Auf dem Rückweg bemerke ich neben dem Winterwanderweg einen Neubau. Ein lang gezogener, rechteckiger Betonkörper, mit einer Glasfront zur Talseite. Der Anbau, indem sich die Sanitärräume und die Küche befinden, hat eine Verkleidung aus Holzbretter. Der Regen, die Sonne und der Schnee werden den Brettern zusetzen und er wird sich von den Stallgebäuden der Umgebung nicht mehr hervorheben. Die Dorfleute haben zu diesem Bau unterschiedliche Meinungen. Einige Dorfleute lehnen den Bau ab, weil er nicht der Tradition des Tales entspricht , auch wenn sie viel verreisen. Diese beharren in der Fremde zur Jause auf den Surenkäse. Sie suchen in der Ferne die Bestätigung dafür, dass es nirgendwo so gut und so schön ist wie in der Heimat. Viel reisen und eng denken. Die Allinklusiv Urlauber leben in Tunesien genauso wie im Montafon. Sie urlauben mit dem selben Komfort wie zu Hause und unterhalten sich dabei mit Bekannten. Engstirnigkeit oder Weitsicht ist keine Folge des Reisens oder des Fernsehens, über das Lesen redet niemand. Welche Folgen hat es für einen Vermieter im Montafon, wenn Teile von Südamerika von Überschwemmungen heimgesucht werden oder er nicht in Sibirien war? Wesentlich ist die Andersartigkeit zuzulassen, egal, ob jemand ein Weltreisender oder ein Bodenständiger ist. Beim Mittagessen zu warten, bis alle die Suppe im Teller haben und erst dann mit dem Essen zu beginnen.
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IM:gebirge II
Im Skiort liegt rechts und links vom Straßenrand ein Wust von Schnee, auf den Straßen tummeln sich Urlauber in bunter Skibekleidung. Die Gästehäuser verteilen sich über die Steilhänge. An den Häusern brennt die Weihnachtsbeleuchtung über den ganzen Winter. Hier endet Weihnachten zu Ostern, wenn die letzten Gäste abreisen. Für den spannendsten Ort halte ich eine Musikkneipe, in einer renovierten Mühle. Selbst bin ich noch nicht dort gewesen. Hier stimmt die Mischung aus touristischen Leitbetrieben und privaten Fremdenpensionen. Der Privatvermieter vergibt seine Reparaturaufträge an lokale Handwerker, ein internationales Hotel würde anderst entscheiden. So verteilt sich der Wohlstand auf viele und ist nicht in der Hand weniger. Die großen Hoteldörfer gibt es in der Türkei, Spanien und Tunesien. Sie gehören den internationalen Hotelketten und die Gewinne fließen den Aktionären zu. Großbetriebe sollen aufgegliedert werden und die Aktien stärker besteuert. Vom Gewinn soll auch denen etwas zu Gute kommen, die die Arbeit leisten.
Am Nachmittag besuche ich eine siebzigjährige Frau, ihr Haus steht etwas außerhalb des Dorfes. Der Besuch ist seit einem Jahr versprochen. Sie vermietet Zimmer, dies bringt zusätzliches Geld zu ihrer Mindestpension und Abwechslung in ihren Winteralltag. Der Mann ist vor fünfzehn Jahren gestorben, die Kinder sind aus dem Haus ausgezogen. In diesem Jahr hat sie sich einen lang ersehnten Wunsch erfüllt, eine Montafonerstube eingerichtet. In der Stube steht ein Tisch mit Einlegearbeiten, geschnitzte Holzstühle und ein Wohnzimmerschrank. Der Parkettboden hat zwei verschiedene Holzarten. Auf der Kommode befinden sich die Fotos vom Mann, den Kindern, den Enkeln und dem Urenkel. Die Vergangenheit und die Zukunft in Fotos festgehalten. Der Kachelofen und die verkachelte Sitzbank werden vom Vorraum aus beheizt. Selbst sitzt sie am liebsten in der Küche, dort befindet sich der Fernseher. Zum Abschied drückt sie mir eine Dose Weihnachtskeks in die Hand, mit der Bitte, die Dose zurückzubringen. Der nächste Besuch ist versprochen. Am Abend spüre ich den Winterspaziergang in meinen Füßen.
ALLEN MEINEN LESERINNEN UND LESERN, EIN BESINNLICHES WEIHNACHTSFEST!

Es ist ein Ros entsprungen...
IM:gebirge
Das Montafoner Tourismusmuseum widmete, in diesem Jahr, dem Leben und Wirken des Pfarrers Franz Josef Battlogg (1836 – 1900), eine Ausstellung. Der Geistliche wirkte von 1867 bis 1882 in Gaschurn als Frühmesner. Er war ein begeisterter Bergsteiger und führte einige Erstbesteigungen durch. Als Musiker dirigierte er einen über das Tal hinaus bekannten Kirchenchor, mit bis zu siebzig Mitgliedern. Er schrieb ein Tagebuch und nannte es „Tagehefte“. Zitat : „In Gaschurn erwarb ich mir einen Weltruf, wenn man die Welt nicht zu weit nimmt.“
IM:gebirge I
Herr A. öffnet die Tür vom Kellerabteil, welches zu seiner neuen Wohnung gehört und sieht in einer Ecke am Boden ein Paar Arbeitsschuhe stehen, an einem Hacken hängen eine grüne Arbeitshose und eine grüne Jacke. An der Wand lehnen verschiedene Gartenwerkzeuge. Daneben steht ein halb voller Sack mit Gartenerde und auf einer Schachtel eine Gießkanne. Diese Gegenstände gehören seinem Vormieter F., der von einer Reise nicht mehr zurückgekehrt ist. Die Stellagen sind leer.
Mit den Hausbewohnern hatte Herr F. wenig Kontakte. Zur Arbeit brach er frühmorgens auf und kehrte spät am Abend heim. Für die Mitbewohner war er ein Phantom. Manchmal sah jemand, wie er seinen linken Fuß über eine Stufe nachzog oder wie sein Rücken in der Türöffnung verschwand. Das Öffnen und Schließen der Wohnungstür besorgte er behutsam, um niemanden zu stören. Von seinen sporadischen Reisen kam er meistens während der Nacht zurück. Bei seiner Abwesenheit klebte an der Tür ein Zettel mit dem Hinweis: „Bin im Gebirge“. Niemand wusste, welches Gebirge damit gemeint war. Herr A. bückt sich, stellt die Gießkanne auf den Boden und öffnet die Schachtel. In der Schachtel befinden sich Notizhefte mit der Aufschrift „Im Gebirge“. Herr A. nimmt eines der Notizhefte und beginnt darin im Schein der Kellerlampe zu lesen:
Ich bin in einem Gebirgsdorf zu Besuch und kann beobachten, wie bewaffnete Leute aus dem Nachbarstaat über die Grenze eindringen und die Bergstation besetzen. Die Menschen in der Bergstation werden gefangen genommen. Im Dorf fällt der Strom und die Wasserversorgung aus. Es dauert eine Stunde bis unsere Luftwaffe die Eindringlinge zurückdrängt. Es ist wieder möglich, mit der Bahn auf den Gipfel zu fahren. Die Bahnstrecke hat bis zur Mittelstation eine Steigung von siebzig Prozent, dann geht es senkrecht den Berg hoch. Ich kann mir nicht vorstellen, wie hier ein Zug fahren kann. Der Zugführer erklärt uns, dass er beide Motoren einschalten wird, zweimal 120 PS. Der Zug fährt mit Schwung hinauf, ohne zu Rutschen oder zu Stocken. Alle atmen auf, als der Zug auf der Bergspitze ankommt. Die Geleise sind aus Kopfsteinpflaster auf denen sich der Zug mit Saugnäpfen, die am Waggonboden angebracht sind, fortbewegt. Bis zur Rückfahrt gibt es einen längeren Aufenthalt. Als ich aufwache, fährt mein Zug in einer Stunde.
SPENDEN:zeit
Je näher der Heilige Abend rückt, umso mehr Spendenbriefe finden sich im Briefkasten. Wie bei einem Marathonlauf haben die caritativen Organisationen auf den Startschuss gewartet, um ihre Bettelbriefe in der Vorweihnachtszeit abzuschicken. In diesen düsteren kalten Tagen hoffen sie, dass sich das Herz bei den Adressaten weit öffnet: Macht auf das Tor, die Tür, öffnet das Fenster weit, bald ist Christkindlzeit. Die große Spendenshow mit vielen Prominenten läuft im ORF, „Licht ins Dunkel“. In guter Erinnerung habe ich die Initiative „Nachbarn in Not“. Sie unterstützte die notleidende Bevölkerung im ehemaligen Jugoslawien, nach dem Balkankrieg. Neu ist in Österreich, dass die Spenden an caritative Organisation als freiwilliger Aufwand von der Steuer abgesetzt werden können. Manche Organisationen klagen darüber, dass durch die Wirtschaftskrise die Gabefreudigkeit geringer ist. Es ist nicht einfach bei den vielen Anfragen eine Auswahl zu treffen. Für mich stehen beim Spenden die Organisationen, Das Rote Kreuz oder die Caritas, an erster Stelle. Da ich Brillenträger bin, weis ich um die Kostbarkeit des Augenlichts und unterstütze die Aktion „Licht für die Welt“. Meine Wertschätzung haben jene Ärzte, die freiwillig in Entwicklungsländer den kranken Menschen helfen, die Initiative „Ärzte ohne Grenzen“.
Neben den schriftlichen Anfragen gibt es persönliche Besuche, sogenannte „Spendensammler“, die an der Haustüre anläuten. Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt: Der Sparverein, Die Kegelrunde, Der Eisstockklub, Das Kaffeekränzchen, Die Pensionistenrunde, alle veranstalten eine Weihnachtsfeier und bitten um eine Unterstützung. Von einem stattlichen Herrn, Mitglied der Orangen Partei in Kärnten, wurde ich um eine Spende ersucht, weil sie möchten ein Wahlversprechen einlösen und im Nachbarort einen Eislaufplatz errichten. Eine Haussammlung, um ein Wahlversprechen umzusetzen, war mir neu. Dass die Wahlversprechen der Parteien, die Steuern von morgen sind, ist den meisten Wählern bewusst. Die orange Partei ist seit gestern wieder blau.
Opfergeld.
DER:wächter
Spaziere ich an einem Winterabend über die Wiese auf der Genottehöhe, wird es um mich nie ganz dunkel. Über der Stadt liegt ein heller Schein, verstärkt durch die Weihnachtsbeleuchtung, auf dem Schnee spiegelt sich das Licht des Mondes. Die hohen Fichten am Waldrand weisen den Weg. Aus dem dunklen Wald treten zwei Rehe und scharren mit ihren Hufen unter den Sträuchern. Es wird von Wohnungseinbrüchen an den Stadträndern berichtet und manche Menschen fürchten sich am Abend spazieren zu gehen. Auf mich wirkt der Winterwald beruhigend.
Während meiner Lehrzeit bin ich abends von der Bushaltestelle in Olsach zu Fuß nach Politzen am Berg gegangen, zu jeder Jahreszeit. Für den Heimweg brauchte ich etwa eine Stunde. Nach einer Viertelstunde lagen die Häuser der Siedlung hinter mir und ich überquerte den Talboden. Im Winter war es dunkel, außer an den Vollmondtagen. Bei Mondschein konnte ich jede Bewegung von Weitem erkennen, auch die Rehe, die vor mir flüchteten. Die Temperaturen waren in den klaren Winternächten frostig. Selten begegnete ich auf dem Nachhauseweg einem Nachbarn. Auf der Bahnstrecke von Spittal nach Villach huschten die Züge als Leuchtwurm vorbei. Nach passieren des Bahnschrankenwärterhauses konnte ich die Abkürzung durch das Schilf nehmen, das Sumpfgebiet ist in den Wintermonaten zugefroren. Am Politzner Berg ging ich an einigen Bauernhäuser vorbei, die Menschen sasen in der Stube beim Abendessen. Aus den Viehställen hörte ich das Schnaufen und Wiederkäuen der Kühe, die Pferde begannen zu wiehern, wenn ich am Stall vorbeiging. Auf den letzten hundert Metern wurde ich vom Hofhund „Wächter“ erwartet, er sprang winselnd an mir hoch. Ich gab ihm ein Stück von meinem Jausenbrot, das ich für ihn aufgespart hatte.
Der Freund.