Über schlagloch

Er hat es sich zur Aufgabe gemacht mehrmals die Woche eine kleine Studie zu verfassen und teilt dies per Weblog „schlagloch“ einer stetig wachsenden Internetgemeinde mit. Einzelne Leser treten auf der Internetplattform mit ihm auch in eine Diskussion über das Geschriebene ein. Vom Deutschen Literaturarchiv Marbach werden ausgewählte Online-Publikationen, so auch das Blog „schlagloch“ auf der Plattform Literatur-im-Netz langzeitarchiviert. Einige „Schlaglöcher„ hat er materialisiert und zu Büchern gemacht: Zeitenwandel (2009); Die Beobachtungen (2011); Bruchstellen (2015).

schock:raum

Seit meiner Führerscheinprüfung gehören Sicherheitsgurte im Auto zum Standard, zuerst nur bei den Vordersitzen und dazu die Kopfstützen. Es gab keine Pflicht zum Anschnallen, in Österreich wurde die Gurten Pflicht im Jahre 1976 eingeführt und darüber heftig diskutiert. Von der Beschneidung der persönlichen Freiheit war die Rede, die Verweigerer wurden Gurtmuffel genannt. Ihr Argument war ein Szenario, wo ein Auto in einen See stürzt und der Fahrer es nicht schafft den Gurt zu lösen, um aus dem Auto auszusteigen. Er geht mit dem Auto im See unter und ertrinkt. Dieses Unfallbeispiel verhinderte lange die allgemeine Anwendung vom Sicherheitsgurt. Kam hier die Rationalität zum Tragen, weil wie viele Unfälle gibt es anteilsmäßig bei denen dies der Fall sein könnte? Jeder kann darüber nachdenken, wie oft er im Monat an einem See oder einem größeren Fluss entlangfährt. Im Jahre 1984 wurde das Nichtanlegen mit einer Organstrafe belegt.

Wie der banale Griff zum Sicherheitsgurt im Auto über Verletzungen, Schmerzen und Genesung entscheiden kann, zeigte sich im Rosental. Die Nachlässigkeit keinen Sicherheitsgurt anzulegen, wir fahren nur eine kurze Strecke, kann fatale Auswirkungen haben. Ein Lenker bog mit seinem Pkw  auf die Bundesstraße ein und wurde von einem herannahenden Lkw seitlich gerammt und die Fahrerseite zertrümmert. War der Lenker unaufmerksam, sodass er den herannahenden Lkw übersehen hat? Der Fahrer musste von der Feuerwehr mit der Bergeschere aus dem Pkw befreit werden. Seine schlimmsten Verletzungen waren Blutergüsse, verursacht durch die Sicherheitsgurte, welche den Lenker am Sitz festgenagelt haben. Durch den Zusammenprall wurde der Airbag, eine Komponente seit den 80er Jahren, ausgelöst.

Der Beifahrer war nicht angeschnallt. Sein Oberkörper prallte ungebremst gegen den Airbag und dadurch wurden ihm ein Dutzend Rippen gebrochen, die Lunge geschädigt, sowie Kopfverletzungen. Der Schwerverletzte musste im Krankenhaus künstlich beatmet und ernährt werden, seine vollständige Genesung steht noch aus. 

Schockraum

warte:bereich

Der Moment wo man den Wartebereich betritt, ist wie ein Auftritt auf einer Bühne. Alle Augen sind auf einen gerichtet und wahrscheinlich wurde man soweit wie möglich nach dem Eintreten in die Ordination fixiert und beurteilt. Jetzt ist der Moment, wo die Vorstellung beginnt. Viele äußern nicht einmal einen Gruß, ein nettes Grüß Gott oder ein aufmunterndes Lächeln. Sie setzen sich einfach nieder und starren vor sich hin oder zücken das Smartphon.

Mit einem Grüß Gott oder Hallo betrete ich das Wartezimmer. Diese einfache Verhaltensweise schulde ich meinem Anstand und den Umgang mit vielen Kunden während der Selbstständigkeit als Kaufmann. In meiner Berufsheimat Arnoldstein habe ich bei einem Arztbesuch mindestens eine Kundschaft getroffen, welche ich näher gekannt habe. Schnell hat sich das Gemeinde Geschehen als Gesprächsstoff angeboten. Zumeist waren darüber alle Wartenden dankbar, gerne konnten auch sie etwas zum Gespräch beisteuern. So hat sich die Spannung gelöst und auch symbolisch die Wartezeit verkürzt. Die Aufforderung nehmen sie kurz Platz ist bei den praktischen Ärzten mit einer halben bis einer Stunde verbunden. Dabei konnte ich experimentieren so viel als möglich. Öffnete die Ordination um 8 Uhr und ich war um 7.30 Uhr vor Ort, dann warteten bestimmt schon fünf bis sechs Menschen vor der Ordination. Die beste Zeit beim Hausarzt in Arnoldstein war gegen Mittag. Zogen sich am Vormittag die einzelnen Behandlungen wie ein zäher Kaugummi dahin, ab elf Uhr wurde das Tempo beschleunigt. Um 12 Uhr war der Warteraum leer.

nach:corona II

Wir haben wenige positive Dinge aus der Corona Zeit in die Nachcoronazeit mitgenommen.

Jetzt wird darüber geklagt, dass wir wenige positive Dinge aus der Corona Zeit in die Nachcoronazeit mitgenommen haben. Zuallererst war damals die Rede von einem behutsameren Umgang mit anderen Menschen, man hat den Eindruck, das Gegenteil ist der Fall. Die Äußerungen in der Warteschlange vor der Supermarktkasse werden rauer. Gibt es eine Verzögerung beim Bezahlen, weil man eine Frage an die Kassiererin hat, >dies kann man im Internet nachschlagen.  Wurde übersehen etwas zu wiegen und verzögert sich die Abrechnung heißt es gleich, >geht hier nichts vorwärts. Alle und alles soll funktionieren wie am Fließband. Bei mir stellt sich dazu ein Bezug zu meiner Arbeit am Fließband her, als Absatzschrauber in der Gabor Damenschuhfabrik in Spittal an der Drau. Es gab zweierlei Ursachen, wenn es am Fließband stockte.  Beim Vordermann, dem Sohlenkleber, wenn dieser ein Problem hatte mit dem passgenauen Aufkleben der Schuhsohlen und den Vorgang wiederholen musste. Waren die Schuhsohlen verrutscht, war es schwierig den Absatz richtig zu positionieren. Die noch schlimmere Situation war, wenn das Oberleder auf den Leisten schlecht aufgezogen war, die Naht schief.  Bei alldem ging es darum, dass man das Tages Pensum von etwa zwölf Partien Schuhen vor Augen hatte.

Nach Corona gibt es eine Verbesserung bei der Liftbenützung in Bürogebäuden, in öffentlichen Gebäuden und in Hotels. Befinden sich bereits einige Personen in der Liftkabine wird vor dem Zusteigen nachgefragt, ob man einsteigen darf? Dies ist respektvoll gegenüber den anderen Liftbenützer. In Vorcoronazeiten hätte man darüber kein Wort verloren und die Menschen haben sich in den Lift gezwängt, bis keine Luft mehr zum Atmen da war. Jetzt wahrt man zu den nächsten Liftbenützern etwas Abstand und stößt nicht beim Nächsten an. Zum anderem verzichten manche, wenn es schon etwas voller ist auf das Zusteigen und warten auf die nächste Kabine. Bei einem Fassungsvermögen von zwölf Personen befinden sich jetzt zumeist nur die Hälfte an Personen im Lift. Etwas wäre in der Nachcoronaära bei der Liftbenützung noch verbesserungswürdig. Beim Einsteigen und Aussteigen einen Gruß auszusprechen, jeder in seiner Sprache.

nach:corona

Kann sich jeder um dreißig Prozent bei seinem Konsum einschränken?

In der Coronazeit ist viel darüber gesprochen worden, dass sich während der Pandemiemaßnahmen bei den Umweltdaten vieles verbessert hat. Auch darüber, dass nach der Pandemie bewusster produziert und weniger konsumiert werden soll. Eigentlich wird jetzt nach der Pandemie versucht noch mehr zu produzieren und noch mehr zu konsumieren. Ich erinnere mich nicht, dass einmal von den Reisebüros so viel Werbung für den Urlaub gemacht wurde. Die Touristenbranche setzt voll auf Zuwächse. Der größte Treiber für den Umweltschutz in Europa ist der Ukraine Krieg. Die Wirtschaftsbetriebe der EU-Staaten stehen vor der Tatsache, dass die günstigen Rohstoffe Erdöl und Erdgas aus Russland, nicht mehr zur Verfügung stehen. Dieser Umstand hat zu einem Schub beim Einsatz von erneuerbarer Energie geführt. Dazu die vermehrten Anstrengungen energiesparend zu produzieren, schadstoffarme und recyclingbare Produkte herzustellen. Den privaten Verbrauchern wird bewusst, einerlei ob Möbel, Geschirr oder Bekleidung diese nicht vorzeitig auf den Müll zu werfen. Schon vor Jahrzehnten machte ich einen Vorschlag, der heute genauso wie damals aktuell ist, damals ist es noch nicht um Energiesparen und Umweltschutz gegangen: Schränkt sich jeder um dreißig Prozent bei seinem Konsum ein, dann lösen sich diese zwei Brennpunkte für Jahrzehnte auf. Niemand müsste deshalb auf seinen Wohlstandskomfort verzichten.

Die Bezirke in Kärnten hatten bis in die 80er Jahre eine gemeinsame Mülldeponie, dort landete der gesamte Müll unsortiert. Einerlei ob es um Papier, Holzabfälle, Elektroschrott oder Lebensmittelabfälle handelte. Ich erinnere mich noch an die lokale Mülldeponie im unteren Gailtal, knapp vor dem Naturschutzgebiet Schütt. Jeder konnte dort seinen privaten oder gewerblichen Müll abladen. Auf der Deponie gloste immer ein Feuer, der Gestank war intensiv vor allem dann, wenn die lokale Müllabfuhr ihre Müllwagen entleerte oder eine Fleischerei ihre Abfälle entsorgte. Auf dieser Mülldeponie hausten sogenannte Dorfunikate, welche im angelieferten Haus- und Sperrmüll nach verwertbaren Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen buddelten. Bei ihnen ging es nicht um ein Überlebenstraining, Müllmenschen gab es auch bei uns. Über dem abgeladenen Müll wurde von Zeit zu Zeit eine Schicht Humus aufgetragen und verteilt.

schärd:ing II

„Grüß Gott der Herr, haben wir beide heute ein Rendezvous“?

Am Montagnachmittag sitze ich auf dem Schärdinger Hauptplatz vor einem Café, Visasvis der Silberzeile. Damit ist in Schärding eine bunt bemalte Häuserzeile gemeint. Ich blättere im neu erworbenen Buch von Albert Camus: „Das Exil und das Reich, letzte Geschichten“ Geschichten, welche Camus kurz vor seinem tödlichen Autounfall veröffentlicht hat. Die Bedienerin bemerkt, dass die Bücher von Albert Camus schwer zu lesen sind, eine anspruchsvolle Lektüre. Vor Jahren hat sie, Der Fremde von A. Camus, gelesen. Eine Leidenschaft, von der ich auch nach einem Jahrzehnt Rente nicht loskomme, ist das Stöbern in einer Buchhandlung. Bei einem Besuch einer fremden Stadt gehört das Stöbern in der Stadtbuchhandlung dazu. Soviel Zeit muss sein. In der Schärdinger Stadtbuchhandlung ist im ersten Stock ein Lesecafé integriert. Vorbei an den Papierwaren und Geschenkartikel im Erdgeschoß führt eine einladende Treppe in den ersten Stock. Das Lesecafé ist mit gediegenem Mobiliar, mit voluminösen Ledermöbeln, ausgestattet und fügt sich mit der Buchhandlung zu einem harmonischen Ganzen. Bestimmt wurden das Lesecafé und die Buchhandlung gemeinsam geplant und eingerichtet.  Das schmale Vordach im ersten Stock, in luftiger Höhe, wird als Caféterrasse genützt. Ein Blickfang für alle Autofahrer welche in die Innenstadt unterwegs sind. Die Bedienerin im ersten Stock betont, dass sie eine ausgebildete Buchhändlerin sei, aber mehr Zeit hinter der Café Theke verbringe, als bei den Buchregalen. Sie bieten auch ein Frühstücksservice an, dies nehmen mehr Leute in Anspruch, als das Buchangebot. 

Beim Blättern im Buch von Albert Camus nähert sich meinem Tisch eine Dame, groß, schlank, mit Sonnenbrille. „Grüß Gott der Herr, haben wir beide heute ein Rendezvous“? Etwas überrascht sage ich in kärntnerisch: „Na i bin a Kurgost“. Schräg gegenüber erhebt sich ein Herr.