. Teilweise ganz gesprenkelt. Wobei die mit Mörtel verputzten Fassaden widerstandsfähiger waren, als die Wärme-gedämmten mit den porösen Styroporplatten. Die Jalousien mancher Ordination- und Büroraumfenstern waren zerknittert  wie ein Hemd. Bei der Fahrt durch die Italienerstraße sah ich im Innenhof einen umgestürzten Baum, welcher auf das benachbarte Stiegenhaus gestürzt war, dort die Scheiben zertrümmerte und die Fassade arg beschädigt hat.

Beim Trinken eines Aperolspritzer auf der Terrasse  vom Park Café wähne ich mich inmitten eines Holzschlages. Ständig brummt von irgendwo eine Motorsäge und ein Greiflader hievt Baumstämme und Äste auf einen Transporter. Im ganzen Gelände werden die, vom Sturm abgebrochenen Stämme und Äste, beseitigt. Auf der Terrasse ist es viel heller, weil in der Ecke die Bäume durch den Sturm beschädigt wurden und radikal gekürzt werden mussten. Es war furchterregend sagt die Serviererin, die Sitzmöbel im Freien mussten sie nach dem Sturm vom Hauptplatz holen. Zu Hause war das Dach kaputt und Wasser im Keller.

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gehen:laufen

Dasselbe Wort kann in einem Satz eine unterschiedliche Bedeutung haben, nach Sinnhaftigkeit verschieden angewendet werden. Unsere Ausdrucksweise ist im Umgang mit Bekannten anders, als wenn wir im Berufsleben Kontakt mit den Vorgesetzten oder mit Kunden haben. Bei den engsten Freunden genügt die Unterhaltung in der Mundart, wobei sich diese auf die Menschen aus demselben Bundesland beschränkt. Zwischen Kärntner und Vorarlberger kann es bei einer Unterhaltung im Dialekt schon zu inhaltlichen Missverständnissen kommen. So entsteht bei dem einen oder anderen Satz eine Gedankenlücke. Mit der Umgangssprache sollte es zwischen Österreichern keine Probleme geben. Unterhält man sich mit Urlaubern, dann versucht man in der Schriftsprache zu sprechen, wie man sie auf einer Behörde oder bei einer Prüfung anwendet. Eigenartig verdreht klingen meistens die Sätze, spricht man mit Zuwanderern oder Migranten, dann verfällt man auch selbst in einen Zuwanderer Slang. Wir drücken uns bei der Unterhaltung mit verschiedenen sozialen Schichten jeweils anders aus, auch bei den Inhalten.

In Kärnten ist es gebräuchlich, dass man sagt: Man geht in den Supermarkt einkaufen. Ist die Zeit knapp, dann würde man sagen: Man geht einmal schnell in den Supermarkt etwas holen. Die Steigerung von gehen ist, dass man ein schnell vorsetzt. Dafür gäbe es noch viele Beispiele. Laufen hat in Kärnten eine ganz andere Bedeutung, dies bringt man meistens mit dem Sport in Verbindung. Der große LaufEvent heißt, Ganz Kärnten Läuft. Die Sportlichen laufen eine Runde im Park oder den See entlang. Nur bei Notfällen wird man das Wort laufen verwenden: Lauf schnell einen Arzt holen oder lauf schnell zu der Feuerwehr. Die Aufforderung zum Laufen in Notfällen wird heute durch das immer verfügbare Handy ersetzt. Dabei ist es notwendig, schnell, im Sinne von geschickt, das Handy zu bedienen.

Ein zu Besuch weilendes fünfzehnjähriges Mädchen aus Vorarlberg sagte: Sie läuft geschwind in den Supermarkt einen Laib Brot kaufen. Oder sie sagt: Sie läuft geschwind zum Nachbarn Äpfel holen. Auf meinen Einwand, sie hat genug Zeit um einen Laib Brot zu kaufen, erwidert sie: Sie wird nicht laufen, wie das  Wort vermuten lässt, sondern in Vorarlberg sagt man generell statt gehen laufen. Nach meiner Privatphilosophie  drückt sich darin etwas über die Bereitschaft der Vorarlberger zum Schaffen aus. Ihnen geht es darum viel zu machen und alles mit Tempo, sei es einen Laib Brot zu kaufen.

Tscherfl und Tscherfln