costa:concordia V

Zu den Höhepunkten einer Kreuzfahrt zählt das Abendessen, welches in einem der festlichen und verspielten Speisesäle eingenommen wird. Für das ältere Publikum ist dies ein gesellschaftliches Ereignis und der Anlass um die Abendgarderobe zur Schau zu tragen. Von den jüngeren Ehepaaren, von den Kindern, wird auf die Bekleidung kein Wert gelegt. Kommt es auch bei anderen Terminen zu Verzögerungen, zum Abendessen erscheinen alle pünktlich. In einer Woche gibt es verschiedene Gala Menüs: „Willkommens Abendessen“; „Abendessen des Küchenchefs“;  „Abendessen des Kapitän Francesco Schettino“.  Für Überraschung ist am ersten Abend gesorgt, wer werden die Tischnachbarn sein? Mit gewisser Sorge hofft man auf sympathische Menschen. Als Kaufmann bin ich den Umgang mit fremden Menschen gewöhnt und anpassungsfähig, ich erwarte mir gesprächsbereite und weltoffene Sitznachbarn. Bei einer Gruppenreise lernt man so einige seiner Mitreisenden näher kennen.

Die Tischgespräche beim ersten Diner sind ein vorsichtiges Abtasten, dabei kann es hilfreich sein, wenn man aus demselben Tal kommt oder den gleichen Beruf ausübt. Als Selbstständige ähnliche Erfahrungen gemacht oder bei denselben Lieferanten einkauft hat. Viele Kreuzfahrtteilnehmer haben eines gemeinsam, dass sie allesamt in Pension sind. Es gibt eine Hierarchie unter den Tischnachbarn. Jene, die am längsten in Pension sind genießen das höchste Ansehen und haben in den Diskussionen das letzte Wort. Eine Dame ist seit siebenundzwanzig Jahren in Pension, war siebenundzwanzig Jahre selbstständig und siebenundfünfzig Jahre verheiratet. Mit ihrem verstorbenen Mann hat sie einen Süßwarengroßhandel betrieben. Uns verbindet die Meinung, dass es die kleinen Selbstständigen schwer hatten und haben, dabei waren die 70er und die 80er Jahre fruchtbare Jahre für den Mittelstand. Beide haben wir beim Süßwarenhersteller Kindler in Villach eingekauft. Er hat Dreieckschnitten, Stollwerk und Eiszuckerln erzeugt. Nach dem Konkurs hat er eine kurze Zeit in Hohenthurn im Gailtal produziert, bevor er endgültig zugesperrt hat. Die Frage, warum er in Konkurs gegangen ist konnten wir auch dreißig Jahre später, nicht beantworten.

costa:concordia IV

Geiz ist geil beim Einkaufen, man kann auch bei der Zeit geizen. Bei einer Reise will man fünf Minuten Zeit sparen, die man später zum Bus kommt. Einen weiten Teil des Lebens hat man unter dem Zeitdruck zwischen Beruf und  Familie gelitten, dann geht man in der letzten Minute zur Abfahrt. 

Vor dem Wegfahren kommt das Einpacken der Reisebekleidung. Viele Reisen scheitern daran, dass man die Tortur des Kofferpacken nicht auf sich nehmen will. Die Wenigsten sprechen von ihren Problemen beim Einpacken. Manche behelfen sich dadurch, dass sie diese Arbeit an andere abgeben. Sie lassen sich die Vorfreude auf die Reise nicht durch die Qual der Wahl, was und wie viel eingepackt werden soll, verderben. Sie bürden die Entscheidung, wie viele Hemden, Blusen, Socken, Hosen, Kleider, Jacken, Slip, Unterhemden und Schuhe mitgenommen werden sollen, anderen auf. Glückt es die richtigen Utensilien, wie Badezeug, Lesestoff und Toilettensachen mitzunehmen, dann gelingt auch die Reise. 

Beim Auspacken treten kaum Schwierigkeiten auf, man braucht keine Entscheidungen zu treffen. In der Schiffskabine ist der Platz beschränkt, für den Inhalt eines Reisekoffers ist genug Platz. Im Kleiderschrank befinden sich für den Fall, dass das Schiff in Seenot gerät, auch die Rettungswesten. Schon am ersten Seetag fand eine Rettungsübung statt. Jeder musste sich zu den Rettungsboten begeben, es gab keine Ausnahmen. Das Anlegen der Schwimmwesten wurde vom Bordpersonal vorgezeigt. Erst als alle Passagiere angetreten waren, wurde die Seenotübung abgebrochen. 

Im Kleiderkasten verstauen wir auch unseren Sack für die Schmutzwäsche. Im Falle einer Seenot hätten wir zwei Dinge griffbereit, die Schwimmwesten und den Beutel mit der Schmutzwäsche. Bei Seenot würden wir auf keinen Fall die Schmutzwäsche an Bord lassen. Müssen wir von Bord gehen, dann auf keinen Fall ohne unsere Schmutzwäsche. Noch nie sind wir von irgendwo abgereist ohne unsere Schmutzwäsche mitzunehmen. Wir sind ordentliche Reisende, wenn von Bord, dann alles von Bord.

costa:concordia II

Die Bestellung eines Cappuccino wird im Thermalcafe nicht mehr angenommen, die Mittagspause hat begonnen, ich bin eine Minute zu spät. Als Pensionist habe ich Verständnis  für Menschen im Berufsleben, andere werden aggressiv und arrogant. Eine Möglichkeit ist, vom Rentner zum Wutbürger zu mutieren. Einspruch erheben, wenn man bei der Bedienung oder bei einer Behandlung zu einem Menschen zweiter Klasse zurückgestuft wird. Kommt im Ruhestand die Zeit um persönliche Dinge und Ideen zu verwirklichen? Die eigenen Wünsche sollen Berücksichtigung finden, ansonsten ist man nur Befehlsempfänger.

Durch den Besuch des Hallenbades am Sonntagvormittag habe ich mich dem Sonntagsritual, dem Kirchgang, entzogen. Der allumfassende Gott stellt es jedem frei wie man ihn verehrt und seiner gedenkt. Die Macht Gottes anerkennen, über die Art des Respektes soll jeder selbst entscheiden. Respekt fordere ich im zwischenmenschlichen Bereich ein, Respektlosigkeit gegenüber einem Mitmenschen ist eine Respektlosigkeit gegenüber Gott.

Verdient ein Massenmörder, ein Tyrann, noch unsere Achtung? Der entstellte Körper des ermordeten Muhamed Gaddafi wurde in Lybien öffentlich zur Schau gestellt, vom Fernsehen der ganzen Welt gezeigt. Er hat sich in einem Kanalrohr versteckt und bei seiner Festnahme um sein Leben gebettelt. Er, der Anderen gegenüber kein Mitleid hatte, hat für sich Barmherzigkeit gefordert. Muhamed Gaddafi hat viele Todesurteile verhängt, aber sich vorm eigenen Tod gefürchtet. Morgen beginnt die Mittelmeerkreuzfahrt.

 Aus dem Reiseprospekt: „Auf zwei Brücken ist eine Fläche von fast zweitausend Quadratmetern allein für Sport und Wellness vorbehalten, dazu gibt es vier Schwimmbäder, zwei davon mit beweglichem Glasdach. So lässt sich die Sonne auch im Winter genießen. Sonnendurchflutete, weitläufige Brücken, dreizehn Bars, fünf Restaurants und über fünfhundert Kabinen mit Balkon. Genießen sie das Blau des Mittelmeeres und genießen sie jeden Augenblick an Bord.“

RECHTS:links

Jährlich findet die Messe „Buch Wien“ statt, dabei kann man abseits der Ausstellungskojen mit den vielen Büchern verschiedene Erfahrungen sammeln. Bei einem längeren Aufenthalt ist zwischendurch ein WC Besuch notwendig und so steuert man in der Messehalle das öffentliche WC an.  Als Mann hat man die Auswahl zwischen zwei WC Eingangstüren, man steht vor der Entscheidung, nimmt man die rechte oder die linke Tür. Im ersten Augenblick ist man irritiert warum es zwei Türen gibt. Als Rechtshänder habe ich automatisch die rechte Tür, zur WC-Benützung gewählt. Aus Neugierde habe ich beim nächsten WC Besuch die linke Tür benützt und festgestellt, dass dieses WC nur ein Drittel der Pissoir und Kabinen vom rechten WC hatte und es war kaum frequentiert. Es hat seine Richtigkeit, dass Rechtshänder automatisch zu Waren und Türen greifen die rechts angeordnet sind und Linkshänder machen das Gegenteil. Deshalb hat man das „Rechte WC“  mit viel mehr WC Plätzen ausgestattet als das „Linke WC“.    

Bei solchen wesentlichen Unterschieden erhält der Diskurs, ob es vertretbar ist, dass man über Duino, Grado und Venedig noch ein Gedicht schreibt, eine andere Dimension. Diese Frage richtete ich an den Autor Erich Schirhuber und Verleger des Buches: „Zum Beispiel im Süden“ .

Der Autor antwortete mit einer Gegenfrage: „Kann man über die Liebe noch ein Gedicht schreiben, wo es schon so viele Liebesgedichte gibt“?   

Offene Frage.

 

ANT:wort

Kaum ein anderes Verkehrsmittel verbindet so viele Vorteile, ein großes Platzangebot und komfortable Sitze in den Waggons, wie die Eisenbahn. Die Bahnhöfe befinden sich zentral in der Stadt und es gibt Anschlüsse an die anderen öffentlichen Verkehrsmittel. In den Großstädten kann man vom Zug in die U-Bahn umsteigen und in Bahnhofsnähe befinden sich mehrere Hotels. Beim Kauf einer Fahrkarte ist es möglich eine Unterkunft mitzubuchen. Für die Zugreisenden gibt es keinen Megastau wie wir es vom Autoverkehr kennen. Als Lenker muss man beim Autofahren auf den Verkehr achten und nimmt die Landschaft, die Orte, durch die man fährt nur eingeschränkt wahr. Als Bahnfahrer kann man seine Aufmerksamkeit der Landschaft widmen. Ist die Sicht, wie  hier auf den Semmering, durch Nebel eingeschränkt, dann kann man sich der spätherbstlich gestimmten Innenwelt zuwenden.

Der Zug hat die Ebene des Wiener Beckens erreicht und fährt Richtung Wiener Neustadt. In den Ortschaften, rechts und links der Bahnstrecke, leben und arbeiten Menschen aus den unterschiedlichsten Motivationen. Durch die räumliche Trennung, ich im Zugabteil und die Anderen im Freien, stellt sich für mich die Frage: Warum und wozu nehmen wir uns die  Mühen im Alltag, der unterschiedlichsten Art, auf uns? Ich kenne für mich keine zufriedenstellende Antwort und werde sie wahrscheinlich auch nicht in einem der vielen  Bücher auf der Buchmesse in Wien  finden.

Antworten.