E:bikes

Im letzten Jahrzehnt haben immer mehr Menschen ihre Vorliebe für das Radfahren entdeckt. Beigetragen hat dazu die Einsicht, dass es gesünder und billiger ist, im Alltag kurze Strecken mit dem Rad zurückzulegen. Im Stadtverkehr gibt es, bei der Begegnung zwischen Rad- und Autofahrern sowie den Fußgängern, eine Reihe von Gefahrenquellen. Gefordert wird eine gegenseitige Akzeptanz zwischen Auto- und Radfahrern und bei gegenseitiger Rücksichtnahme ist im öffentlichen Verkehrsnetz Platz für beide. Das Radwegenetz wird weiter ausgebaut und verkehrssicher gemacht. Für das Radfahren werben die Gesundheitsaposteln und die Fremdenverkehrswirtschaft. Seit kurzem werden E-Bikes zum Kaufen angeboten, dabei wird die eigene Muskelkraft bei Bedarf durch einen E-Motor unterstützt. Ich stehe als Radfahrer, der die Muskelkraft benützt, dem E-Bike skeptisch gegenüber. Es ist gut, wenn man zu Fuß schlecht unterwegs ist oder eine Unterstützung durch den E-Motor braucht um eine Steigungen zu überwinden. Ich kann mir vorstellen, dass sich E-Bikefahrer zu einer Gruppe zusammenschließen, um gemeinsame Ausflüge zu unternehmen. Argwöhnisch bin ich, wenn in einer Gruppe ein Teil mit E-Bike unterwegs ist und der andere Teil mit herkömmlichen Fahrrädern. Ähnliche Skepsis habe ich, wenn ein  Partner das traditionelle Fahrrad verwendet und der Andere ein E-Bike. Dadurch entsteht ein Wettbewerbsverzehr der Kräfte. Während der Eine mit Unterstützung des E-Motor bequemer und schneller die Strecke zurücklegt, fährt der Andere mit dem herkömmlichen Fahrrad hinterher und fühlt sich gestresst.  Ein ungleicher Wettbewerb tut einer Gruppe oder einer Paarbeziehung nicht gut.

Für mich bedeutet Rad fahren nicht ein fahren von Punkt A nach Punkt B, sondern für mich steht das Loslassen, das Entspannen und ein leichtes Konditionstraining im Vordergrund. Radfahren hat für mich meditativen, religiösen Charakter, es ist eine Kulthandlung. Das Wichtigste am Radfahren sind für mich die Pausen, in denen ich mich niedersetzte und die Beobachtungen in einem Notizheft festhalte.

Tagebuchnotizen.   

SARA :brennt II

Gott, der Sara und Abraham einen Sohn verspricht, welcher der  Gründervater für das Volk Israel sein wird, wird während der Kirchenoper  nie greifbar, so unsichtbar wie heute.  Er lässt sich durch einen Engel, eine Stimme und eine Erzählerin vertreten, manches Mal ein Feuerschein auf der Zeltplane.  Manche hören ihn  sprechen und  erwarten, dass die Umstehenden, die nichts sehen und hören, an ihn Glauben und ihren Aussagen Glauben schenken. Die Musik lässt kein  mitfühlen um das Ringen nach Klarheit und Antworten zu,  zerstückelt kommen die Töne aus dem Seitenschiff, in der Nähe der Sakristei. Ich erinnere mich, dass dort das Ewige Licht brennt. Sosehr man sich bemüht bei der Musik zu verweilen, die Klänge brechen sofort wieder ab, eine musikalische Folter im Kirchenraum. Unerwartet setzt der Gesang Sarahs ein, fragend und fordernd, eine Kampfansage an Gott und die Männer. Als Leuchtschrift am Himmel die Texte, sie werden in roter Schrift auf einem Lichtbalken angezeigt, zum Mitlesen. Einmal werden die Decke der Stiftskirche und die Seitenaltäre für einen Moment von einem sanften, weichen Licht ausgeleuchtet und die Musik schweigt. Ein Lichtblick.

Am Tag der „Mariä Himmelfahrt“, da ich diesen Text verfasse,  hörte man in der Lesung von einem vergleichbaren Schicksal. Auch Maria kann es nicht glauben, dass sie ein Kind gebären soll, da sie mit keinem Mann „zusammenwohnt“.  Wieder wird von einer  Frau erzählt, die bedingungslos an die Verheißungen Gottes glaubt. Beidemal, bei Sara und Maria, würden die Geschehnisse einer medizinischen und biologischen Überprüfung nicht standhalten.  Aber haben wir heute noch den Mut so bedingungslos zu glauben, uns ganz den Verheißungen Gottes auszuliefern. Heute wollen wir kein Risiko eingehen, wir wollen gesicherte Straßen und Wanderwege, organisierte Busfahrten und Zeltfeste,  beständige Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen.  Für jedes Risiko gibt es eine Versicherung, man muss sie nur bezahlen können. Für die großen  Risiken, die Bewältigung der  Schulden- und Eurokrise, die Versprechungen der Minister. Offene Verheißungen.

Brand aus.

SARA:brennt

Bei der Fahrt entlang des Ossiachersee zur Kirchenoper „Sara und ihre Männer“  in der Stiftskirche Ossiach denkt man an die Nachbarn, deren Sohn am Südufer ein Fischrestaurant führt  und indem die Eltern in den Sommermonaten täglich aushelfen. Den genauen Standort weis man nicht, aufmerksam verfolgt man die vielen Hinweistafeln entlang der Straße, ein Tourismusbetrieb reiht sich an den Anderen. Unverhofft das Schild „Campingplatz Martinz“, ein Fingerzeig  zur politischen Situation in  Kärnten. Kurz vor Ossiach, auf einer Kuppel, erblickt man den  See.  Die Sonne ist von Wolken verdeckt,  die Wasseroberfläche Preußischblau fast Schwarz.  Der Turm der Stiftskirche wird sichtbar und in nächster Nähe steigen Rauchschwaden auf. Bei der  Fahrt in den Ort werden die Rauchschwaden dichter, der Qualm steigt von einem Gebäude gegenüber dem Stift  auf.  Beim ersten Hinschauen sieht man angekohlte Balken auf den Steinmauern, die  Schornsteine stehen im Freien und ragen nackt  in den Himmel. Ein kleines Stück vom Dachgeschoss, in Schräglage, existiert noch, aus allen Luken qualmt es.  Das Gebäude, die ehemalige Stiftsschmiede, heute ein Fischrestaurant,  ist  von Zuschauern eingekreist. Zum Großteil sind es Urlauber, die hier am See ihre Freizeit verbringen, Babys,  Kleinkinder und Ehepaare im Freizeit Look,  zum Teil noch in Badebekleidung. Vom Strand zum Brandherd. Viele halten die  Hände hoch, zum Fotografieren mit dem Handy. Verwundert stellt man fest, dass kein Brandgeruch zu riechen ist, obwohl es im Holz und Gebälk des in sich zusammengestürzten Dach- und Obergeschoßes noch immer knistert und  kracht,  glost und raucht. Der Wind treibt den Rauch vom Stift weg, den See auswärts nach Villach.  Am Ufer steht ein Feuerwehrauto mit laufendem Motor  und einem Saugrohr im See.  Vor dem Gebäude mehrere Feuerwehrleute in dunkelgrünen Uniformen und zwei Feuerwehrautos. Es beginnt zu dämmern  und ab zu züngelt im Gebälk eine Feuerszunge hervor und wird mit einem Wasserstrahl zum Schweigen gebracht.

Immer noch strömen Leute herbei. Damen und Herrn in den besten Jahren und ältere Ehepaare, alle in Abendkleidung, sie sind auf dem Weg zu der Kirchenoper „Sara und ihre Männer“. Etwas diskreter zücken auch sie ihre Handys, eine Vorstellung außerhalb der Kirche. Im Gastgarten des Stiftes, vis a vis der Brandruine,  stehen zwei dicke, verkohlte Baumstämme. Es sieht so aus, als wären zwei Stämme aus den Flammen gerettet und hier aufgestellt worden. Es ist dies eine  Installation  von  Johann Feilacher  mit dem Titel,  „Keil / zum Keil“. Zwei  abgeschrägte Eichenstämme  mit einer glatten Schnittfläche, ansonsten rundherum versengt.  Es entsteht der Eindruck, als wären es Vorboten zum Brand gewesen, zwei angeschwärzte  Keile die mahnend in den Himmel zeigen.  Darauf hinweisen, dass Feuer vom Himmel fallen kann. Bei der Einführung zur Kirchenoper hört man im Pfarrsaal durch das geöffnete  Fenster die Geräusche der Wasserpumpe, im Saal ist es unerträglich heiß.

Feuerzungen.

FUND:ament

Im Kurs, „Fit für den Rücken“, werden Übungen im Stehen gemacht, dabei ist es wichtig, dass man auf beiden Füßen ausgewogen steht. Bei Yogaübungen soll man gut „geerdet“ sein. Dabei stellt man sich vor, dass man mit Hilfe der Fußsohlen Verbindung mit dem ganzen Universum aufnimmt. Die Reifenindustrie verweist in ihrer Werbung darauf, dass es vier Reifen sind,  welche das Auto mit der Straße verbinden. Sind diese abgefahren oder von schlechter Qualität, dann kann das Auto in heiklen Situationen, wie Nässe, Schnee und Regen, die Bodenhaftung verlieren. Dies bedeutet für die Autoinsassen Lebensgefahr. 

Im Leben ergeht es uns ähnlich, wir brauchen für die verschiedenen Lebensabschnitte ein gutes Fundament. Ein liebevolles Elternhaus und eine umfangreiche Schulbildung bilden ein gutes Fundament für das weitere Leben. Später muss jeder, je nach Schicksal, selbst für ein geeignetes Fundament sorgen. Die einen finden es in der Gründung einer Familie, im Beruf, in einem Verein, wie der Feuerwehr oder der Caritas und heute aktuell in einem Social Media Netzwerk. Diese Fundamente haben manches Mal über Jahrzehnte Bestand. Ändert sich dieses Fundament oder bricht ein Teil weg,  je nach Größe und Bedeutung, wird es ungemütlich. Die Situation entspricht der auf einer Klippe, wenn ein Teil unter den Füßen wegbricht. Bei Männern und bei immer mehr Frauen ist dies das Ende der Berufszeit, der Ausstieg aus dem Arbeitsleben. Auf welches neue Fundament kann man dann sein Leben stellen und wie kann man es erden? Dabei spielt auch die Höhe der Pension eine Rolle. Es ist nicht möglich die Höhe des Einkommens selbst zu bestimmen, die Erhöhungen werden vom Staat bestimmt. Es ist gut, wenn sich dann etwas Neues öffnet, eine Bibelrunde, ein neuer Arbeitsplatz oder die Mitarbeit in einem Verein zur Errichtung eines Heimatmuseums. Auch handwerkliche und künstlerische Begabungen können in späteren Jahren, so nach dem Ende der Berufszeit, zu einem neuen Fundament werden. Die Basis für die Zukunft schaffen heute Computer- und Internetkurse für Späteinsteiger. 

Für viele Pensionisten in der Draustadt ist ein neuer Anfang, am Morgen einen Cappuccino bei McDonald zu trinken, die Zeitungen durchzublättern und den Jugendlichen hinterherschauen. 

Zurückblicken.  

ER:holung

Von Erholung sprechen wir, wenn wir uns von einer anstrengenden Aufgabe oder Arbeit ausruhen müssen. Es gibt auch angenehme Beschäftigungen wie Tanzen und Essen, wo wir dann sagen, jetzt müssen wir uns erst einmal erholen. In den reiferen Jahren hat ein Kuraufenthalt den größten Erholungswert. Vorausgesetzt, dass man nicht über die Stränge schlägt, während des Kuraufenthaltes die Nacht zum Tag macht. Während der Zeit unterhält man sich gerne darüber, wie der Kuralltag in anderen Kurhäusern abläuft. Wesentliche Dinge sind dabei, wie es andere Kurhäuser mit der Nachtruhe und der Verpflegung handhaben. Dabei machen die unterschiedlichsten Geschichten, meistens sind es Gerüchte, die Runde. Die Regel ist, dass um 22 Uhr  Nachtruhe ist und alle Kurgäste im Kurheim sein müssen. Bei manchen Kuranstalten wird die Eingangstüre abgesperrt und dies zusätzliche kontrolliert. Nur durch die Verständigung der Nachtschwester ist es möglich das Heim zu betreten. Die Missachtung der Nachtruhe bedeutet den Ausschluss aus dem Kurheilverfahren. Diese Vorschrift löst das meiste Unbehagen unter den Kurgästen aus, dazu gibt es die meisten Unmutsäußerungen. Es kursieren Geheimtipps von Kurhäusern, wo dies nicht so streng gehandhabt wird. Dabei sind es wenige, welche sich nicht an die offizielle Nachtruhe halten. Wer fleißig am Kurprogramm teilnimmt freut sich auf die Nachtruhe, für „Nachteulen“ sind die Zimmer mit den modernen Medien ausgestattet.

Die Krankenkassenkuren werden zumeist von den Menschen fünfzig plus in Anspruch genommen. Viele nützen diese Möglichkeit um mit einem zufriedenstellenden Gesundheitszustand in Pension zu gehen. Andere wollen sich nicht in Vorschriften einfügen und zahlen den Kuraufenthalt selbst und genießen mehr Freiheiten. Dabei ergibt sich die Frage, ob es für Menschen im Ruhestand einen staatlich finanzierten Kuraufenthalt braucht? Worin bestehen die Anstrengungen in der Pension, die eine Krankenkassenkur rechtfertigen? Braucht es in diesem Lebensabschnitt eine Kur oder einen Urlaub, wenn Erholung das Tagesprogramm ist? Im Vordergrund steht ein Tapetenwechsel, um wieder Luft zum Atmen zu bekommen. Mit allen Sinnen den Tag und die Umgebung neu wahrnehmen.

Sinneswahrnehmung.