ver:sprechen II

Vor einem halben Jahr wurden sie im Mittelmeer, im „Canale die Sicilia“,  im  Wasser treibend vor dem Ertrinken gerettet. Ein überladenes Schlepperboot, welches von Tunesien nach Sizilien unterwegs war, ist in einen Sturm geraten und gekentert. Nur ein Teil der Schiffbrüchigen wurde gerettet.  Weiße Kinder  werden sie genannt, weil sie ohne Ausweisdokumente sind und wie ein weißer Fleck auf der Landkarte von niemandem vermisst werden. Sie wurden vorübergehend in einem Flüchtlingslager an der Küste von Sizilien  untergebracht und von der Mafia, nach Bezahlung eines Judaslohnes an die Lagerverwaltung,  freigekauft.  Von staatlichen Stellen oder sozialen Hilfsorganisationen kann der weitere Verbleib nicht verfolgt werden weil sie, wie ein weißer Fleck auf der Landkarte, nicht existieren. Sie werden in einem  Ausbildungslager der Mafia,  in Zusammenarbeit  mit einem christlichen Erziehungsheim, für ihre späteren Aufgaben in der Organisation vorbereitet. Gibt es einen speziellen Bedarf  werden Jugendliche auch  an Freunde in Deutschland  oder in andere  Staaten weitergereicht.  Meine Aufgabe besteht darin, drei dieser Jungs nach München zu begleiten und sie in einer Privatklinik  abzuliefern. Die Klinik ist spezialisiert auf lebensverlängernde Behandlungen wie Frischzellenkuren,  Immun- und Stammzellentherapie. Ein Schwerpunkt im Klinikum ist die Transplantation von Nieren,  Leber- und Lungenteiltransplantationen. Der Großteil der Patienten sind wohlhabende Geschäftsleute aus dem Osten, die mit dem Export von Rohstoffen, im Baugewerbe oder mit dem Handel von Waffen nach Südamerika sehr reich geworden sind.  Die Meisten von ihnen sind schwer krank und alt.

Mit meinen arabischen Sprachkenntnissen bin ich die ideale Begleiterin. Wenn ich meine Aufgabe zufriedenstellend erledigt habe,  bekomme ich eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung für Deutschland. Der Sizilianer verspricht mir, dass ich in der Münchner Privatklinik, wo ich die drei Burschen abliefern werde, eine Anstellung als Krankenschwester bekomme. Wieder in meinem erlernten Beruf zu arbeiten ist mein großer Wunsch. In meiner Fantasie male ich mir die Zukunft in den herrlichsten Farben aus:  Ich werde als Krankenschwester gut verdienen, eine  freundliche Wohnung mieten und niemanden mehr verwöhnen müssen.  Mein neues Leben in München werde ich richtig genießen. Irgendwann  werde ich einen humorvollen Mann kennen lernen und mich in ihn verlieben. Wir werden heiraten und Kinder haben, nichts wird mich an die jetzige Situation erinnern…

Fortsetzung folgt…

ver:sprechen I

„Capisci, hast du verstanden“?  und ob ich verstanden habe. Jetzt bietet sich eine Möglichkeit von meinem Job  als Prostituierte loszukommen. Seit zwei Jahren verwöhne ich in  einem Laufhaus,  wenige Kilometer von der italienischen Grenze entfernt, entspannungsdürftige Herrn. Ich biete eine Vielfalt an Erotikdiensten an:  Französisch,  Bestrafung, Lack  und  Leder, Fuß- und Busenerotik. Hoffentlich ist er ein Ehrenmensch, der gutaussehende  Südländer und alles passiert so, wie er es  gerade schildert. Ein sportlicher Herr  in den besten Jahren, mit dunklem Anzug, hellblauem Hemd und einer dunkelroten Krawatte. Er ist nicht gekommen um sich von mir verwöhnen zu lassen, dabei würde ich ihm mit großer  Leidenschaft zur Verfügung stehen. Eine Abwechslung  in meinem Alltagsgeschäft, die Befriedigung  von biederen Familienvätern aus dem benachbarten Kanaltal.  Diese versuchen den Preis für meine  Liebesdienste zu drücken, für jedes Bambini wollen sie einen Nachlass von zehn Euro. Die älteren Herren sind zumeist korpulent und nicht sehr sportlich. Sie kommen im Bett leicht ins Schwitzen, manchmal schon bei einer erotischen Massage. Meine sportliche Figur macht es möglich, ihnen bei allen Liebesspielen behilflich zu sein.  Jetzt, im November, ist es im Etablissement etwas ruhiger.  Bei trübem Wetter und den vielen Nebeltagen  lässt auch die Lust der Männer nach. Mehr Freier gibt es wieder im Dezember, da finden in vielen Firmen die Weihnachtsfeiern statt. Dies ist die umsatzstärkste Zeit im Jahr, mit vielen sinnlichen Höhepunkten. Aus Anlass  einer Betriebsfeier können die Männer, ohne dass die Gattin Verdacht schöpft, später nach Hause kommen. Dann wird der Ehegatte nicht gefragt wo er so lange war, es war eine etwas längere Partie.  Zu Zweit und zu Dritt sinkt auch die  Scheu vor einem Bordellbesuch, die Nacht  ist dann reif für einen Abstecher nach Kärnten.  An solchen Festtagen vermeide ich jedes intensive  Parfum, die Frau muss es nicht gleich riechen, wo der fürsorglichste aller Ehemänner gewesen ist.

Der fesche Sizilianer steht auf, reicht mir Hand und mit „Ciao, bis übermorgen“ verabschiedet er sich. Aufgewühlt bleibe ich  in meiner, in blau und orange gehaltener Suite zurück. Die Hintergründe und die  Anweisungen für meinen Auftrag waren ausführlich, auch meine Entlohnung wurde festgelegt. Übermorgen soll ich drei arabische  Jugendliche, sogenannte weiße Kinder,  zwischen fünfzehn und achtzehn Jahren, im Zug nach München begleiten…..

Fortsetzung folgt.

friaul:import

Wohin  man heute, am 25. November, in der Draustadt blickt, aus allen Schaufenstern gucken die Weihnachtsmänner und die Weihnachtsengel. In der Konditorei bei der  Stadtpfarrkirche machen der Nikolaus und der Krampus den Weihnachtsmännern den Platz in der Auslage streitig. Rund um die Kirche reiht sich ein weihnachtliches Häusle nach dem anderen. Ob Wollpatschen, Weihrauch, Krippenfiguren, Sandbilder, Speck und Hauswürstel,Selbstgestricktes oder Früchtetee, auf dem Adventmarkt findet man alles. Seine Pforten sind weit geöffnet. Der Kirchturm wurde mit einem Lichtervorhang umhüllt. Da die Temperaturen es zulassen gibt es am Rathausplatz einen künstlichen Eislaufplatz. Dort finden die Bambini ihren Spaß.Überdacht wird der Eislaufplatz von einem Lichterzelt mit tausenden Glühbirnen. Gleich in der Nähe fährt eine Kindereisenbahn durch die künstliche Schneelandschaft.  .

Erwähnt wird gerne das italienische Flair der Draustadt, dieses kommt auch davon, dass gerade zu den Festtagen viele Besucher aus Friaul kommen. In den nächsten Wochen gibt es zwei Höhepunkte, der Christkindlmarkt und die Silvesterparty. Zu diesen Events kommen viele Busgruppen aus Oberitalien. Ohne dieses fröhliche, redselige Stimmengewirr, untermalt von Kinderrufen, wäre das Image der Draustadt nicht so südlich. Am Hauptplatz gibt es einen Besucheransturm bei den Glühweinhütten und  dem Maronistandl. Der erste Becher Glühwein und die erste Tüte Maroni schmecken am besten.

Mode sein wird.

navi:frust II

Die Aussicht mit Hilfe des Navigationsgerät schneller am Ziel zu sein und welche Folgen dies hatte, habe ich in der Verwandtschaft von einer jungen Frau erfahren.Sie war mit dem Auto in Unterkärnten unterwegs,wo ihr die Orte und die Straßen nicht so geläufig sind. Nach einem Besuch bei Freunden im Rosental wollte sie rasch auf einen Parkplatz in der Nähe vom Landeskrankenhaus Villach kommen. Die junge Autofahrerin erhoffte sich vom Navi den kürzeren und sicheren Weg, als durch die Hinweisschildern am Straßenrand. Es wird noch einige Jahre dauern und man wird sich die Frage stellen, ob die Straßenschilder mit den Ortsangaben noch notwendig sind? Die neuen Autos werden alle mit Navigationssystem ausgerüstet sein. Nach Prognosen der Autoindustrie können wir annehmen, dass die Autos in Zukunft auch ohne uns Lenker auskommen werden. Wir werden nur noch Mitfahrer sein. Wird es dann obsolet sein eine Führerscheinprüfung zu machen? Die heutigen Führerscheine werden wertlos sein. Die Fahrschullehrer werden, wie dazumal die Pferdekutscher, zu einem aussterbenden Beruf, höchstens noch ein Nischenberuf. Womit sich die vielen Verkehrspolizisten ihr Brot verdienen werden, ungewiss.

Die frischgebackene  Autobesitzerin hat in ihr Navigationsgerät die Notaufnahme vom Krankenhaus als Zielort eigegeben, um rasch den Parkplatz zu erreichen. Ihre Fahrt endete nicht am nahe gelegenen Parkplatz vom LKH sondern in der Einbahnstraße zur Notaufnahme und mit einem vielsagenden Kopfschütteln der diensthabenden Krankenschwester.

Rettungsgasse.

navi:frust I

Bei den Navigationsgeräten, die heute viel im Einsatz sind, ist nicht immer alles paletti. Als ich das erste Mal in einem Auto mit Navi mitgefahren bin, welches als die Errungenschaft vorgeführt wurde, hat mich ekelige Ansagerstimme echt genervt. Inzwischen dürfte sich einiges bei der Sprachausgabe verbessert haben. In unserer Stadt hat sich in diesen Sommer ein holländischer Urlauber einen zweifelhaften Ruhm erworben. Seine Absicht war, ein Lokal auf dem Villacher Hauptlatz, Fußgängerzone, zu besuchen und hat sich dabei total auf sein Navi verlassen. Er wurde vom Kaiser-Franz-Joseph Platz in eine schmale Querverbindungsstraße zum Hauptplatz gelotst. Diese historischen Altstadtgassen waren für Fußgeher oder für ein Pferd mit einem Karren gebaut worden. Der Urlauber hat seinem Navigationsgerät voll vertraut und sich von der Enge nicht irritieren lassen. Solange, bis er schlussendlich mit seinem Auto zwischen den Hausermauern stecken geblieben ist. Er musste mitsamt seinem Auto von der Feuerwehr aus dem Altstadtgässchen befreit werden.

Regelmäßig kann ich zuschauen, wie stolze Navibesitzer ihr Fahrzeug zurückschieben, weil die Warmbader- Allee nur zum Teil mit Kfz befahrbar ist. Die Durchfahrt wird durch zwei Säulen gesperrt. Mit einem Verkehrsschild wird zu Beginn der Straße darauf ausdrücklich hingewiesen: Durchfahrt nur für Radfahrer. In den Navis scheint diese Information nicht angekommen zu sein. Das gesperrte Stück würde eine Abkürzung bedeuten, der Weg auf der Umfahrungsstraße ist wesentlich länger. Heute will jeder schnell am Ziel sein.

Planlos.