Plötzlich sind die Stimmen der Trödelmarktbesucher weit weg, ich stehe vor einem Verkaufsstand mit Bildern, Holzschnitten, kolorierten Zeichnungen, verblassten Aquarellen und Heiligenbildern. Ich weiß nicht genau, sehe ich das Bild hier am Trödelmarkt oder sehe ich es vor meinem geistigen Auge, wie es im Schlafzimmer der Eltern über dem Ehebett gehängt ist. Ein Bub und ein Mädchen, mit einem Korb voller Blumen in einer Hand, gehen über eine desolate Holzbrücke, darunter fließt der schäumende Wildbach. Über den Kindern, die sich an den Händen halten, schwebt ein Schutzengel mit ausgebreiteten Flügeln in einem weißen Kleid. Er hat lange goldgelbe Haare, einen Glorienschein und hält eine Hand schützend über die Kinder. Den Hintergrund bilden einige Bäume und ein Wolkenhimmel.
Vor so einem Bild bin ich abends am Holzboden gekniet und habe mit gefalteten Kinderhänden das Abendgebet gesprochen:
„Heiliger Schutzengel mein,
lass mich dir empfohlen sein.
In allen Nöten steh mir bei
und halte mich von Sünden frei.
Auch in dieser Nacht,
halte bei mir treue Wacht.
Amen.“
Mit meiner kleinen Faust hat mir die Mutter das Kreuzzeichen auf die Stirn, den Mund und die Brust gemacht und mich in ihr Bett gelegt, auf einen Strohsack und mit dem Gulda zugedeckt.