GE:duld

Es gibt verschiedene Formen der Ungeduld, jeder hat seine Schwachstellen. Mancher wird ungeduldig, wenn es im Supermarkt  der Kunde vor ihm nicht schafft die Waren rasch genug vom Förderband zu klauben oder beim Bezahlen nach dem Kleingeld sucht. Ältere Menschen bezahlen an der Supermarktkassa die Rechnung selten mit Münzen. Meistens bezahlen sie den Betrag mit einem Euroschein, weil sie die Ungeduld des Nächsten im Rücken spüren. Von Zeit zu Zeit wechseln die Pensionisten bei einem Bankschalter die vielen kleinen Euromünzen ein. Viele haben es verlernt  zu warten, wenn in einem Geschäft noch persönlich bedient wird. Meistens versuchen sie die Ware selbst zu finden.

Es gibt kaum Menschen, welche die Geduld aufbringen zu warten bis sich die Lifttüren von selbst schließen. Meistens wird die Taste “Schließen” gedrückt. In einem Gasthof wird oft nicht gewartet bis uns die Bedienung die Speisekarte bringt. Man kann beobachten, dass sich die Gäste die Speisekarte von der Anrichte  holen, um dann von der Wirtin mit einen vorwurfsvollen Blick bestraft zu werden.

Haben sie eine Minute Zeit.

TEIL:en

Bei der Drau-Brücke in Gummern gibt es am Radweg einen Steg der in den Fluss ragt und in der Nähe einen Rastplatz mit ein paar Bänken und einem Tisch. Aus  einem rohen Stein ragt ein Wasserhahn. Es ist ideales Radfahrwetter, nicht zu heiß und nicht zu kalt. Beim Nachbarn der neben mir auf der Bank sitzt läutet das Handy. Dem Gespräch zu Folge, dem ich zuhören muss, ist es seine Frau. Sie schildert  ihm was sie heute zu Mittag kochen will und fragt ihn ob er damit einverstanden ist. Sollte er  zum Mittagessen noch nicht zu hause sein, so werde sie ihm etwas auf die Seite stellen, aber wie groß soll die Portion sein? Er antwortet: “Er  weiß nicht,  wie groß sein Hunger sein wird.

Danach steht er auf, legt seine Sonnenbrille ab, richtet sich sein T-Shirt welches aus der Hose gerutscht ist und geht zu seinem Fahrrad. Er holt aus der Satteltasche einen kleinen Leinenbeutel und beginnt mit einem Finger die vorderen Stoßdämpfer einzuschmieren. Bei genauem Hinsehen entpuppt sich die weiße Schmiere als Butter, welche zwischen seinen Jausenbroten hervorquillt.

Österrreich.

 

TRÖDEL:markt III

Plötzlich sind die Stimmen der Trödelmarktbesucher weit weg, ich stehe vor einem Verkaufsstand  mit Bildern, Holzschnitten, kolorierten Zeichnungen, verblassten Aquarellen  und Heiligenbildern. Ich weiß nicht genau, sehe ich das Bild hier am Trödelmarkt oder sehe ich es vor meinem geistigen Auge, wie es im Schlafzimmer der Eltern über dem Ehebett gehängt ist. Ein Bub und ein Mädchen, mit einem Korb voller Blumen in einer Hand, gehen über eine desolate Holzbrücke, darunter fließt der schäumende Wildbach. Über den Kindern, die sich an den Händen  halten, schwebt ein Schutzengel mit ausgebreiteten Flügeln in einem weißen Kleid. Er hat lange goldgelbe Haare, einen  Glorienschein und hält  eine Hand schützend über die Kinder. Den Hintergrund bilden einige Bäume und ein Wolkenhimmel.

Vor so einem Bild bin ich abends  am Holzboden gekniet und habe mit gefalteten Kinderhänden das Abendgebet gesprochen:

„Heiliger Schutzengel mein,

lass mich dir empfohlen sein.

In allen Nöten steh mir bei

und halte mich von Sünden frei.

Auch in dieser Nacht,

halte bei mir treue Wacht.

Amen.“

Mit meiner kleinen  Faust hat mir die Mutter das Kreuzzeichen auf die Stirn, den Mund und die Brust gemacht und mich in ihr Bett gelegt, auf einen Strohsack und mit dem Gulda zugedeckt.

TRÖDEL:markt II

Ich schlendere an den Verkaufstischen vorbei und denke mir, dass man vieles nicht mehr verwenden kann, manche Dinge stoßen ab, gebrauchte Gebisse und Nachttöpfe. Bei dem Kaffee- und  Teegeschirr handelt es sich meistens um Garnituren mit fehlenden Einzelstücken.  Tafelgeschirr wie es einmal  im gehobenen Mittelstand, bei den Kaufleuten und Handwerksmeistern verwendet wurde, mit verschnörkelten Griffen und mit einem Goldrand versehen. Dazwischen viele Nippes, in Glas, Porzellan und Keramik  von denen ich annehme,  dass sie einmal für eine freudige Überraschung bei einem Geburtstag oder unter dem Christbaum sorgten. Nicht zu übersehen sind  die alten  Radios aus den sechziger Jahren, in Holz gefasste Kästen, vorne mit einer Skala auf der die einzelnen Sender angeführt sind, rechts und links ein großer runder Drehknopf, womit man die Sender einstellen und die Lautstärke regeln konnten. Dazu an der Vorderfront weiße Tasten zum Auswählen von MW , LW und UKW. Ein ähnliches Radio stand  in unserer Küche auf einer Konsole  im Herrgottswinkel, so hoch oben, dass wir es als  Kinder nicht erreichen konnten. Daneben eine Küchenwaage, mit zwei Waagschalen, bei der man auf der einen Seite das Mehl, die gedörrten Pflaumen oder Nüsse gelegt hat und auf die andere Waagschale die einzelnen Gewichte.  Beim Verkauf der Kirschen und Zwetschken in der Barackensiedlung in der Bezirksstadt war auch eine solche Küchenwaage dabei. Immer findet man am Flohmarkt eine große Anzahl aussortierter Bücher. Ich nehme eine Fibel für Leseanfänger in die Hand  und schaue sie mir genauer an, die nostalgischen Zeichnungen vom  Apfelbaum, vom Hund, vom Kind im Regenmantel und die Drachen im Herbstwind. MO, MA, MIMI, MAMA, waren die ersten Wörter die ich schreiben und lesen lernte. Der Bummel über den Flohmarkt führt mich Schritt für Schritt in die Kindheit zurück, und  blicke  über allzu  modernes wie Schreibmaschinen, PC und viele Dekoartikel hinweg. Bei einem Stand mit gebrauchten  Werkzeugen,  wie Sense, Beißzangen, Stemmeisen, Hobel und Raffmesser, diese Werkzeuge befanden sich in der hauseigenen Getreidemühle.  Ich höre in meinen Kopf  das Rieseln des Getreides, das Knirschen der sich reibenden Mühlsteine, das Geknatter des Mehlfilters. Über dem ganzem Werkzeug lag nach einem Mahlvorgang ein feiner Film Mehlstaub.

Fortsetzung….

TRÖDEL:markt I

Jedes Jahr im Herbst zieht der Dreiländerflohmarkt, der am Hauptplatz und  rund um die Stadtpfarrkirche stattfindet, Besucher  aus den Nachbarregionen und allen Bevölkerungsschichten  an. Die Aussicht, für wenig Geld etwas Kurioses oder Nützliches  kaufen zu können, lässt schon am frühen Morgen die Leute auf den Hauptplatz strömen. Er ist der Börsenplatz des „kleinen Mannes“ mit der Möglichkeit des Verkaufens, Kaufen und Handeln,  mit der Aussicht auf ein Schnäppchen.  Die Innenstadt verwandelt sich zu einem Marktplatz mittelalterlicher Prägung, wie ich es aus historischen Filmen kenne. Dort war der Markt ein zentraler Ort des täglichen Lebens. Gerade in Städten die am Meer oder an einem Fluss gelegen waren, trafen Waren aus allen Weltgegenden ein, wurden verteilt und  weiterverkauft.  Ähnliches sieht man heute noch in einer Fernsehdokumentation aus einer Stadt in Indien, Türkei oder Algerien.  Gezeigt werden Menschenschlangen die sich durch zumeist schmale Gassen drängen und Händler, die  lautstark und mit  vielen Gesten versuchen  ihre Ware den vorbeieilenden Menschen anzupreisen. Von diesen Bildern lasse ich mich verführen und mische mich unter die Flohmarktbesucher. Die verschiedenen Sprachen vermischen sich zu einem Gemurmel, dazwischen tönt eine Lachsalve , eine gebieterische Stimme verlangt nach Aufmerksamkeit und manche Zurufe der Händler untereinander klingen so, als würden sie über die Köpfe der Besucher hinweggehen. Der Trödelmarkt ist ein buntes Gemisch von brauchbaren und unbrauchbaren Waren, von Zweckdienlichem und Sammlerstücken. Er ist das Gegenteil von den steril wirkenden Läden der Handelsketten und braucht keine  künstlichen Dekorationselemente um Stimmung zu erzeugen. Die Tandlerinnen und Tandler sind jeder ein Original für sich, mal in luftigen Kleidern, mit großen Dekolleté um den Kaufreiz zu erhöhen, mit Bärten und ausgefallenen Hüten. Eines ist  allen gemeinsam, der gelangweilte  Gesichtsausdruck, als wollten sie von ihrem Tand nichts verkaufen und doch lugen sie unter den Hüten und Schirmmützen hervor und versäumen keinen, der einen Blick  auf die ausgestellte Ware wirft. Schon die Geste, wie jemand nach einer Porzellaneule  greift, lässt den Preis im  Kopf der Händlerin ansteigen, von fünfzehn Euro auf zwanzig Euro, um dann  beim Feilschen nach dem lautstarken Protest des Kunden,  zwei Euro nachzulassen.

Fortsetzung….