un:keusch ll

Eine zentrale Rolle spielt das Gewissen im christlichen Glauben. Bereits beim Sündenfall im Paradies meldete sich das schlechte Gewissen von Adam und er gibt Eva die Schuld. Nachdem Kain seinen Bruder Abel erschlagen hat und von Gott gefragt wird: „Kain, wo ist dein Bruder Abel“? antwortet dieser mit Schuldgefühlen: „Bin ich der Hüter meines Bruders“? Bald nach dem Schuleintritt werden die Volksschulkinder auf das Sakrament der heiligen Kommunion und der  Beichte vorbereitet. Vor der Beichte erfolgt die Gewissenserforschung.

Für alle Zöglinge gehörte zum Internatsalltag die wöchentliche Beichte und der tägliche Empfang der Heiligen Kommunion. Einem 12jährigen war es in einem reglementierten System und überwachten Tagesablauf kaum möglich größere Sünden zu begehen. Das Schlimmste waren die Streitereien und Raufereien unter Gleichaltrigen. Sind diese schon Sünden? Ein Aufbegehren gegen die Präfekten gab es nicht, wenn nur passiv. Zu den schweren Sünden gehörte die Unkeuschheit, begangen durch unkeuschen Gedanken und Tun. In diesem Alter wussten viele von uns nicht was unkeusche Gedanken sind. Bei der Gewissenserforschung haben sich der Großteil von uns damit schwer getan und was sollte man beichten? In kindlicher Not haben wir wöchentlich den Beichtstuhl gewechselt und dabei immer dasselbe gebeichtet. Bei etwa fünfhundert Zöglingen konnte sich wohl kein Beichtvater jeden reuigen Sünder merken.

Kartoffelpüree.

un:keusch l

Das Gewissen ist etwas sehr persönliches, zudem man anderen keinen Zutritt gewähren will. Es ist ein Regulierungsorgan in der Psyche, bei den Christen sagt man dazu Seele, mit der man für sich das Gute vom Bösen unterscheiden kann. Je nach persönlicher Empfindlichkeit regt sich das Gewissen bei dem Einem früher, beim  Anderem später. Die einen plagen Schuldgefühle, sagen sie zur Partnerin ein lautes Wort, die anderen finden es normal, brechen sie einen handfesten Streit vom Zaun. In der Fußgängerzone der Draustadt empfinden manche beim Anblick eines Bettlers ein Unwohlsein, denken sie dabei  an ihren eigenen Wohlstand. Aus Mitleid greifen sie in die Tasche um einen Euro zu geben. Andere gehen auf die Bettler zu und beschimpfen sie, am liebsten würden sie sie davonjagen, zurück in die Oststaaten. Von manchen Straftätern sagt man, sie haben kein Gewissen. Im Umgang mit den Nächsten ist das Gewissen unverzichtbar. Die Wirtschaft lebt es vor, wie schädigend man mit den Bedürfnissen der Mitarbeiter umgeht. Die persönliche Befindlichkeit der Arbeiter spielt keine Rolle, es geht nur darum wie hoch der Konzerngewinn ist. Von den Managern in staatsnahen Betrieben wird es vorgelebt, wo mit nicht nachvollziehbaren Berechnungen Bezüge kassiert werden, die in keinem Verhältnis zu dem Verdienst eines Durchschnittösterreichers stehen. Ein anstößiges Beispiel sind die Pensionen der Angestellten der österreichischen Nationalbank. Die monatlichen Pensionen liegen zwischen drei- bis fünftausend Euro, die Spitzenpensionen darüber. Sie haben mit einer Klage dagegen Einspruch erhoben, dass sie einen Solidaritätsbeitrag von etwa dreihundert Euro jährlich zahlen sollen.

Die Straßenseite wechseln Menschen, die einem gegenüber ein schlechtes Gewissen haben. Sie verhalten sich so, als hätten sie einen nicht gesehen, weil sie einen ausgeborgten Geldbetrag nicht zurückgezahlt haben. Bei einer geschäftlichen Abmachung das Wort nicht gehalten haben und aus einem fadenscheinigen Grund eine Provisionskürzung vornehmen. Sie leben solange selbstzufrieden, bis man sich zufällig begegnet. Falsche Scham wäre es, sich als Geschädigter zu schämen und zu versuchen der Begegnung auszuweichen.

Putzfetzen.

web:friedhof

In der Mittagsstunde sitze ich in Caorle  vor dem Museum in der Sonne. Immer wieder kommen hierher Paare um sich auszuruhen. Derweil strömen aus den verschiedenen Richtungen die Trauergäste in die Kirche. Der Tod kennt keine Ferien, er zwingt uns sein Handeln auf. Dem Toten in der Kirche, männlich oder weiblich, hat Gott das Wort entzogen. Er tritt ohne Hab und Gut vor Gott, alles Irdische wird unter den Erben aufgeteilt. Meine Hoffnung für das Jenseits ist, dass uns Gott das Wort zurückgibt. Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.

Wie können die vielen Wörter, welche ich in die Welt gesetzt habe in Ehren gehalten werden, wem kann ich vertrauen?  Sie sind nicht zum Verkauf gedacht, wie die materiellen Güter. Der Fortbestand meiner Wörter ist mir ein tieferes Anliegen, als die Vererbung der täglichen Gebrauchsgegenstände. Bis heute sind die Hüter der Wörter die Bücher, traditionell von den Bibliotheken archiviert. Im Internet sind die Server die Bewahrer der Wörter, sie herrschen zumeist in Übersee. Welches Interesse haben sie, die vielen Wörter zu archivieren?  Wird es, so wie es für den Leib einen Friedhof gibt, dereinst für die Webseiten einen Internetfriedhof geben? Für wie lange und zu welchen Friedhofsgebühren.

Fragliche Zukunft.

Allen Besuchern ein schoenes Osterwetter, einen braven Osterhasen,

und erholsame Feiertage. 

aus:dauer

Anerkennung bei den Nachbarn findet ein Rentner, wenn er in seiner Pension den Rasen mäht und das Gemüse im Garten betreut. Den Enkel in die Schule begleitet und die reifen Zwetschken pflückt. Es folgt die sich über mehrere Tage dauernde Autopflege und die Frau mit dem Sportwagen regelmäßig zum Einkaufen in den Supermarkt fahren. Den Einkauf erledigt die Gattin, weil selbst bereitet es einem ob des Alters Mühe aus der tollen Limousine auszusteigen. Die eigene Beweglichkeit hält mit dem eleganten Äußerem des Autos nicht  Schritt.

Anderseits kann es Freude bereiten,abseits von Pensionistenträumen, eine Kunstausstellung zu besuchen. Es ist die reine Freude am Schauen, von den kreativen Ideen überrascht sein. Von der Fülle der Ausstellungstücke bleibt zumeist ein kleiner Teil in der Erinnerung haften. Für zu Hause gibt es Fotos als Notnagel, die an die Sinnlichkeit der Originale nicht herankommen. So stellt sich bei einem von vielen als sinnlos eingestuften Ausflug Freude ein. In drei oder fünf Jahren kann dies körperlich, zeitlich oder finanziell nicht mehr möglich sein. Der Partner muss nicht dieselben Interessen teilen oder die Zeit und die Temperaturen erlauben es nicht. Es kommt zu Eigeninitiativen, welche man sonst nicht gewöhnt ist. Wie ratlos zeigt sich dabei die Ratgeberliteratur. Das Festhalten und Ausarbeiten der täglichen Beobachtungen bereitet mir Freude, davor stehen das Bemühen und Durchhalten.

Der Augenblick.

daumen:drücken ll

Ich habe sie beide lieb, keines von beiden darf geschlachtet werden. Es besteht eine heimliche Freundschaft zwischen uns. Komme ich in den Stall und nähere mich der Schweinebox, dann kommen sie laut grunzend herbei und ich kratze sie vorsichtig zwischen den Ohren. Sind  die Eltern nicht  in der Nähe, dann erzähle ich ihnen von meinen Schwierigkeiten beim Lesen, von der schlechten Note bei der Ansage. Auch von der Strafarbeit, weil ich zwei Mal die Hausaufgabe vergessen habe. Schuld daran waren die neue Schaukel und die Strickleiter, die Steffis Vater bei ihnen im Garten montiert hat. Mit Steffi habe ich bis zum Abend auf den Spielgeräten herumgeturnt. Kaum habe ich den Schweinen etwas erzählt, heben sie ihre Schnauze und stoßen einen Grunzer aus, als Bestätigung dafür, dass sie mich verstehen. Sie stimmen mir zu, dass ich Paul, der im gelben Haus wohnt, blöd finde, weil er an meiner Schultasche gezogen hat und mich umstoßen wollte. In der Schule kann ich mich vor ihm hinter der Garderobetür verstecken. Fordert uns die Lehrerin auf, eine Scheune oder eine Wiese zu zeichnen, zeichne ich zu den Kühen und Schafen  immer auch zwei Schweine dazu. Oft habe ich in den letzten Monaten beim Füttern der Schweine geholfen, ich leerte aus dem  Kübel Milch in den Futtertrog. Jeder von den Beiden will beim Fressen der Erste sein. Aus den putzigen Ferkel sind  zwei kräftige Schweine geworden.

Mit gesenktem Kopf und traurigen Gedanken sitze ich am Tisch und verspüre keinen Hunger mehr. Ich bin zornig auf Papa, er ist ein böser Papa und ich bekomme Bauchweh, wie vor einem Lesetest. Ich kaue lange am Marmeladebrot, es will den Hals nicht hinunterrutschen. Die Schlucke aus dem Kakaobecher werden immer kleiner. Ich habe mich so darauf gefreut  mit der Mama die Ostereier zu färben, jetzt ist alles anders. Vielleicht kann ich mit dem Osterhasen verhandeln, ihm einen Tausch vorschlagen? Ich verzichte auf meine Osterwünsche, eine Jacke und einen bunten Regenschirm und er schickt dafür ein fremdes Schwein. Fridolin und Hansi könnten weiter leben. Ganz fest denke ich daran und drücke beide Daumen. „Schmeckt dir das Frühstück nicht“?, fragt der Papa, steht auf und geht aus der Küche. Durch das Fenster sehe ich, dass ein Auto in der Hauseinfahrt stehen bleibt und kurz danach wird eine Autotür zugeschlagen. „Du bleibst solange in der Küche bis ich dich hole und iss dein Brot“, fordert mich die Mama auf und geht hinaus. Nach einiger Zeit ertönt ein dumpfer Knall und ich presse beide Hände fest gegen meine Ohren. Der Osterhase kann manchmal die Wünsche der Kinder nicht erfüllen, hat  Mama einmal gesagt. Aus der Tischschublade nehme ich ein Blatt Papier und zeichne mit meinen Buntstiften einen Stall und auf der Wiese davor Kühe, Schafe und ein Schwein.