ZEIT:krank II

In der Schöpfungsgeschichte heißt es: „Es war Abend und Gott sah, dass es gut war.“ Ist man in der Lage, dass man am Abend ähnliches von sich sagen kann, dann hat man eine entspannte Nacht vor sich. Befindet man sich in der Situation von Sisyphus, der sich Tag für Tag abmühte einen Stein den Berg hochzurollen und dem kurz vor dem Ziel der Stein wieder aus den Händen gerutscht ist, dann wird es eine unruhige Nacht,  mit der Gewissheit, dass dieselbe Mühsal am nächsten Tag wieder bevorsteht. Es gibt Abschnitte im Leben, wo man näher bei Sisyphus liegt als beim Schöpfer. Dies ist der Fall, wenn man mit den immer gleichen Aufgaben konfrontiert ist. Wo man am Vortag weiß, was man am nächsten Tag machen muss. Unzufriedenheit kann sich auch einstellen, wenn man auf der Suche nach einer neuen Beschäftigung ist und sich dabei zwischen verschiedenen Angeboten nicht entscheiden kann.

In einem ständigen Wettlauf mit der Krankheit ist man, wenn man mit einem kleinen Betrieb selbstständig ist. Die meisten Tage steht man selbst im Betrieb und nur um verschiedene Besorgungen zu erledigen hat man eine Teilzeitkraft. Es ist selbstverständlich, dass man versucht hartnäckige Beschwerden, wie Rückenschmerzen und Magenprobleme, bis zu Saisonende mit Schmerztabletten und Säureblocker abzuwürgen. Da Krankheiten nicht auszurotten sind, treten sie nach Saisonende noch stärker auf. In einzelnen Fällen werden Operationen in die umsatzschwache Zeit verschoben. Mit dem Alter wird die Sorge um die Gesundheit größer und Sorgen sind keine Gesundheitsoase.

Ab fünfzig kann man nichts vorhersagen und die Vorsichtigen lehnen es ab, länger als für drei Monate im Voraus zu planen. Die Optimisten planen für drei Jahre im Voraus. Man sehnt sich nach Urlaub, kann aber nicht genau sagen, ob die Zeit zur Verfügung stehen wird und ob man gesund sein wird. Bezieht man den Aspekt der Gesundheit in seine Planungen ein, dann wird es spekulativ, außer man ist jung. Dazu kommen noch die Vorbereitungen wer in der Abwesenheit die Wohnung, die Katzen, die Blumen und den Kanarienvogel betreuen wird. Nach diesen Vorarbeiten versucht man den Urlaubstermin um jeden Preis einzuhalten, auch um den Preis der Gesundheit.

Gesundbrunnen.

ZEIT:krank

Die Beschäftigung mit der Zeit ist ein immer wiederkehrendes philosophisches Thema. Wir wissen, dass sich Augustinus eingehend mit der Zeit beschäftigt hat. Er wollte ergründen, wie es möglich und vorstellbar ist, dass Gott ewig ist und das er schon immer war. Vor unserer Zeit und nach unserer Zeit. Für viele ist dies nicht nachvollziehbar, wo wir im besten Fall 100 Jahre alt werden können. Dabei ist es nicht sicher, ob dies wünschenswert ist.

Im Erwerbsleben ist die Arbeitszeit vorgegeben, für die meisten ist eine freie Zeiteinteilung innerhalb der Wochenstunden möglich. Bereits in der Übergangsphase zu einem neuen Lebensabschnitt beschäftigt man sich mit der Zeit. Tritt man in eine neue Lebensphase ein, dann wird man mit der Herausforderung konfrontiert, den Tagesablauf selbst einzuteilen. Es muss die Frage geklärt werden, wie lange man eine Tätigkeit ausüben will. Meistens gönnt man sich am Morgen und am Abend mehr Zeit zum Genießen.

Die nächste Phase gehört der Frage, für was verwendet man die neu zur Verfügung stehende Zeit. Man denkt an etwas Sinnhaftes, etwas was man schon immer machen wollte, sodass das Leben bereichert wird. Früher ergab sich der Sinn aus der Erwerbstätigkeit, jetzt muss man um einen Sinn ringen. Dabei kann es zu großen emotionalen Schwankungen kommen, man streitet innerlich darüber, was eine erfüllende Tätigkeit ist. Verschärft wird dieser Konflikt dadurch, dass man eingestehen muss, dass die  Zeit auch nach dem Berufsleben begrenzt ist. Sinnvoll leben kann man erst dann, wenn man den Zeitfaktor ganz hintan stellt.

Irrläufer.

GE:duld

Es gibt verschiedene Formen der Ungeduld, jeder hat seine Schwachstellen. Mancher wird ungeduldig, wenn es im Supermarkt  der Kunde vor ihm nicht schafft die Waren rasch genug vom Förderband zu klauben oder beim Bezahlen nach dem Kleingeld sucht. Ältere Menschen bezahlen an der Supermarktkassa die Rechnung selten mit Münzen. Meistens bezahlen sie den Betrag mit einem Euroschein, weil sie die Ungeduld des Nächsten im Rücken spüren. Von Zeit zu Zeit wechseln die Pensionisten bei einem Bankschalter die vielen kleinen Euromünzen ein. Viele haben es verlernt  zu warten, wenn in einem Geschäft noch persönlich bedient wird. Meistens versuchen sie die Ware selbst zu finden.

Es gibt kaum Menschen, welche die Geduld aufbringen zu warten bis sich die Lifttüren von selbst schließen. Meistens wird die Taste “Schließen” gedrückt. In einem Gasthof wird oft nicht gewartet bis uns die Bedienung die Speisekarte bringt. Man kann beobachten, dass sich die Gäste die Speisekarte von der Anrichte  holen, um dann von der Wirtin mit einen vorwurfsvollen Blick bestraft zu werden.

Haben sie eine Minute Zeit.

TEIL:en

Bei der Drau-Brücke in Gummern gibt es am Radweg einen Steg der in den Fluss ragt und in der Nähe einen Rastplatz mit ein paar Bänken und einem Tisch. Aus  einem rohen Stein ragt ein Wasserhahn. Es ist ideales Radfahrwetter, nicht zu heiß und nicht zu kalt. Beim Nachbarn der neben mir auf der Bank sitzt läutet das Handy. Dem Gespräch zu Folge, dem ich zuhören muss, ist es seine Frau. Sie schildert  ihm was sie heute zu Mittag kochen will und fragt ihn ob er damit einverstanden ist. Sollte er  zum Mittagessen noch nicht zu hause sein, so werde sie ihm etwas auf die Seite stellen, aber wie groß soll die Portion sein? Er antwortet: “Er  weiß nicht,  wie groß sein Hunger sein wird.

Danach steht er auf, legt seine Sonnenbrille ab, richtet sich sein T-Shirt welches aus der Hose gerutscht ist und geht zu seinem Fahrrad. Er holt aus der Satteltasche einen kleinen Leinenbeutel und beginnt mit einem Finger die vorderen Stoßdämpfer einzuschmieren. Bei genauem Hinsehen entpuppt sich die weiße Schmiere als Butter, welche zwischen seinen Jausenbroten hervorquillt.

Österrreich.

 

TRÖDEL:markt III

Plötzlich sind die Stimmen der Trödelmarktbesucher weit weg, ich stehe vor einem Verkaufsstand  mit Bildern, Holzschnitten, kolorierten Zeichnungen, verblassten Aquarellen  und Heiligenbildern. Ich weiß nicht genau, sehe ich das Bild hier am Trödelmarkt oder sehe ich es vor meinem geistigen Auge, wie es im Schlafzimmer der Eltern über dem Ehebett gehängt ist. Ein Bub und ein Mädchen, mit einem Korb voller Blumen in einer Hand, gehen über eine desolate Holzbrücke, darunter fließt der schäumende Wildbach. Über den Kindern, die sich an den Händen  halten, schwebt ein Schutzengel mit ausgebreiteten Flügeln in einem weißen Kleid. Er hat lange goldgelbe Haare, einen  Glorienschein und hält  eine Hand schützend über die Kinder. Den Hintergrund bilden einige Bäume und ein Wolkenhimmel.

Vor so einem Bild bin ich abends  am Holzboden gekniet und habe mit gefalteten Kinderhänden das Abendgebet gesprochen:

„Heiliger Schutzengel mein,

lass mich dir empfohlen sein.

In allen Nöten steh mir bei

und halte mich von Sünden frei.

Auch in dieser Nacht,

halte bei mir treue Wacht.

Amen.“

Mit meiner kleinen  Faust hat mir die Mutter das Kreuzzeichen auf die Stirn, den Mund und die Brust gemacht und mich in ihr Bett gelegt, auf einen Strohsack und mit dem Gulda zugedeckt.