jugo:land

Die Unterschiede zwischen Einwanderern und Einheimischen zeigen sich heute nirgends so deutlich wie bei den Kopftuchträgerinnen. Das Tragen des Kopftuches in der Öffentlichkeit erregt die meisten Menschen. Vor Jahrzehnten konnte man an Sonntagen in der Bahnhofshalle der Draustadt eine Handvoll Männer in abgewetzten Anzügen sehen. Mit einer Flasche Bier in der Hand unterhielten sie sich gegenseitig. Von den Kärntnern wurden sie in der Umgangssprache als „Jugos“ bezeichnet. An den Wochentagen waren sie in der Öffentlichkeit nicht präsent. Sie waren auf den Baustellen, beim Hoch- und Tiefbau oder beim Straßenbau. Ist es unter ihnen zu einem Raufhandel gekommen, so wurde in den Lokalnachrichten „Gastarbeiter“ wie eine Berufsbezeichnung zum Namen hinzugefügt.

Zu einem verstärkten Zuzug von Gastarbeiterinnen im Raum Spittal/Dr. ist es in den Siebzigerjahren gekommen, als die Schuhfabrik Gabor weiter ausgebaut wurde. Obwohl aus den umliegenden Tälern die Arbeitskräfte mit Firmenbussen in die Fabrik gebracht wurden, fehlte es an Arbeiterinnen. Deshalb wurden im benachbarten Jugoslawien Frauen angeworben. Sie wurden in den umliegenden Gemeinden in kleinen Wohnanlagen und in sogenannten Burschen- und Ledigenheimen untergebracht. Für uns Halbwüchsige, wie wir damals als Zwanzigjährige bezeichnet wurden, waren dies Frauen und Mädchen mit einer besonderen Ausstrahlung. Anders als wir es von den heimischen Mädchen kannte. Die Eltern warnten uns vor den „Jugoweibern“, was sie für uns erst recht interessant machte. In den Wirtshäusern waren die „Jugoweiber“ gern gesehene Gäste und brauchten sich um das Bezahlen der Zeche keine Sorgen zu machen.

Jugoland abgebrannt.

wien:splitter V

Ist man für einen Messebesuch ein paar Tage in Wien, dann kann man abseits der Ausstellung viele Beobachtungen machen. Vorteilhaft ist es, wenn man den beruflichen Aufenthalt verlängern kann, um ziellos durch die Stadt zu flanieren. Richtet man dabei seinen Blick nicht auf die Bauwerke und geht dabei mit nach oben gerichteten Augen durch die Kärntnerstraße und die Mariahilferstraße, sondern richtet man dabei den Blick auf die Menschen in der Fußgängerzone, so lässt sich manches kurioses beobachten.

Kommt man aus der Provinz nach Wien gewinnt man den Eindruck, dass es hier eine Fülle von Behörden, Museen, Theater, Forschungsstätten und anderen Institutionen gibt. Diese öffentlichen Einrichtungen, im Kultur- und Kunstbereich, im Forschungsbereich und auch im sozialen Bereich verschlingen einen großen Teil vom Budget des österreichischen Staates. Ohne diese Geldmittel gäbe es wohl um zwei Drittel weniger öffentliche Institutionen. Auf einer Seite Litfaßsäule klebt ein Plakat, welches zu den Jelinek – Dialogen einlädt, veranstaltet vom Jelinek Forschungszentrum. Elfriede Jelinek ist die österreichische Literaturnobelpreisträgerin des Jahres 2004.

Im Café Griensteidl steht in einer Ecke eine Telefonzelle mit Münzapparat und Telefonhörer, wie es sie früher auf öffentlichen Plätzen gegeben hat. Nach dem Einwerfen der Münzen tippte man die Rufnummer ein und die Telefonverbindung wurde hergestellt. In einem Sichtfeld wurde das vorhandene Guthaben angezeigt. Die älteren Münzapparate hatten eine Wählscheibe und beim Melden des gewünschten Teilnehmers musste man die „Verbindungstaste“ drücken. Jetzt steht vor der öffentlichen Telefonzelle ein Kleiderständer und sie ist nicht mehr zugänglich. Heute hat jeder sein Handy dabei, die Telefonzellen sind überflüssig. Ein Drittel der Cafebesucher unterhält sich nicht mit den Freunden am Cafetisch, sondern über das Handy mit Menschen die weit entfernt sind. Die Touristen schicken ihre Fotos vom Cafesalon um die halbe Welt.

In der Mitte des Cafés sitz ein junges Paar mit einem Kind und dieses isst aus einem Glas mit einem Löffel Nutella.

Nutella pur.

wien:splitter IV

Um in der Stadt seine Kleider zu wechseln, braucht es nicht unbedingt ein Hotelzimmer, dies kann man auch in öffentlichen Gebäuden machen. Meine Beobachtungen beziehen sich nicht auf das Umziehen in einem Schwimmbad oder in einem Fitnesscenter.

Eines der schönen Gebäude in Wien ist das Musikvereinshaus mit dem prunkvollen Konzertsaal, der auch der Aufführungsort für das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker ist. Dieses Konzert wird jährlich von vielen Fernsehstationen in alle Welt übertragen. Kann man einen Wienbesuch mit dem Besuch eines Konzertes im Musikvereinssaal verbinden, Interesse vorausgesetzt, so soll man sich dies nicht entgehen lassen. Die prunkvolle Ausstattung, man möchte sagen kaiserliche Eleganz, schließt auch die Toiletten ein. Überall wacht das Personal auf die Einhaltung der Etikette. So ist man irritiert, wenn man auf der Toilette einen jungen Burschen antrifft, der sich gerade seinen Oberkörper wäscht und seine Sportklamotten gegen Freizeitbekleidung für eine Beiseltour tauscht. Danach wundert man sich nicht mehr darüber, wenn gegenüber vom Hotel Imperial in der Kärntnerstraße, um etwa 23 Uhr im klimatisierten Kundenfoyer der Bank Austria ein junges Paar steht und das Mädchen sich des Tageskleides entledigt und ein „Abendkleid“ überstreift.

Umkleidekabine.

wien:splitter III

Verreist man nicht mit dem Wohnmobil dann ist es unvermeidbar, dass man sich in der Stadt ein Zimmer besorgen muss. Heute gibt es dafür verschiedene Möglichkeiten, am meisten Mühe macht, bei dem vielfältigen Angebot, die Suche im Internet. Für Unentschlossene besteht die Gefahr, dass man für einen drei Tagesurlaube einen halben Tag für die Zimmerreservierung verwendet. Eine schnellere Variante ist, hat man Vertrauen in eine Hotelkette und in diesen Hotels schon gute Erfahrungen gemacht, dass man hier ein Zimmer bucht. Diese Hotels bieten in allen Städten einen gleichmäßigen Standard, so kann man die Zeit für die Zimmersuche ungemein verkürzen. Bei Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels, wie der Eisenbahn, bieten diese in Verbindung mit der Fahrkarte auch eine Unterkunft an. Mit dem Kauf der Fahrkarte hat man sein Zimmer gebucht. Dabei muss man bei der Zimmerzuteilung etwas tolerant sein, was die Lage des Zimmers betrifft. Bei einem Geschäftsbesuch oder bei einem sogenannten Städtetrip stellt man zumeist keine allzu großen Ansprüche. Trotz dieser Einschränkungen kann ich vor Zimmern, die sich in nächster Nähe vom Lift befinden, nur warnen. Dies führt zu Störungen bei der Nachtruhe, weil der Lift keine Ruhezeiten kennt.

Zimmerwechsel.

arbeits:los

Wer arbeitslos ist und beim Arbeitsmarktservice „AMS“ gemeldet ist, wird zu verschiedenen Trainingseinheiten geschickt, um für eine Bewerbung fit zu sein. Dazu gehört die Erstellung eines Persönlichkeitsprofils, das Herausarbeiten seiner Stärken und Schwächen, wobei an den Schwächen gearbeitet wird. In weiterer Folge wird ein Bewerbungstext erstellt, der auf die Anforderungen der offenen Arbeitsstelle eingeht. Eine Auflistung der Fähigkeiten und Erfahrungen, über die man verfügt. Mit dem Hinweis, welchen Vorteil es für das Unternehmen hätte, wenn man eingestellt wird. Die Vorstellungen über den künftigen Gehalt. Dazu einen Lebenslauf, darin aufgeführt die Schulausbildung, die Familienverhältnisse und Hobbys, als Beilage Kopien von den Arbeitszeugnissen. Die Auskünfte, die man bei einer Bewerbung um einen Arbeitsplatz geben muss sind umfangreich. Heute ist es üblich, dass diese Unterlagen nicht  formlos in einem Schnellhefter abgegeben werden, sondern man setzt auf ein attraktives Erscheinungsbild, sogenannten „Bewerbungsmappen“. Die Personalchefin hat einen gläsernen Menschen vor sich. Auf Facebook schaut sie nach, was über den Bewerber und vielleicht zukünftigen Mitarbeiter, alles zu erfahren ist. Diese Anforderungen werden schon gestellt, wenn man sich um die Stelle eines Friseurs oder einer Verkäuferin bewirbt. Bei manchen Berufen muss man auch ein Gesundheitszeugnis vorlegen. Hier wird nach vererbten und ansteckenden Krankheiten, nach Operationen, Behinderungen und nach Suchterkrankungen gefragt. Diese Fragen gehen soweit, dass über die Regelmäßigkeit der Verdauung und die Häufigkeit des Stuhlganges Auskunft verlangt wird.

Anders stellt sich die Situation dar, wenn man einen Nachfolger oder Nachfolgerin für einen Betrieb sucht. Bei sogenannten Übergeberseminaren wird man geschult die Wirtschaftlichkeit des Betriebes zu vermitteln, es wird von den rechtlichen und steuerlichen Notwendigkeiten gesprochen. Von den Vorteilen einen bestehenden Kundenstock zu übernehmen, den Geschäftsaussichten und Geschäftsmieten. Nicht aber darüber, wie man den Interessenten die an einer Betriebsübernahme interessiert sind entgegentritt. Kein Wort darüber, dass man sich ein Persönlichkeitsbild vom Übernehmer erstellen soll, sowie  Auskünfte über seinen beruflichen Werdegang und seine finanziellen Möglichkeiten.

Blindflug.