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Ab wann sind Privilegien weniger, gegenüber anderen Menschen ungerecht?

Eine Grundforderung der katholischen Soziallehre ist, dass alle für ihre Arbeit einen gerechten Lohn erhalten. Es ist vernünftig anzunehmen, dass das Pensionsantrittsalter und die Höhe der Pension eine Fortsetzung des gerechten Lohnes sind. In diesem Sinne empfinde ich die Pensionsprivilegien der Eisenbahner und der Nationalbankangestellten für ungerecht. 

In Österreich gab es bis zur Jahrtausendwende immer wieder Debatten über die unterschiedlichen Pensionsregelungen. Der Unmut entzündete sich vor allem am Pensionsantrittsalter und der Pensionshöhe in staatsnahen Betrieben. Die Pensionsregelungen bei den Eisenbahnern waren ein Privileg gegenüber anderen Berufsgruppen. Die Eisenbahner hatten bis Mitte der 1990er Jahre die Möglichkeit nach fünfunddreißig Berufsjahren mit 83% ihres Letztgehaltes in Pension zu gehen. Im besten Fall bedeutete dies, ist jemand nach dem Pflichtschulabschluss bei der ÖBB eingetreten, konnte er mit fünfzig Jahren in Pension gehen. Die Beschäftigten in der Privatwirtschaft konnten im Regelfall erst nach fünfundvierzig Berufsjahren in Pension gehen.

Ein anderes Beispiel für begünstigte Pensionsprivilegien, gegenüber den Pensionisten nach dem ASVG (Allgemeines Sozial Versicherungsgesetz), sind die Angestellten der österreichischen Nationalbank. Angestellte, welche vor 1993 in die Bank eingetreten sind können nach 35 Dienstjahren, ab einem Alter von 55 Jahren, in Pension gehen. Sie erhalten 85 % ihres Letztbezugs. Im Durchschnitt erhielten 1300 ehemalige Mitarbeiter der Österreichischen Nationalbank im Jahr 2021 eine Pension von 92.362 Euro. Im Vergleich dazu beträgt die durchschnittliche Alterspension in Österreich etwa 19.700 Euro pro Jahr.

Die Pensionsregelungen der Eisenbahner und der Nationalbankangestellten werden seit der Jahrtausendwende schrittweise an die Gesetze der ASVG angepasst. Papst Paul VI hat in seiner Enzyklika Populorum Progressio Gerechtigkeit als das Mindestmaß der Liebe bezeichnet, Ungerechtigkeit widerspreche ihr. Die Liebe schließe, auf das Wohl des anderen zu achten, mit ein.

ÜBUNG zur LV: Menschenwürde und Menschenrechte


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Verstößt die Zentralmatura gegen das Subsidiaritätsprinzip, ja oder nein?  

Weder als Lehrer, noch als Elternteil, noch als Schüler habe ich direkte Erfahrungen mit einer Reifeprüfung, jetzt Zentralmatura genannt. Ich kann nur aus Recherchieren, Gelesenem und einem Gespräch mit einem Lehrer urteilen. Der Internetrecherche entnehme, dass mit der 14. Novelle des Schulorganisationsgesetzes im Jahre 1993 versucht wurde parteipolitische und bürokratische Vorgaben zurückzudrängen, damit pädagogische Initiativen aus dem Lehrkörper heraus möglich werden. Danach und dadurch konnten sich besondere Bildungsschwerpunkt an zahlreichen Schulen bilden.

Bei einem Gespräch mit einem Lehrer stellte dieser fest, dass im Großen und Ganzen der Lehrstoff zentral vorgegeben wird. Der Inhalt wird dabei hauptsächlich vom Bedarf in der Wirtschaft und der Arbeitswelt bestimmt. Die Vorgaben von oben kommen so massiv, dass für individuelle Gestaltung wenig Raum bleibt. Letztendlich geht die Entwicklung dahin, aus den Jugendlichen brauchbare und gefügige Staatsbürger zu formen. Einer seiner Schuldirektoren sagte in einer Lehrerkonferenz, nach dem Vorlesen einer Verordnung des Unterrichtsministerium: „So ist es und will noch jemand diskutieren“?

Aus diesem und weiteren Gesprächen folgere ich, dass die Schulautonomie in den 1990er Jahren richtungsweisend angedacht wurde. Seither aber durch Erlässe und Vorschriften wieder stückweise beschränkt wird. Die Einführung der Zentralmatura ist ein weiterer Schritt dazu. Die Frage: Verstößt die Zentralmatura gegen das Subsidiaritätsprinzip, beantworte ich mit ja.

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Gerechter Lohn. Wer soll mehr verdienen ein Lehrer oder ein Polizist?

Papst Leo XIII reagierte mit seiner Enzyklika Rerum Novarum (1891) auf die menschlichen und sozialen Probleme der Arbeiterschaft am Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Mit der Erfindung und dem Einsatz der Dampfmaschine in der Produktion veränderten sich die Arbeitsbedingungen weitgehend. Heute wird diese Epoche als die Industrielle Revolution bezeichnet. Er forderte in seiner Enzyklika, die als erste Sozialenzyklika gilt, für jeden Arbeiter einen gerechten Lohn. Damit sichergestellt ist, dass er seine Familie ernähren kann, eine menschenwürdige Unterkunft hat und finanzielle Reserven für Anschaffungen, Bildung und sozialen Aufstieg anlegen kann.

Was könnten Kriterien für die Höhe des Lohnes bei einem Lehrer und Polizisten sein? Berücksichtigen werde ich den vorausgesetzten Schulabschluss, Dauer der Ausbildung, sowie die Verantwortung welche mit dem Beruf für andere Menschen verbunden ist. Nicht einschließen werde ich den persönlichen Status, welche man in der Öffentlichkeit einnimmt. Nach der katholischen Soziallehre sind alle Menschen gleich an Würde, Würde durch ein würdiges Verhalten.

Es sind zwei unterschiedliche Aufgabenbereiche. Die Ausbildung zum Lehrer beträgt sechs Jahre, die Berufsausbildung zum Polizisten zwei Jahre. Der Lehrer sorgt für das Erlernen der Grundfähigkeiten Lesen, Schreiben und Rechnen. Ohne deren Kenntnisse ist eine Teilnahme an der Gesellschaft nicht möglich. Der Polizist sorgt für die Sicherheit unseres Lebens und unseres Eigentums. Er überwacht die Einhaltung der Gesetze, welche das Zusammenleben in einer Gemeinschaft ermöglichen. Der Polizist hat ein größeres Risiko bei seiner Berufsausübung bis zu, sein Leben auf das Spiel zu setzen. 

Beiden Berufen ist gemeinsam, dass ohne eine elementare Schulbildung die Ausübung des Berufes per se nicht möglich wäre.  Daher werde ich dem Lehrer auf Grund seiner längeren Berufsausbildung und seiner Vermittlung des Grundwissens, welches erst die Teilnahme an der Gemeinschaft ermöglicht, ein höheres Gehalt zusprechen.

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Ukraine Krieg. Wie soll sich die EU, unter Berücksichtigung der katholischen Soziallehre, verhalten?

Nehme ich die Vorgaben des Weltkatechismus für eine militärische Notwehr und vergleiche sie mit den Aktivitäten der Europäischen Union im Ukraine Krieg, sehe ich dabei einige Differenzen. Diese Differenzen will ich an drei Punkten aufzeigen.

Zu Punkt zwei: Die Wissenslage der Normalbürger über die diplomatischen Bemühungen vor Ausbruch des Angriffes Russland auf die Ukraine stammen aus dem Munde von Diplomaten, Politiker und der medialen Berichterstattung. Diplomatie hat nicht die Wahrheit und Gerechtigkeit im Visier, sondern den Vorteil für das eigene Land. Ob alle „Mittel, dem Schaden ein Ende zu machen“ ehrlich ausgenützt wurden, wird uns einmal die Geschichtsforschung lehren.

Zu Punkt drei: Besteht für die Ukraine „eine ernsthafte Aussicht auf Erfolg“? Ohne die massiven Waffenlieferungen aus dem Westen wäre dies explizit zu verneinen. Voraussichtlich wird der permanente Waffennachschub aus der EU nur zu einer Verlängerung des Krieges, mit den bekannten schrecklichen Auswirkungen für ein ganzes Volk führen.

Zu Punkt vier: „Der Gebrauch von Waffen darf keine Schäden und Wirren mit sich bringen, die schlimmer sind als das zu beseitigende Übel“. Es ist täglich möglich, dass es durch die Kriegshandlungen zu einem Reaktorunfall kommt und Radioaktivität austritt. Die Auswirkungen könnten für ganz Mitteleuropa katastrophal sein. Eine Folge der Lieferung von modernsten Waffensystemen an die Ukraine könnte sein, dass Länder der EU von Russland als weiteres Kriegsziel definiert werden.

Papst Franziskus warnte in seiner Enzyklika Fratelli tutti davor, einen Krieg vorschnell als gerechtfertigt zu bezeichnen, Nr. 258: „So entscheidet man sich dann leicht zum Krieg unter allen möglichen angeblich humanitären, defensiven oder präventiven Vorwänden, einschließlich der Manipulation von Informationen. In der Tat gaben in den letzten Jahrzehnten alle Kriege vor, „gerechtfertigt“ zu sein“.

Ganz explizit spricht sich die katholische Lehre im KKK gegen das jetzt propagierte Vorhaben der westlichen Staaten ihre Armeen massiv aufzurüsten, aus.

KKK 2315 „Die Anhäufung von Waffen erscheint vielen als ein paradoxerweise geeignetes Vorgehen, mögliche Gegner vom Krieg abzuhalten. Sie sehen darin das wirksamste Mittel, um den Frieden zwischen den Nationen zu sichern. […] Der Rüstungswettlauf sichert den Frieden nicht. Statt die Kriegsursachen zu beseitigen, droht er diese zu verschlimmern“.

Meine tiefste Überzeugung drückt sich in einer Textpassage des Dokuments Gaudium et spes aus: GS 81 […] Während man riesige Summen für die Herstellung immer neuer Waffen ausgibt, kann man nicht genügend Hilfsmittel bereitstellen zur Bekämpfung all des Elends in der heutigen Welt. […]

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Ukraine Krieg. Wie soll sich die EU, unter Berücksichtigung der katholischen Soziallehre, verhalten?

Die hirtenamtliche Verordnung „Gaudium et spes“ wurde während des zweiten vatikanischen Konzils verfasst und von Papst Paul VI im Jahre 1965 unterzeichnet. Darin wurde das Recht auf sittlich erlaubte Verteidigung, unter ganz bestimmten Umständen, als Ultima Ratio gebilligt. Gleichzeitig wurde die Forderung nach einer internationalen friedenschaffenden Autorität aufgestellt: „Diese soll unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips über wirksame Macht verfügen, Sicherheit und Wahrung der Rechte zu gewährleisten. Der Krieg sei völlig zu untersagen“. Die Forderung nach einer wirksamen, internationalen friedenschaffenden Autorität konnte bis heute nicht umgesetzt werden.

Sehr konkret werden die Aussagen zum „gerechten Krieg“ im Katechismus der Katholischen Kirche (KKK).  Aussagen der Katholische Soziallehre sind mit dem KKK abgestimmt. Ausgangspunkt ist das Fünfte Gebot, „Du sollst nicht töten“. Im Sinne des fünften Gebotes ist schon Zorn und Hass gegenüber dem Nächsten eine Sünde.  

KKK 2309 „Die Bedingungen, unter denen es einem Volk gestattet ist, sich in Notwehr militärisch zu verteidigen, sind genau einzuhalten. Eine solche Entscheidung ist so schwerwiegend, dass sie nur unter den folgenden strengen Bedingungen, die gleichzeitig gegeben sein müssen, sittlich vertretbar ist:

1) Der Schaden, der der Nation oder der Völkergemeinschaft durch den Angreifer zugefügt wird, muss sicher feststehen, schwerwiegend und von Dauer sein. 2) Alle anderen Mittel, dem Schaden ein Ende zu machen, müssen sich als undurchführbar oder wirkungslos nachgewiesen haben. 3) Es muss ernsthafte Aussicht auf Erfolg bestehen. 4) Der Gebrauch von Waffen darf keine Schäden und Wirren mit sich bringen, die schlimmer sind als das zu beseitigende Übel. Beim Urteil darüber, ob diese Bedingung erfüllt ist, ist heftig auf die gewaltige Zerstörungskraft der modernen Waffen zu achten“.

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