reise:abenteuer II

Hätten wir in Mailand den Bahnsteig verlassen, hätten wir ihn im schlimmsten Fall nicht mehr betreten dürfen, weil wir keine gültigen Fahrscheine für diese Strecke hatten. Eine Rarität im italienischen Bahnverkehr ist, dass bei den großen Bahnhöfen bevor man den Bahnsteig betreten kann kontrolliert wird, ob man eine gültige Fahrkarte hat. Damit sollen Schwarzfahrer abgeschreckt werden. Anderseits braucht es in den Fernverkehrszügen eine Platzreservierung, die wir nicht hatten. Zu unserem Glück war der Zug von Mailand nach Savona überfüllt und der Schaffner hat unsere Fahrscheine nur oberflächlich kontrolliert. Einen Teil der Zugstrecke mussten wir am Gang sitzen, dann lichteten sich die Plätze und wir fuhren entspannt Savona entgegen.

Während der Zugfahrt hatten wir ausführlich Zeit uns über unsere Herkunft und die kommende Reise zu unterhalten. Dem jungen Paar konnten wir einige nützliche Tipps zum Einchecken und zum Bordleben  geben. Im Gespräch steckten wir den gemeinsamen lokalen Raum ab, das Beziehungsgeflecht zwischen uns, von dem wir vorher nichts wussten. Der junge Herr hat seine Schulferien bei einer Familie in Arnoldstein verbracht, umgekehrt waren die Kinder dieser Familie bei ihnen in der Steiermark. Da ich vierzig Jahre in Arnoldstein gelebt habe, war ich auf den Familiennamen neugierig. Möglicherweise kenne ich sie, obwohl ich kein Namensgenie bin. An den Namen konnte er sich nicht mehr erinnern. Handy sei Dank, hat er mit seiner Schwester telefoniert, die mit der Arnoldsteinerfamilie  immer noch sporadisch Kontakt hat und nach dem Namen gefragt. Es war eine Familie aus dem Ort, deren Tochter in meiner Papierhandlung eine Lehre absolviert hat. Mit dieser hat er als Kind im Sandkasten gespielt. So schloss sich der Bogen. Am Bahnhof  in Savona bestiegen wir gemeinsam ein Taxi, welches uns zum Schiff brachte.

Heimathafen

reise:abenteuer I

In vielen Köpfen ist das Bonmot abrufbar, wer eine Reise macht, der kann etwas erzählen. Trotz sorgfältiger Planung kann etwas Unvorhergesehenes passieren. Oft sind es die unerwarteten Begegnungen mit Mitreisenden. Zu einer Mittelmeerkreuzfahrt ab Savona  reisten wir von Villach mit dem Zug an und strandeten um halb fünf Uhr morgens in der Unterführung vom Bahnhof Bologna. Der Nachtzug von Wien nach Rom hatte über eine halbe Stunde Verspätung und so versäumten wir in Bologna den Anschlusszug nach Savona. Wie es sich bald zeigte, waren wir nicht das einzige Strandgut. In der Unterführung schliefen entlang der Mauern eine größere Anzahl von Obdachlosen auf Pappkartons. So betrachtet waren wir mit unseren Reisekoffern in der vornehmeren Position. Der Blick auf den Fahrplan verhieß nichts Gutes. Es gab nur diesen einen Frühzug, der uns nach Voghera und nach nochmaligem Umsteigen nach Savona bringen sollte. Bei einer fixierten Schiffabfahrtszeit eine beunruhigende Feststellung.

Über die Stiege kommt ein jüngeres Paar mit denselben Kofferanhängern, von der Schifffahrtsgesellschaft, wie wir. Plötzlich hatten wir Leidensgefährten, die ebenfalls dieselbe Zugverbindung nützen wollten. Wir tauschten uns über unsere missliche Lage aus und beschließen ein Team zu bilden. Das Paar kam aus der Steiermark, es war ihre erste Kreuzfahrt. Wir waren Kärntner und hatten schon auf zwei Kreuzfahrten Erfahrungen gesammelt. Wir änderten unsere Route und bestiegen den nächsten Zug nach Mailand, um von dort den Zug nach Savona zu nehmen. Auf diesen Transitstrecken gab es im Stundentakt schnelle Zugsverbindungen. Die Bedenken der Steirer, wir hätten für diese Strecke keine gültigen Fahrkarten, schob ich zur Seite. Wir befanden uns sozusagen in einer Notlage. Ich lehnte es auch ab in Mailand einen Fahrkartenschalter aufzusuchen, um die Fahrscheine umzutauschen oder Neue zu lösen. Wir sprachen nur bruchstückhaft italienisch und der Herr am Fahrkartenschalter in Mailand konnte voraussichtlich kein Deutsch. Keine gute Voraussetzung um unsere Situation zu erklären.

Umsteigen bitte.

glück:spiel II

Eltern, die abends mit Klein- oder Schulkindern in der Fußgängerzone von Bibione unterwegs sind, müssen vor allem standhaft sein und Nein sagen können. Jeder dritte oder fünfte Laden ist ein Spielsalon für Jugendliche. Die  Sala Gioca sind mit ihren blinkenden, glitzernden und akustischen Reizen ein Magnet für Kinder. Die Auswahl an Automaten ist groß, mit viel Elektronik, aber  mit wenigen Gewinnchancen. Bären, Puppen oder tolle Uhren, alles sehr verlockend. Zumeist glaubt man einen tollen Sachpreis mit dem Greifarm erfasst zu haben, dann entwischt das Glück  im letzten Moment. Der nächste Versuch gelingt bestimmt, alles was es dafür braucht ist ein neuer Jeton von Mama. Bei einem Blick in die Spielsalons kann ich beobachten mit welchem Ehrgeiz und Verbissenheit die Kids dem Glück nachjagen. Dabei werde ich etwas nachdenklich. Lebt diese Spielleidenschaft in späteren Jahren wieder auf, wenn sie selbst einmal über Geld verfügen? Oder ist dies ein kindlicher Hype, der in Vergessenheit gerät? Wer im allabendlichen Flanieren, besser gesagt im Gewühl noch das Gefühl hat, zu kurz gekommen zu sein, der findet am Strand in eigenen Spaßzelten Unterhaltung bis in die frühen Morgenstunden.

In den Badeorten von Oberitalien sind viele Kleiderläden, um nicht zu sagen Fetzenläden, Schuhläden und die Habenallesläden, fest in chinesischer Hand. Die neue Händlergeneration in den italienischen Tourismusorten kommt aus dem Fernen Osten. Dieser Trend setzt sich auch bei den Kebab und den Schnellimbissstandln fort.  Der Trend macht auch nicht vor Touristen Hochburgen wie Venedig halt. Auch dort haben sich die bei uns üblichen Ein Euro Shop etabliert. Nippes, Figuren aus Muranoglas, Made in China, gibt es hier für zwei bis drei Euro. Die Orginalfiguren aus Murano  erhält man für dreißig bis fünfzig Euro. Die Realitäten verschieben sich bisweilen radikal.

Zero

bahn:tunnel II

Bei der Feldarbeit in Politzen hatten wir keine Uhr dabei, die Jausenzeit und das Mittagessen richteten sich nach den, auf der Strecke verkehrenden, Personenzügen. Die Geschwister, welche abends die Kühe versorgten, machten sich nach dem Fünfuhrzug auf den Heimweg. Die übrigen Familienmitglieder blieben sommers auf dem Feld, bis die Arbeit erledigt war oder die Dunkelheit hereinbrach.

Das radikalste Ansinnen ist, die Bahnstrecke Villach – Klagenfurt zu untertunneln.  Dies wäre eine Strecke von zirka dreißig Kilometer. Dafür gibt es bis dato kein Einlenken von der ÖBB, noch auf politischer Ebene. Konkrete Planungsunterlagen fehlen. Nach dem Motto, man versenkt Milliarden von Euro im Wörthersee. Die Finanzierung erscheint  mir utopisch, diese könnte die Größenordnung vom Semmeringbasistunnel erreichen. Derzeit betragen die Baukosten für den Semmeringtunnel 3,3 Milliarden Euro. Mit einem Vorschlag möchte ich mich an den Planungen beteiligen. Abschnittsweise könnte man beim Wörtherseebahntunnel den Blick auf die Unterwelt des Wörthersees freigeben. Dies wäre für die Bahnreisenden, welche die Südbahnstrecke benützen, ein besonderes Zuckerl. Vielleicht wird man dabei der einen oder anderen Sagengestalt, die mit der Entstehung des Sees verbunden sind, wieder ansichtig. Für Sagengestalten hat unsere Zeitrechnung keine Gültigkeit.

Früher war es Usus entlang der Straßen ganze Ortsteile zu errichten, weil Straßen bedeuten Mobilität und für einige eine wirtschaftliche Existenz. Dies traf in besonderem auf Gastwirtschaften, Tankstellen, Bäcker und Fleischauer zu, zumeist auch auf Lebensmittelgeschäfte. Auf der Fahrt zu ihrem Urlaubsort haben Durchreisende Hunger und Durst. Mit der Straße kam der Verkehr und mit dem Verkehr die Touristen. Siedlungen, welche an Verkehrsknotenpunkten liegen, entwickeln sich besonders gut, dies kann man seit der Antike beobachten. Die Abneigung gegen den Straßen-, Bahn- und Flugverkehr  gibt es erst die letzten dreißig Jahre. Es ist paradox, da wir zumeist auf eines dieser Verkehrsmittel angewiesen sind. Wahrscheinlich wird auch die jetzige Euphorie für Drohnen dereinst einmal in Ablehnung umschlagen.

Flieg, Biene flieg.

bahn:tunnel I

Die Jahre, in denen man vom fahrenden Auto heraus die Gegend und die Landschaft beobachten konnte, sind endgültig vorbei. Zum Einem werden entlang der Autobahnen immer mehr Lärmschutzwände aufgestellt, man fährt in einem Tunnel seinem Ziel entgegen. Zum Anderem führen kaum noch Hauptverkehrsstraßen durch die Ortschaften. Inzwischen sind in großem Umfang Umfahrungsstraßen gebaut worden. Sehr zum Vorteil der Ortsbewohner, das Nachsehen  haben die Reisenden, denen manches Kleinod verborgen bleibt. Die Errichtung von Lärmschutzwänden passiert zumeist aufgrund von Bürgerinitiativen, die sich um den Lärmpegel sorgen.

Vor Jahrzehnten konnte man von der Autobahn, bei der Fahrt von Villach nach Klagenfurt, von oben einen Blick auf den Wörthersee genießen. Heute erkennt man anhand der Straßenschilder bei den Ausfahrten, dass man den Wörthersee entlang fährt. Ähnliches gilt für die Bahnstrecke, welche am Nordufer vom See verläuft. Der Bahnlärm verärgert die neu hinzugezogenen, welche sich ein Eigenheim in der Nähe der Bahngeleise gebaut haben. Es sind dies Leute, welche in der Landeshauptstadt Klagenfurt gut verdienen, und sich den Blick auf den Wörthersee leisten können.

Die Hoteliers entlang des Nordufers haben eine rabiate Forderung aufgestellt, die Bahn muss weg, in das Rosental verlegt werden. Vor einem Jahrhundert nahm, mit der Errichtung der Südbahn von Wien nach Triest, der Fremdenverkehr in Kärnten seinen Anfang. Dies ist heute noch nachvollziehbar, da damals die schönen Hotels und Villen entlang der Bahnstrecke gebaut wurden. Sie strahlen noch den Glanz der Jahrhundertwende aus. Die feine Wiener Gesellschaft kam zur Sommerfrische an den See. Ohne die Bahnverbindung wäre dies kaum möglich gewesen. Der Bahn sollte man eine neue Chance geben, kein Verkehrsmittel ist so  umweltverträglich.  Zudem stelle ich die Frage, was ist so schlimm am Bahnlärm?  In meiner Jugend bedeuteten die regelmäßigen Züge auf der Tauernstrecke, so etwas wie das Angebundensein an die weite Welt. Obwohl ich von der weiten Welt keine Vorstellung hatte.

Bahnhofshalle