hoch:montafon

Sowohl  im Handel, wie im Gewerbe begegnet man Menschen die länger als die übliche Berufszeit im Geschäft oder in der Werkstätte bleiben. In einem Tourismusort im Hochmontafon gibt es im Ortszentrum ein Handelsgeschäft mit einer Fassade aus den sechziger Jahren. Auch bei der Ordnung und der Übersichtlichkeit ist es kein Vorzeigeobjekt. Es ist ein Gemischtwarengeschäft der alten Prägung, vor dem Geschäft steht Tag für Tag ein Verkaufsständer mit Besen, Rechen und anderem Werkzeug zum Sauber halten. Manche Artikel, wie Gläser, Geschirr  und Spielwaren liegen bestimmt schon seit zehn Jahren  hinter der Schaufensterscheibe. Im Ort ist das Geschäft eine Institution, die nicht wegzudenken ist. Seit einigen Jahren gibt es am Ortsrand einen neuen Supermarkt, trotzdem kaufen viele Einheimische und Gäste ihre Getränke, Süßigkeiten, Waschmittel, Zigaretten und Zeitungen in diesem Laden. Der erste Ansprechpartner bei  Fleisch, Wurst, Käse, Gemüse und Obst ist der Laden nicht. Der Inhaber gönnt sich erst seit ein paar Jahren eine Mittagspause, er steht knapp vor dem neunzigsten Geburtstag.

Die jungen Alten.

strahle:mann

Wie kann am schnellsten die Psyche und in weiterer Folge das tägliche Leben zerstört werden? Dahin führt ein Weg, wenn man vom Partner aufgefordert wird ein perfekter Mensch zu werden. Korrigiert wird, wenn es darum geht die Stühle auszurichten, den Müll zu trennen und die Küchentüre zu schließen. Auf die Frage nach dem persönlichen Befinden keine Alternativen zugelassen sind und die Antwort lautet: „Es geht mir gut“. An der Aussage, „Alles im Griff zu haben“, gescheitert ist die Jugendrichterin Kirsten Heisig in Berlin. „Ich habe alles im Griff“, war ein Standardsatz von ihr. Sie ist  bei Fernsehdiskussionen für eine bessere Integration und mildere Bestrafung von Jugendlichen eingetreten. Eine Vorzeigefrau wie es die Gesellschaft liebt und dann hat sie Selbstmord verübt. Bei solchen Auswirkungen zeige ich mich als ein Mensch mit Schwächen und Fehlern, kein Strahlemann für Strahlefrau. 

Wie ist es nach dem  Berufsausstieg möglich unterschiedliche Leute kennenzulernen, eine Mischung aus Alt und Jung?  Einen Ort zu finden, wo die unmöglichsten Geschichten erzählt werden, wie diese:  Eine Lehrerin hat in einem Aufsatz das Wort „Hifler“ nicht anerkannt, obwohl es im österreichischen Wörterbuch steht und durch „Stange“ ersetzt. Eine Stange ist kein „Hifler“. 

Heuhifler.

hörig:keit IV

Die  stärkste Betroffenheit löst die Hörigkeit in zwischenmenschlichen Beziehungen aus. Hat man sich aus der Abhängigkeit von den Eltern befreit, dann gerät man in eine Abhängigkeit zu einem anderen Menschen, zum anderen Geschlecht. Es hängt damit zusammen, dass der Partner es versteht seine Erfahrungen, sein Selbstbewusstsein, seine Lebensfreude auszuspielen. Eigenschaften wie Fröhlichkeit, Ausstrahlung und Lebensmut können faszinieren. Schöne Worte und viele  Versprechungen führen zur Hörigkeit. Starke Persönlichkeiten neigen dazu, andere Bezugspersonen auszuschalten, den Gedankenaustausch mit anderen zu verhindern.

Bei weiblichen Person ersetzt die Hörigkeit zu einem Mann oft den Vater. Man verliebt sich in einen besseren Vater. In einer wirtschaftlichen Angelegenheit signalisiert, die meist selbstbewusst und entschlussfreudig auftretende Person, dass sie wie ein kleines Mädchen den Übervater anhimmelt. Jedes Wort wird von seinen Lippen abgelesen, wie ein Tropfen Wasser aufgesaugt. Sie gibt dem Übervater das Gefühl, dass er ihr die zukünftigen Entscheidungen leicht macht. Was ist der Preis der Hörigkeit?

Spielautomat.

radio:müll

Wer glaubt, dass diese Wortkomposition für eine neue Recyclingidee steht, bei der man aus Recyclingstoffen ein preiswertes Radio erzeugt, dem gestehe ich zu, dass diese Möglichkeit besteht. Es ist bestimmt möglich ein günstiges Radio, einen Universalempfänger für Dritte Weltländer herzustellen, nach dem Vorbild  der PC Branche. Ob dort überhaupt überall eine Infrastruktur für den Rundfunkempfang besteht?  Von Afrika weis man, dass das Festnetztelefon übersprungen wurde und die Afrikaner beim Handy gelandet sind. So dürfte  wohl auch manche Radiotradition übersprungen worden sein.

Beim Wort Radiomüll denke ich an die Frühsendung des Regionalsenders. Frühmorgens bin ich sehr empfindlich für das, was ich zu hören bekomme. Meine Psyche liegt nackt auf dem Frühstückstisch, für Alles und Jeden zugänglich. Während der Nacht hat sich eine Schutzfolie um die Andere von der Seele entfernt, der letzte Schutzfilm wurde durch die Träume aufgelöst. Die Seele hat es, im Schutz der Nacht, nicht notwendig sich mit einer Folie zu schützen. So spaziert sie in der Früh unbekleidet durch die Wohnung und will von keinem Wort und von keiner Unterhaltungsmusik berührt werden. Mit vertrauten Ritualen zieht sie sich eine Schutzfolie für den Tag an. Dieser Prozess ist ähnlich, wie wenn bei einer Wunde  ein neuer Verband angelegt wird.  

Die morgendlichen „Weckersendungen“, wie sie in vielen Haushalten oder die ersten Stunden am Arbeitsplatz gehört werden, sind ein Feuerwerk an Gift, das auf meine Seele abgefeuert wird. Gutelaunegiftpfeile die meine Seele treffen. Der Gutelaunebecher der den Hörern verabreicht wird,  ist für mich ein seelischer Giftbecher. Eine Aufforderung an mich, bei fröhlicher Schlagermusik den Giftbecher zu leeren. Dazu kommen die aktuellen Nachrichten: Die Aufzählung  der Verkehrsunfälle und der Einbrüche, die Toten bei einer Bombenexplosion und Raketenangriff. Jede Viertelstunde werden die Wetteraussichten wiederholt, einmal wird die Seele der Sonne, in der nächsten Viertelstunde dem Schneefall ausgesetzt. Der musikalische Müll ergießt sich über meine ungeschützte Seele.

Gutelaunegiftpfeile.

 

pension:vorsorge

In diesem Jahr wurden in Österreich die Pensionen um 1.8 Prozent erhöht und ständig ändern sich die Gesetze zum Pensionsantrittsalter und der Pensionsbemessung. Auf diesen Umstand verweisen die Kundenbetreuer in der Raiffeisenbank und empfehlen der mittleren Generation den Abschluss einer Pensionsvorsorgeversicherung.

Pensionisten, die schon länger im Ruhestand sind, empfehlen anderen, welche kurz vor der Pension stehen, dass sie sich über die Gestaltung des künftigen Pensionsalltags rechtzeitig Gedanken machen sollen. Ein Berufstätiger versteht diese Warnung nicht, da es für ihn nichts Schöneres geben kann, als wenn man plötzlich nichts mehr zu tun hätte. Kein Arbeitspensum ist zu erledigen, nichts ist geplant. Tag für Tag tun und lassen was einem gerade einfällt und Spass macht. Am Morgen spät aufstehen, frühstücken und dabei die Zeitung durchblättern und sich Gedanken über das Mittagessen machen: „Den lieben Gott einen guten Menschen sein lassen“. Dies täglich, keine Termine, keine vorgegebenen Aufgaben und dafür bekommt man noch bezahlt.

Trotzdem beschleicht einen ein schales Gefühl, wenn man weiß, dass viele Kontakte mit Kollegen, Kunden und Zufallsbegegnungen wegfallen werden. Man wird mit sich und den Familienmitgliedern beschäftigt sein. Am Abend wird sich das Gefühl etwas Sinnvolles gemacht zu haben, die Zufriedenheit über einen geglückten Tag, nicht mehr so oft einstellen. Das Nichtstun kann auch zu einer Belastung werden.

Den Vorschlag für eine  Beschäftigung vorzusorgen, sollte man nicht ablehnen. Ein Ansatz wäre, am Freitag früher aufzustehen und nach dem Frühstück in der Tabak Trafik  die Tageszeitung „Die Presse“ zu kaufen. „Die Presse“ bietet reichlich Lesestoff bis zum Mittagessen.

Der geglückte Vormittag.