TRÖDEL:markt III

Plötzlich sind die Stimmen der Trödelmarktbesucher weit weg, ich stehe vor einem Verkaufsstand  mit Bildern, Holzschnitten, kolorierten Zeichnungen, verblassten Aquarellen  und Heiligenbildern. Ich weiß nicht genau, sehe ich das Bild hier am Trödelmarkt oder sehe ich es vor meinem geistigen Auge, wie es im Schlafzimmer der Eltern über dem Ehebett gehängt ist. Ein Bub und ein Mädchen, mit einem Korb voller Blumen in einer Hand, gehen über eine desolate Holzbrücke, darunter fließt der schäumende Wildbach. Über den Kindern, die sich an den Händen  halten, schwebt ein Schutzengel mit ausgebreiteten Flügeln in einem weißen Kleid. Er hat lange goldgelbe Haare, einen  Glorienschein und hält  eine Hand schützend über die Kinder. Den Hintergrund bilden einige Bäume und ein Wolkenhimmel.

Vor so einem Bild bin ich abends  am Holzboden gekniet und habe mit gefalteten Kinderhänden das Abendgebet gesprochen:

„Heiliger Schutzengel mein,

lass mich dir empfohlen sein.

In allen Nöten steh mir bei

und halte mich von Sünden frei.

Auch in dieser Nacht,

halte bei mir treue Wacht.

Amen.“

Mit meiner kleinen  Faust hat mir die Mutter das Kreuzzeichen auf die Stirn, den Mund und die Brust gemacht und mich in ihr Bett gelegt, auf einen Strohsack und mit dem Gulda zugedeckt.

TRÖDEL:markt II

Ich schlendere an den Verkaufstischen vorbei und denke mir, dass man vieles nicht mehr verwenden kann, manche Dinge stoßen ab, gebrauchte Gebisse und Nachttöpfe. Bei dem Kaffee- und  Teegeschirr handelt es sich meistens um Garnituren mit fehlenden Einzelstücken.  Tafelgeschirr wie es einmal  im gehobenen Mittelstand, bei den Kaufleuten und Handwerksmeistern verwendet wurde, mit verschnörkelten Griffen und mit einem Goldrand versehen. Dazwischen viele Nippes, in Glas, Porzellan und Keramik  von denen ich annehme,  dass sie einmal für eine freudige Überraschung bei einem Geburtstag oder unter dem Christbaum sorgten. Nicht zu übersehen sind  die alten  Radios aus den sechziger Jahren, in Holz gefasste Kästen, vorne mit einer Skala auf der die einzelnen Sender angeführt sind, rechts und links ein großer runder Drehknopf, womit man die Sender einstellen und die Lautstärke regeln konnten. Dazu an der Vorderfront weiße Tasten zum Auswählen von MW , LW und UKW. Ein ähnliches Radio stand  in unserer Küche auf einer Konsole  im Herrgottswinkel, so hoch oben, dass wir es als  Kinder nicht erreichen konnten. Daneben eine Küchenwaage, mit zwei Waagschalen, bei der man auf der einen Seite das Mehl, die gedörrten Pflaumen oder Nüsse gelegt hat und auf die andere Waagschale die einzelnen Gewichte.  Beim Verkauf der Kirschen und Zwetschken in der Barackensiedlung in der Bezirksstadt war auch eine solche Küchenwaage dabei. Immer findet man am Flohmarkt eine große Anzahl aussortierter Bücher. Ich nehme eine Fibel für Leseanfänger in die Hand  und schaue sie mir genauer an, die nostalgischen Zeichnungen vom  Apfelbaum, vom Hund, vom Kind im Regenmantel und die Drachen im Herbstwind. MO, MA, MIMI, MAMA, waren die ersten Wörter die ich schreiben und lesen lernte. Der Bummel über den Flohmarkt führt mich Schritt für Schritt in die Kindheit zurück, und  blicke  über allzu  modernes wie Schreibmaschinen, PC und viele Dekoartikel hinweg. Bei einem Stand mit gebrauchten  Werkzeugen,  wie Sense, Beißzangen, Stemmeisen, Hobel und Raffmesser, diese Werkzeuge befanden sich in der hauseigenen Getreidemühle.  Ich höre in meinen Kopf  das Rieseln des Getreides, das Knirschen der sich reibenden Mühlsteine, das Geknatter des Mehlfilters. Über dem ganzem Werkzeug lag nach einem Mahlvorgang ein feiner Film Mehlstaub.

Fortsetzung….

TRÖDEL:markt I

Jedes Jahr im Herbst zieht der Dreiländerflohmarkt, der am Hauptplatz und  rund um die Stadtpfarrkirche stattfindet, Besucher  aus den Nachbarregionen und allen Bevölkerungsschichten  an. Die Aussicht, für wenig Geld etwas Kurioses oder Nützliches  kaufen zu können, lässt schon am frühen Morgen die Leute auf den Hauptplatz strömen. Er ist der Börsenplatz des „kleinen Mannes“ mit der Möglichkeit des Verkaufens, Kaufen und Handeln,  mit der Aussicht auf ein Schnäppchen.  Die Innenstadt verwandelt sich zu einem Marktplatz mittelalterlicher Prägung, wie ich es aus historischen Filmen kenne. Dort war der Markt ein zentraler Ort des täglichen Lebens. Gerade in Städten die am Meer oder an einem Fluss gelegen waren, trafen Waren aus allen Weltgegenden ein, wurden verteilt und  weiterverkauft.  Ähnliches sieht man heute noch in einer Fernsehdokumentation aus einer Stadt in Indien, Türkei oder Algerien.  Gezeigt werden Menschenschlangen die sich durch zumeist schmale Gassen drängen und Händler, die  lautstark und mit  vielen Gesten versuchen  ihre Ware den vorbeieilenden Menschen anzupreisen. Von diesen Bildern lasse ich mich verführen und mische mich unter die Flohmarktbesucher. Die verschiedenen Sprachen vermischen sich zu einem Gemurmel, dazwischen tönt eine Lachsalve , eine gebieterische Stimme verlangt nach Aufmerksamkeit und manche Zurufe der Händler untereinander klingen so, als würden sie über die Köpfe der Besucher hinweggehen. Der Trödelmarkt ist ein buntes Gemisch von brauchbaren und unbrauchbaren Waren, von Zweckdienlichem und Sammlerstücken. Er ist das Gegenteil von den steril wirkenden Läden der Handelsketten und braucht keine  künstlichen Dekorationselemente um Stimmung zu erzeugen. Die Tandlerinnen und Tandler sind jeder ein Original für sich, mal in luftigen Kleidern, mit großen Dekolleté um den Kaufreiz zu erhöhen, mit Bärten und ausgefallenen Hüten. Eines ist  allen gemeinsam, der gelangweilte  Gesichtsausdruck, als wollten sie von ihrem Tand nichts verkaufen und doch lugen sie unter den Hüten und Schirmmützen hervor und versäumen keinen, der einen Blick  auf die ausgestellte Ware wirft. Schon die Geste, wie jemand nach einer Porzellaneule  greift, lässt den Preis im  Kopf der Händlerin ansteigen, von fünfzehn Euro auf zwanzig Euro, um dann  beim Feilschen nach dem lautstarken Protest des Kunden,  zwei Euro nachzulassen.

Fortsetzung….

 

SCHREIB:schrift III

Mit ihrer Musik haben die Beatles und die Rolling Stones in den sechziger Jahren die  Musiksendungen im Radio erobert. Diese Musik wollten wir als Jugendliche auch körperlich spüren und haben die Lautstärke erhöht, sodass das Radio vibrierte. Die Mutter war besorgt, dass das Küchenradio durch die Musik Schaden nehmen könnte und bei uns ein Gehörschäden eintreten könnte. Dieser „Lärm“, so wurde die Beatmusik von den Erwachsenen bezeichnet, macht das Gehör und das Gehirn kaputt. “Am Land” öffneten die ersten Diskotheken, wie die Bussi Bar und die Seppi Stubn ihre Pforten. Bei Schönwetter konnte man am Sonntagnachmittag am Innsberg, in der Nähe der drei Kreuze, Jugendliche treffen, welche sich in der Wiese um ein Transistorradio  niedergelassen hatten. Ein transportables Transistorradio stand bei den Mädchen, und bei den Burschen ein KTM Moped, auf der Wunschliste ganz oben.

Heute trifft man am Hauptplatz, im Bus, in der  Straßenbahn und  im Park auf Jugendliche, die mit Kopfhörer unterwegs sind. Der MP3Player versorgt sie über Stunden mit Musik, die vom Ohr direkt in das Gehirn dringt und so laut, dass die Nachbarn mithören. Bei den Joggern hört der Wald als Naturkulisse mit. Dem Enkel ist es langweilig, wenn einen halben Tag lang keine Fun-Aktion geplant ist. Vor zwei Jahrzehnten wurde der Fernseher in der Früh eingeschaltet,  danach der Gameboy und jetzt der MP Player. Ist man unterwegs zum nächsten Event, dann wird derweil am Handy gespielt.

Spielsüchtig.

SCHREIB.schrift II

In den heutigen Autos findet sich die neueste Unterhaltungselektronik, um vieles mehr, als dies vor vier Jahrzehnten der Fall war. In den siebziger Jahren konnte man ein Mädchen zum Mitfahren überreden, in dem man sagte: „Im R4 ist ein Autoradio eingebaut“. Das Autoradio sorgte  für Unterhaltung und Spaß beim Fahren. Die nächste Generation der Autoradios verfügte über einen Kassettenteil  zum Abspielen von Musikkassetten. Damit habe ich mir die Tonbandkassetten von den  Ö1 Sendungen „Tonspuren“ und  „Im Gespräch“ angehört.  Die Aufzeichnungen dieser Sendungen gab es in “Zehner  Boxen”, noch heute  besitze ich diese MC. Zum  Abspielen habe ich meinen Radiorekorder ITT   behalten und nicht entsorgt.  Dieser Radiorekorder besitzt ein eingebautes Mikrofon, sodass es möglich ist Gespräche aufzuzeichnen. Damit habe ich Interviews mit interessanten Menschen aus Arnoldstein aufgezeichnet und sie im Nachrichtenblatt veröffentlicht. Diese Tonbänder befinden sich heute im Heimatmuseum, von wo mir mitgeteilt wurde, dass die MC digitalisiert und auf eine CD gebrannt werden. In staatlichen und halbstaatlichen Institutionen wird die Möglichkeit genützt, verschiedene Dokumente, auf die jeweils neuesten Techniken zu überspielen. Im Vergleich dazu haben sich die Bücher in ihrer Art  über Jahrhunderte erhalten und werden noch einige Jahrhunderte dazulegen.

Von den aktuellen Datenträger und Speichermedien weiß man nicht, ob es sie in hundert Jahren noch geben wird. Nach den MCs sind die Singles und die Langspielplatten aus den Läden verschwunden, sie alle wurden von der Compact Disc abgelöst. Wie lange wird es noch Geräte geben, mit denen man eine MC oder LP abspielen kann?  Ähnliches passiert bei der Benützung des PC, nur  wenige verfügen noch über ein Diskettenlaufwerk.  Weil er leicht zu bedienen ist gehört die nahe Zukunft dem USB- Stick. 

Literaturarchiv Marbach – schlagloch/supersberger