daumen:drücken l

Nachdem ich in den Morgenmantel geschlüpft und in der Küche bin, mache ich zwei Dinge gleichzeitig: Das Einschalten des Kaffeeautomaten und aus dem Küchenfenster einen Blick in den Vorgarten der Wohnanlage. Eine frisch geschlüpfte  Blume, das Grünwerden der Sträucher, täglich entdecke ich im Frühjahr etwas Neues. Seit Tagen hoffe ich, dass an einem Morgen die Schneeglöckchen aus dem Boden sprießen werden, heute ist es soweit. Inmitten des zaghaften Grüns des Rasen strahlen die weißen Blüten der Schneeglöckchen zum Fenster herauf. Ich atme einmal tief ein, so als könnte ich den Duft der Schneeglöckchen durch das geschlossene Küchenfenster riechen und schließe die Augen.

Das Öffnen der Augen zögere ich hinaus und sehe innerlich eine Wiese mit Obstbäumen die übersät ist mit Schneeglöckchen. In meiner Fantasie bin ich wieder „das süße Veilchen“,  wie ich vom Papa liebevoll genannt werde, obwohl ich schon die zweite Volksschulklasse besuche. Ich hüpfe von der Küchenbank und laufe durch das Vorhaus in das Freie, am Viehstall vorbei in den Obstgarten um für Papa ein paar Schneeglöckchen zu pflücken. Als ich in die Küche zurückkomme sitzen Papa und Mama am Küchentisch beim Frühstück. Papa macht ein ernstes Gesicht, er nimmt mich nicht, wie sonst nach der Stallarbeit, in die Arme und hebt mich dabei hoch. Meine Blumen lege ich neben seinen Teller, er legt sie achtlos auf das Fensterbrett. Ich setzte mich zur Mama und frage sie: „Werden wir heute die Ostereier färben?“ Sie fasst nach meiner Hand und antwortet: „In einer Stunde kommt der Fleischer, heute ist Schlachttag“. „Da du schon ein großes Mädchen bist“, mischt sich Papa ein, „kannst du der Mama beim Verarbeiten des Schweinefleisches behilflich sein“. Unwillkürlich rücke ich noch näher zur Mama. Schlachttag, in meinem Mädchenkopf beginnt es zu rumoren: Das bedeutet, dass eines von den zwei Schweinen, die im Stall stehen, geschlachtet wird. Welches von den zwei Schweinen wird es sein, Fridolin oder Hansi? Ich habe sie beide lieb, keines von beiden darf geschlachtet werden. Es besteht eine heimliche Freundschaft zwischen uns.

Fortsetzung folgt…

 

schlag:loch

Nach den ersten Anwendungen im Therapiezentrum Warmbad fühle ich mich wohler, die Beschwerden im Nackenbereich und in den Hüften haben sich gebessert. Eine Möglichkeit um die Abnützungen der Gelenke auszugleichen ist, die Muskulatur zu entspannen und zu stärken. In Stadtzentrum geht es am Ostermarkt rund, vieles wird von den Menschen in dieser Woche nur mehr am Rande wahrgenommen. Egal ob Korruption in der Politik, schlechte Wirtschaftsprognosen oder Milliarden an Euros für marode Banken. Ein Sprichwort sagt: Wenn die Katze aus dem Haus ist, dann feiern die Mäuse Ostern. Wird die Kontrolle ausgeschaltet, dann feiern die politischen Funktionäre Kirchtag.

Vieles ist leichter zu ertragen oder bedeutet dies Verdrängen, wenn man ein paar ausgelassene Stunden im Vergnügungspark verbringt. Dort wird auch ein sechzigjähriges Knochengerüst für ein paar Stunden mit Schwung erfüllt. Muss mit Sechzig alles im Körper so funktionieren wie mit Vierzig? Sind die Abweichungen als Defizite zu sehen oder ist es der Wechsel vom Mittelalter in das Spätmittelalter, bevor man in das Altertum wechselt? Wenn im Körper bis zu guter Letzt alles top funktioniert, dies wäre das Glück an sich. Wie lange kann das Glück dauern und braucht es dafür einen guten Arzt? Vor allem Einen, der mich da abholt, wo ich gerade körperlich und seelisch stehe. Bei Literaten gibt es das Problem, dass der behandelnde Arzt meistens nichts von den Texten kennt. Wie kann ein Arzt einen Künstler, egal ob Komponist, Maler oder Dichter behandeln, von dem er nichts gehört, gesehen oder gelesen hat. Er kennt einen wesentlichen Teil seines Patienten nicht.

Beim Arztbesuch ergeht es mir so, dass die Ärztin oder der Arzt nichts von mir gelesen hat. Somit wissen sie von mir wesentliches nicht, wie können sie dann meine Symptome und Beschwerden richtig zuordnen. Eine Diagnose gleicht einer Flugzeuglandung bei Nacht, ohne Lichtmarkierungen am Flugfeld. Ähnlich einer Autofahrt mit Standlicht im Halbdunkeln. Ein Vorwärtstasten mit Gespür, ein verdecktes Schlagloch, anstatt Licht in die Beschwerden zu bringen.

Alles Schlagloch.

los:tag

Von den Bauern werden die sogenannten „Lostage“ genau beobachtet. Vom Wetter, welches an einem Lostag herrscht, lässt sich das Wetter für die nächsten Monate vorhersagen. Wie der 31.März war, so der Herbst. Im Bauernkalender steht heute:

“Den 1. April mußt überstehn, dann kann dir manch Gut`s geschehn. Säen am 1. April, verdirbt den Bauern mit Stumpf und Stiel.”

Manche Menschen sagen, dass die Lostage ihre Gültigkeit verloren haben, weil sich unser Klima geändert hat. Ist es sinnvoll, die Klimaveränderung mit den Turbulenzen auf den Finanzmärkten in Zusammenhang zu bringen? Beides wird vom Menschen beeinflusst. Die Veröffentlichung des neuen Konjunkturberichtes ist ein Lostag, da entscheidet sich, ob die Arbeitslosenzahlen fallen oder steigen werden. Für andere bedeutet dies, ob die Aktienkurse an Wert gewinnen oder verlieren. Menschen, welche an der Börse spekulieren, blicken alle fünf Minuten auf das Handy, wo sie die Börsenkurse angezeigt bekommen. Andere haben in ihrem Bürozimmer  permanent drei Bildschirme eingeschaltet, so können sie die neuesten Börsenkurse von den wichtigsten Finanzplätzen der Welt verfolgen. Die Nervosität der Börsenspekulanten, die eine Zigarette nach der anderen anzünden und dazu Cappuccino trinken, ist unerträglich.

 Ein persönlicher Lostag ist, wenn man einem Arbeitsunfall knapp entgeht, oder es bei einem Autounfall nur Blechschaden gibt. Zu den schönen Lostagen zählen die Tage an dem man eine wichtige Prüfung bestanden hat, einen neuen Job bekommen hat oder seinen Ehepartner kennengelernt hat. Befreiend sind die Tage, die ohne Planung gut verlaufen.

Lottosechser.

schnitzel:jagd ll

In den schmalen Gassen von der Lagunenstadt herrscht ein ununterbrochenes Gedränge und ein schnelleres Vorwärtskommen ist ausgeschlossen. Paketzusteller müssen sich ihren Durchgang erkämpfen. Ein  Hindernis in den engen Gassen und auf den vielen Brücken sind die Radfahrer. Es muss für sie ein besonderes Erlebnis sein, Venedig mit dem Fahrrad zu erkunden, etwas für Unerschrockene.

Bei der Fahrt mit dem Intercitybus von Villach nach Venedig bin ich mit einer Gruppe von Fachschülern aus dem Lungau in das Gespräch gekommen. Sie werden die Stadt auf ihre Art erkunden, unter dem Motto „Schnitzeljagd“. Aufgeteilt in kleinen Gruppen müssen sie verschiedene Sehenswürdigkeiten in Venedig ansteuern und zum Beweis mit dem Handy ein Foto machen. Für die erfolgreichste Gruppe gibt es am Abend Schnitzel oder doch eine Pizza, dies ist noch offen. Abends wird es in Gassen noch quirliger, die Museen, Kirchen und Palazzi haben bereits geschlossen. Jetzt sieht man erstmals ältere Venezianer, die sich mit den Touristen treiben lassen und sich die Zeit nehmen in einer Bar einen Aperolspritzer oder ein Glas Wein zu genießen. Auf dem Arm tragen sie kleine Hunde, die nicht müde werden die vorbeiströmenden Menschen anzubellen. In der Dämmerung tauchen auf den Plätzen afrikanische Straßenhändler auf, welche auf dem Asphalt ein Stück Tuch ausbreiten und darauf ihre Handtaschen stellen. Wirft Frau einen Blick dahin, wird sie den Straßenhändler die nächsten dreihundert Meter nicht mehr los. Unangenehm, das Angenehme dabei, der Preis wird alle fünfzig Meter billiger. Gesehen auch Quallen, die sich platt auf den Boden drücken und wieder die ursprüngliche Form annehmen. Besonders aufgefallen sind die, in verschiedenen Farben leuchtenden Fallschirme, welche vom Himmel schweben. In Windeseile ist der Zauber der Straßenhändler verflogen, taucht in der Gasse ein Carabineri auf.

Rialtobrücke.

schnitzel:jagd l

Wer das erste Mal Venedig besucht wird andere Prioritäten setzen als jemand, der schon einige Male in Venedig war. Es gibt die verschiedensten Gründe für eine Venedigreise. Kommt man mit dem Zug nach Venedig und verlässt den Bahnhof, dann blickt man auf den Canale Grande. Man wundert sich darüber, wie breit und wie stark befahren der Canal ist. Mit Frühlingsbeginn strömen täglich tausende Menschen nach Venedig und alle wollen befördert werden. Dieses Jahr wurden neue Vaprettos  in Betrieb genommen. Sie sind zweifärbig gestrichen, ein dunkleres und ein helleres Grün. Neu sind auch Passagierschiffe mit Elektroantrieb.

Der erste Weg in Venedig führte mich zum Postamt, welches in einer kleinen Seitengasse, in der von mir so bezeichneten Bahnhofsstraße, versteckt ist. Um ein paar Briefmarken zu besorgen muss ich eine Nummer ziehen und mich in der Reihe anstellen. Man kann zwar an allen Ecken und Enden, in jedem der vielen kleinen Geschäfte in der Bahnhofstraße, weiteres bei den mobilen Verkaufsständen, Ansichtskarten erwerben, aber nirgendwo gibt es die Briefmarken dazu. Ich habe Touristen beobachtet, dass sie die ausgesuchten Postkarten wieder hingelegt haben, nachdem sie erfahren haben, dass dazu keine Briefmarken verkauft werden. Briefmarken sind nur bei der Post erhältlich. Der Verkauf von Ansichtskarten ist, wo das Handy bei jeder verzierten Türschnalle für ein Foto gezückt wird,  kein Geschäft mehr, noch weniger der Verkauf von Briefmarken. Die Post gewährt für den Verkauf von Briefmarken drei Prozent Wiederverkaufsrabatt. Es ist von Vorteil, sich mit kleinen Euroscheinen einzudecken. Man erntet nur Kopfschütteln, versucht man einen Betrag von zehn Euro mit einem Hunderteuroschein zu bezahlen. Auch die Kassiererinnen vom Billamarkt weigern sich den Schein anzunehmen. Mit einigen Euromünzen in der Hosentasche hat man einen Triumpf  in der Hand. Ein Euro kostet die Benützung eines öffentlichen WC, und um einem Euro kann man aus einer Fülle von Mitbringsel wählen. Entlang der Hauptgehwege finden sich überraschend in regelmäßigen Abständen die „Ein Euro Shops“.

Zufallstreffer.