religion:kultur I

Dieses Thesenpapier, von mir im Rahmen einer LV verfasst, ist immer noch aktuell. Zu Beginn seines Essays, Religion in der modernen Welt, versucht Herbert Schnädelbach  die zwei Begriffe „Religion“ und „moderne Kultur“ andeutungsweise zu klären. [1]

Er räumt die Option ein, dass es nahe liegt, beim Begriff Religion von unserem alltäglichen Vorverständnis auszugehen.  „….und wenn wir nach unseren religiösen Einstellungen gefragt werden, haben wir den Eindruck, dass hier Intimitätsgrenzen berührt sind.“ [2] Wie persönlich nahe den Menschen die Frage nach ihrer religiösen Einstellung geht, zeigte sich in der Einführungsphase. Es herrschte unter den TeilnehmerInnen Skepsis, als sie aufgefordert wurden sich zu outen und Gruppen zu bilden: Als Christen, Agnostiker, Atheisten u.a.  Die Frage, was hat dies mit einer Vorlesung zu tun, stand vielen in das Gesicht geschrieben. Wer einmal ein Partnerwochende in einem Bildungshaus besuchte macht die Erfahrung, dass über Sexualität, sexuelle Praktiken ganz offen gesprochen wird. Bei der Frage nach den religiösen Praktiken kommen die Antworten von den Anwesenden spärlich oder bleiben überhaupt aus. Der religiöse Aspekt wird im Seminar unter die Rubrik „Vieraugengespräch“ eingeordnet. Vielleicht liegt es daran, dass man sich im Sexuellen zusammenraufen muss, während im religiösen Bereich jeder seinen eigenen Weg gehen kann. Dabei dürfte es bei den Geschlechtern, weiblich oder männlich, im Alltag große Unterschiede in der Art der Religionsausübung geben. Man werfe sonntags einen Blick in eine katholische oder evangelische Kirche, wobei geschätzte Zweidrittel der Besucher Frauen und ein Drittel Männer sind. „…wenn wir über Religion reden, geschieht dies in der Rolle von Beobachtern, die das Religiöse, an dem sie selbst teilhaben mögen, dabei ausklammern“[3]. Unter Religion versteht Schnädelbach das, was man hat und lebt, Theologie hingegen ist das, was man darüber denkt und sagt.

Bei moderne Kultur geht es Schnädelbach nicht um den Zustand der modernen Kunst. Schnädelbach bezeichnet eine Gesellschaft als moderne Kultur wo Politik, Wirtschaft, Moral, Kunst, Religion u.a. selbstständige kulturelle Teilsysteme bilden. Niemand von denen beansprucht die anderen zu dominieren. „Genau dies gilt jetzt auch für die Religion, die über Jahrtausende in den Hochkulturen die kulturelle Zentralfunktion beanspruchen konnte“. [4] In den modernen Kulturen, Gesellschaften, wird Religion zur Privatsache, es gibt die Freiheit der Religionsausübung. Damit einher geht der Machtverlust und  der Verlust des Wahrheitsmonopols der Institution Kirche.  Mit dem Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies wird der Mensch nach Immanuel  Kant zum eigentlichen Menschen. Das geoffenbarte Jenseits wird zum kulturellen Produkt. „….dass die Religionskritik heute niemand mehr aufregt, ja dass man sie wie die Religion für Privatsache hält. (…) Die Welt wird wissenschaftlich und nicht länger religiös interpretiert“[5]. Wobei es einige starke Meinungsträger in den Monotheistischen Religionen gibt, die darauf beharren, dass die naturwissenschaftlichen Lücken mit Gott besetzt werden. Man denke an die Lücken in der Anthropologie, vom Affen zum Menschen, oder was war vor dem Urknall.

[1] Herbert Schnädelbach, Religion in der modernen Welt, Fischer Taschenbuch, 2009; [2] ebenda, Seite 7; [3] ebenda, Seite 7; [4] ebenda, Seite 8;  [5] ebenda, Seite 10;

telefon:facebook llll

In aller Munde, genauer gesagt auf allen PC und Handys ist Facebook installiert. Wie diese Plattform in das Leben der Benützer eindringt und steuert, Zeit und Aufmerksamkeit verlangt, kann ich gut in der Aula der Uni und auch in den Hörsälen beobachten. Ähnlich den Kettenrauchern werden am PC oder am Handy permanent die neuesten Post gelesen oder geschrieben. Wahrscheinlich verliert ein Jugendlicher und teilweise auch die Senioren an Image, wenn sie nicht so und so viele Facebookfreunde haben.Viele private Schnappschüsse, die zumeist Ausnahmesituationen zeigen, werden auf Facebook und YouTube hochgeladen. Meinem dafürhalten trägt dies über Jahre zum Öffentlichkeitsbild dieser Person, positiv oder negativ, bei.

Durch die alltägliche Verwendung der digitalen Medien wird ein neues Zeitverständnis notwendig, eine neue Form der Zeitplanung. Hat man früher Termine und Verabredungen auf  Wochen oder Tage voraus geplant, so heißt es heute: „Wir telefonieren noch  miteinander“. Man trennt sich ohne einen konkreten Termin zu vereinbaren, weil man ja jederzeit telefonisch erreichbar ist. Dies macht eine Tagesplanung äußert  anstrengend und wird auch seine Folgen in der Lebensplanung haben. Bei einer Lehrveranstaltung erlebte ich, dass für die Arbeitsgruppe ein Facebookforum eingerichtet wurde. Über diese sollten die Beiträge und die Terminplanung abgewickelt werden. Um  einen gemeinsamen Termin vor der UNI- Bibliothek zu organisieren hat es 35, fünfunddreißig, Post auf Facebook gebraucht, obwohl am Ende der Vorlesung die Möglichkeit bestand, diesen Termin persönlich auszumachen.

telefon:show lll

Hätte der “Ötzi”, ich meine den Mann im Eis, damals ein Handy gehabt, hätte er vielleicht überlebt, wäre aber nicht so berühmt geworden. „Berühmt zu werden“, ist der Antrieb für die Selbstdarstellung in Verbindung mit den digitalen Medien. Auch dies hat eine lange Tradition, wir kennen die geschönten Porträts von Fürstbischöfen, Kaisern und Adeligen in den Museen. Die Selbstporträts in der modernen Malerei werfen zumeist einen kritischen Blick auf sich selbst. Ein neuer Sendungstyp, die Talkshow, wurde im Fernsehen in den 90er Jahren  geboren. In diesen Sendungen können sich Menschen von der Straße zu Themen wie Beziehung, Seitensprung und Sex ganz offen äußern. Zu den Vorreitern zählte RTL mit seiner Sendung der „Heiße Stuhl“, die “Barbara Karlichshow”, hat bis heute viele Zuschauer.

Neue Plattformen der Selbstdarstellung, wie Weblogs, YouTube und Facebook verbreiteten sich mit dem Internet. Auf diesen Webseiten ist es für jedermann möglich seine Meinung zu allem und jeden zu äußern. Lange Zeit war dies nur für  Journalisten in Tageszeitungen und im Fernsehen möglich. Blogs, die schon lange eine Rolle bei der Selbstdarstellung spielen, breiteten sich ab dem Jahr 2000 über die westliche Welt aus. Viele Blogger bleiben anonym und erzählen von ihren Problemen, sei es Scheidung, Missbrauchsfälle oder Geschlechtsumwandlung. Alles in ausführlicherer Form als es bei Twitter und Facebook möglich ist. So bunt wie das Leben, von ihren Kochkünsten und Haustieren, aber auch Kommentare zum Tagesgeschehen. In den Blogs kann eine sofortige gegenseitige Kommunikation stattfinden, die Werkzeuge dafür sind die Kommentarfunktion und das Abonnieren anderer Weblogs. Der Blogger nimmt oft eine neue Identität an, die sich von seinem Alltagsleben unterscheidet. Seit über zehn Jahren führe ich dieses Blog. Sollte jemand dazu Fragen haben oder seine Meinung zu den Einträgen äußern wollen, kann er sich gerne der Kommentarfunktion bedienen.

Überlebt.

telefon:handy ll

Das Handy ist heute der weit verbreitetste Talisman, Glücksbringer, in Österreich. Macht das Smartphon die Menschen glücklicher und freier? Das eigene Handy in Verbindung mit dem Internet signalisiert ich bin jederzeit, oftmals rund um die Uhr und rund um die Welt erreichbar. Diese andauernde Bereitschaft führt zur Abhängigkeit, anderseits gibt es die Möglichkeit an verschiedenen Lebensbereichen gleichzeitig teilzunehmen. Von einem Standort aus kann man verschiedene Lebenssituationen organisieren. Ein Beispiel: Die Mama arbeitet am Samstagvormittag in einem Drogeriemarkt in Villach und begleitet gleichzeitig via Handy ihre achtjährige Tochter auf der Bahnfahrt nach Salzburg zur Oma. Zwischen ihnen ist ein jederzeitiger Kontakt möglich. Das Handy verleitet aber auch Jugendliche dazu, sich auf dieses Kommunikationsmittel zu beschränken. So sendet eine Nichte täglich eine halbe Stunde lang SMS an ihre Freundin, die nur drei Minuten entfernt wohnt. Sie könnte sich mit ihr real treffen. Das Handy ist ein Teil der heutigen Jugendkultur, ein weiteres Sinnesorgan des menschlichen Körpers, vergleichbar mit dem Auge.

Für die Altersgruppe sechzig plus gibt es eigens konzipierte Seniorenhandys. Sie sind einfach in der Bedienung. Ich schließe damit nicht aus, dass ein Teil der Senioren die neuesten Smartphone verwenden. Für die oftmals alleinlebenden und alleinreisenden Pensionisten vermittelt das Handy ein Gefühl der Sicherheit. Damit können sie bei einem körperlichen Gebrechen jederzeit ein Familienmitglied oder jemanden vom Hilfswerk verständigen. Nach meiner Beobachtung sind sie genauso immer online wie die Jugend. Es  könnte im Laufe des Tages ein Sohn oder ein Enkelkind anrufen. Die älteren Menschen werden oftmals mit sozialen Kontakten nicht verwöhnt, so will man keinen Anruf, der den Alltag aufhellt, versäumen. Nur noch Einzelne machen heute eine Wanderung ohne Handy, es könnte ja etwas passieren. Dabei gehen Menschen seit Jahrhunderten in die Berge, früher alle ohne Handy

Fortsetzung folgt…

telefon:zelle l

In den sechziger Jahren hatten die wenigsten Haushalte auf dem Land ein Telefon. In unserer Nachbarschaft befand sich ein Gasthof und dort gab es einen öffentlichen Fernsprecher. Dieses Telefon wurde benützt um mit dem Viehhändler, dem Holzhändler oder dem Lagerhaus Geschäfte abzuschließen. Bei einem Unwetter konnte man die Feuerwehr und bei einem schweren Krankheitsfall den Hausarzt verständigen. Der Gasthof bildete eine Tauschbörse für Neuigkeiten. Zu den Wirtsleuten hat man ein paar Worte darüber verloren zu wem und warum man telefoniert hat. So ist der Inhalt des Telefonats nicht geheim geblieben. Es könnte vorschnell mit dem Telefonieren gleichgesetzt werden, wie wir es heute in der Öffentlichkeit erleben. Wir hören bei vielen Handygespräche von uns fremden Menschen zu, im Omnibus, im Cafe oder im Park. Wir können ihnen nicht ausweichen. Der Unterschied zu damals liegt darin, dass es sich jetzt zumeist um völlig unbekannte Menschen handelt, die vor uns ihre Probleme ausbreiten. Beim Austausch im Gasthof handelte es sich um Nachbarn, die sich gegenseitig gekannt und notfalls gegenseitig unterstützt haben. In der dörflichen Gemeinschaft hatte jeder seine ihm zugewiesene Rolle, seine Identität besessen. Für die Meisten von ihnen wurde dafür schon mit fünfzehn Jahren das Fundament gelegt, ich möchte sagen einzementiert.

In der Folge begann die Post verbreitet auch in kleineren Ortschaften, wie Politzen, öffentliche Telefonzellen aufzustellen. Hier musste man den Inhalt des Telefonats nicht mehr mit den Wirtsleuten teilen und schützte so seine Privatsphäre. In kritischen Situationen konnte dadurch, für das damalige Zeitverständnis, rasch Hilfe geholt werden. Das Mobiltelefon wie wir es heute benützen wurde durch die Einführung flächendeckender digitaler Mobilfunknetze Anfang der 1990er Jahre in Deutschland, Österreich und der Schweiz möglich. Weltweit sind etwa sieben Milliarden Handys im Einsatz und in Österreich etwa zwölf Millionen.

Abgehört.