AB . REISE

Es ist bedauerlich, wenn man von einem Urlaubsort mit dem Gefühl wegfährt, dass man noch nicht alle Ausstellungen oder Sehenswürdigkeiten besucht hat. Bei der Abreise von einem Sporthotel feststellt, dass man noch nicht alle Sporteinrichtungen benützt hat. Aus Zeitmangel hat man das Fitnessstudio, die Infrarotsauna und das Solarium nicht besucht.
 
Wie wird die Situation sein, wenn wir nicht von einem Ort, von einem Hotel, sondern von unserem Leben Abschied nehmen müssen. Vieles werden wir noch nicht gemacht haben, viele Orte nicht besucht haben und  vom Leben werden wir noch nicht alles in Anspruch genommen haben. Wie viel Schmerz  wird dieser Abschied verursachen, weil wir können an diesen Ort nicht mehr zurückkehren.
 
Die Unvollendete. 
 

Kommentar(e)    

Gerhard (18.7.07 23:48)
Fühlt ein alter Mensch wirklich so? Daß er Dinge versäumt hat? Oder ist das nur die Projektion des jüngeren Menschen?

Abgesehen davon: Ich habe 1000 Dinge versäumt, aber einige wenige Dinge getan, die dafür vielleicht entschädigen. So gesehen gefällt mir der Begriff “Versäumnis” in letzter Zeit nicht mehr. Ich finde ihn eher “unpassend” für mich.

Gruß
Gerhard

schlagloch /
Hallo Gerhard!
Wird man im Alter “weise” und denkt an die Dinge die man gemacht bzw. erlebt hat und nicht an die Dinge, welche man versaeumt hat? Vielleicht ist das mittlere Alter eine “schwierige Zeit”.
Gruss schlagloch.
Mo / Website (19.7.07 13:16)
Was ist dann mit den Menschen, die in jungen Jahren gehen müssen ? Hieße der Umkehrschluß, dass alle jungen Menschen unerfüllt sterben ?

Ich möchte das nicht glauben. Ich möchte glauben, dass das Lebensalter vielleicht nur eine sekundäre Rolle spielt. Ich möchte daran glauben, dass es eher auf die besonderen Momente ankommt, die man auch in jungen Jahren erleben kann….

Vielleicht spielt am Ende nicht das Entbehrte eine Rolle. Vielleicht spielen nur die Dinge eine Rolle, von denen man weiß, dass man sie hatte und die man nun loslassen muß….. Vielleicht nimmt man sie ja auch mit dorthin, wo man dann hingeht….

Viele Grüße
Mo

weichensteller / Website (19.7.07 14:33)
Nach meiner Erfahrung ist das die Frage der Hinterbliebenen: Was habe ich versäumt, mit dem/der Verstorbenen noch zu tun, auszusprechen, nachzufragen, wieder gutzumachen. Das ist das Ungeklärte, das in der Welt zurückbleibt.
Der Sterbende resümiert gewiss nicht, was ihm alles fehlt – er/sie macht sich bereit für den Übergang in eine andere, unbekannte Welt und für die Übergabe an Gott: als der Mensch, der man GEWORDEN IST bis dahin. Als Gläubiger, Liebender, Vetrauender oder als Skeptiker und in Angst. Für diesen Übergang wird immer alles fehlen, denn jeder geht ihn nur ein Mal. Man kann sich also nicht darauf vorbereiten, sondern nur glauben und vertrauen lernen und mit Gott so vertraut werden wie möglich.
Liebe Grüße
weichensteller

Übrigens: Genau das wird das Thema des kommenden Kritischen Oktober in Villach-Völkendorf.

Gerhard (19.7.07 19:29)
@Schlagloch: Missverständnis wohl. Ich bin im mittleren Alter.
Und ich denke, Du hast recht mit dem mittleren Alter. Man weiß, man geht aufs Alter zu und stellt sich bestimmte Fragen – die wohl zur Lebensmitte als solcher gehören!

@Mo: “Ich möchte glauben, dass das Lebensalter vielleicht nur eine sekundäre Rolle spielt. ” Auch ich glaube das.
Erfüllung kann man in 20 Jahren oder auch in 90 Jahren finden oder eben nicht. Muß man (nur) Jahre anhäufen, um eine Chance auf Erfüllung zu finden?

@Weichensteller:
Das finde ich sehr gut, was Du schreibst.
Ich kann mir vorstellen, daß man als Sterbender ein lächelndes und ein gnädiges Auge auf die Leidenschaften der Mitmenschen wirft. Wonach die Menschen so alles streben und was sie unbedingt haben müssen: Anerkennung, Liebe, Sex, Geld, Stellung, nochmal Sex, wer weiß was auch immer. Er steht schon aussen vor, kann aber sehr gut verstehen – denke ich.

“Man kann sich also nicht darauf vorbereiten”: Das schockt mich. Das war ja immer meine Hoffnung.

Grüsse an alle


schlagloch /
Hallo Weichensteller!
Die Frage, was habe ich versaeumt oder was habe ich nicht erledigt, kann sich jemand der ploetzlich aus dem Leben gerissen wird nicht stellen. Bei den meisten Menschen zeichnet sich das Ende langsam ab, das heisst die Kraft und der Wille werden weniger oder es treten mehrere Krankheiten auf. Da ist Zeit, manchmal so gar zuviel Zeit, das eigene Leben Revue passieren zu lassen, ohne noch etwas aendern zu koennen.
Gruss schlagloch.

VER . REISEN

Jeder kennt die Situation, dass man zum Verreisen zuviel an Kleidung einpackt. Für eine Woche Urlaub nimmt man fünf Hemden, drei Hosen, eine Jacke, zwei Strickwesten und einen Pullover mit. Dazu kommt die Bekleidung für die sportlichen Aktivitäten, wie Schwimmen, Yoga, Wandern und Radfahren. Auf die persönlichen Sportgeräte und den Standard von zu Hause will man nicht verzichten. Im Urlaub wollte man ausspannen und sich entspannen, trotzdem werden für alle möglichen Tätigkeiten Vorkehrungen getroffen. Fährt man mit dem Auto in den Urlaub, dann spielt das Gewicht des Reisegebäcks keine Rolle. Jene, die mit einem öffentlichen Verkehrsmittel verreisen merken beim Tragen des Gepäcks schmerzlich, dass sie zuviel eingepackt haben.
 
Ähnliches erleben wir im Alltag, wenn wir uns zu viele Aufgaben vornehmen und im Laufe der Jahre immer mehr Vorhaben auf unsere Schultern aufladen. 
Wir merken davon lange nichts, bis die Hals- und Brustwirbelsäule oder die Lendenwirbelsäule schmerzt. Meistens geben wir die Schuld der Wirbelsäule, selbst wollen wir keinen Ballast abwerfen.
 
Das gebrochene Kreuz.
 

Kommentar(e)     

Gerhard (7.7.07 00:18)
Einjeder kennt dieses Phänomen. Weniger wäre mehr – aber irgendetwas lässt uns “hamstern”.
Was ist der Grund?
Vermeidung, denke ich spontan!
Sucht ist ja Vermeidung pur.
Vermeidung des Sich-anschauens.

Irgendein Weiser sagte mal: Wir wollen die wahre Natur des Menschen nicht zur Kenntnis nehmen! So entsteht Not. Diese füllen wir dann mit allerlei Zeug, stürzen uns in Süchte, stopfen uns voll.

Das ist so ne unvollständige, amateurhafte Sicht eines Laien.
Aber vielleicht recht nahe dran.

orange / Website (7.7.07 09:55)
Hallo Schlagloch,
den Alltag mit einem vollgepackten Urlaubskoffer zu vergleichen trifft es wahrlich.

Die Erwartung von außen und innen macht das Leben oft schwer – obwohl eh jeder weiß, dass man es leichter nehmen könnte.
Aber wer steht schon gerne angepatzt, underdressed oder völlig unzureichend ausgestattet vor einer Gesellschaft, vor welcher auch immer? In einem strahlend weißen Hemd hebt sich das Selbstbewusstsein enorm und plötzlich scheint das Leben leichter, obwohl es schwer auf den Knochen lastet. Wer wird denn diesen Schmerz schon offen zugeben wollen? Nur nicht schwächeln, wenn es den Anschein zum Lohn hat, sich so gut und obendrüber zu fühlen!

LG Isabella

Windrider (8.7.07 18:13)
Lieber Schlagloch,
deine Gechichte finde ich nur zu treffend, interessanterweise finden sie aber die, die es betrifft, lange nicht so treffend. Ballast abwerfen – das wäre es wohl, aber kaum jemand macht es. Im Gegenteil, meiner Erfahrung nach machen das Leute mit Rückenschmerzen gerade überhaupt nicht. Die laden sich eher noch ein Päckchen auf und wundern sich dann, warum ihnen dann bald alles weh tut.
Liebe Grüße Windrider
schlagloch /
Hallo Gerhard!
Wir sind seit Urzeiten Sammler und Jäger, sozusagen “menschliche Hamster”. Durch die Unsicherheiten im Sozialsystem werden die Hamsterinstinkte stärker und auch die Belastungen.
Gruss schlagloch.
schlagloch /
Hallo Isabella!
Manchmal ist der Urlaub keine Auszeit, da kommen neue Erwartungen dazu. Unser Notensystem belohnt nur die Starken, mit allen Folgen.
Gruss schlagloch.
schlagloch /
Hallo Windrider!
Meistens führen Schmerzen zum Umdenken, manchmal sehr spät.
Gruss schlagloch.

weichensteller / Website (14.7.07 14:39)
Hallo Schlagloch!
Verreisen ist wie verirren, verlieren, vermissen, verlassen, ….. verlieben usw. – nämlich eine Fehlform!
Lieber REISE ich, LIEBE ich.
Und SCHREIBE ich.

Z.B. hier:
http://weichensteller1.twoday.net/
http://weichensteller2.twoday.net/

Übrigens meistens vom Reisen!
Liebe Reisegrüße
weichensteller