corona:wahl

Wie weit das Coronavirus auch in die Ausübung von Staatsbürgerlichen Pflichten eingreift und verändert erlebten wir bei den Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen in Kärnten. Wenn überhaupt fanden die Wahlveranstaltungen in kleinem Kreis mit besonderen Hygiene Maßnahmen statt. Die Auftritte von wahlwerbenden Parteien an öffentlichen Plätzen waren von Zurückhaltung geprägt, zumeist begnügte man sich mit einem kurzen Meinungsaustausch. Dabei waren Mundnasenschutzmasken und Abstand notwendig. Ein besonderes Erlebnis verschaffte die Stadt Villach ihren Bürgern, welche die Möglichkeit einer vorzeitigen Stimmabgabe nützten. Bei der Abholung einer Briefwahlkarte konnte man in einer sogenannten Freiluftwahlkabine den Stimmzettel an Ort und Stelle ausfüllen und in eine Wahlurne werfen. Nach meiner Beobachtung wurde diese Möglichkeit sicher zu wählen gerne angenommen.         

In den Wochen danach mischten sich die neugewählten Bürgermeister unter das Gemeindevolk. Bei vorangegangenen Gemeinderatswahlen war es für mich selbstverständlich dem neuen oder auch wiedergewählten Bürgermeister mit einem Handschlag zu seinem Amt zu gratulieren. Eine selbstverständliche Ehrbezeigungen bei einem Zusammentreffen mit dem Bürgermeister. Im Anblick des neuen Gemeindeoberhaupt habe ich den Arm schon halb ausgestreckt und ihn dann wieder zurückgezogen und einen Schritt zurückgetreten. Eine Verhaltensweise auf Grund der Pandemie, wieviel Herzlichkeit ist in den Monaten der Pandemie verkümmert? Die nächsten Jahre nicht mehr renaturierbar, wir werden neu lernen müssen einander wieder menschlich zu begegnen. Wieviel Körperkontakt wird zu Bekannten, zu Freunden nach der Pandemie erwünscht sein? Werden wir uns je wieder so ungeniert, ohne Hintergedanken wie vor dem Jahre 2020 die Hände schütteln?  Kann es sein, dass uns die nächsten Jahre das Unterbewusstsein daran erinnert, es könnte bei einer Umarmung oder Händeschütteln zu einer Übertragung von Viren kommen? Lieber einmal vorsichtig als einmal unvorsichtig. Welche neuen Formen der Begrüßung die unseren sozialen Bedürfnissen entsprechen wird es in Zukunft geben?  Werden die Benimmregeln nach der Pandemie neu erfunden oder passiert dies danach in einer digitalen Form? Per Handy und SMS den anderen einen guten Tag wünschen, selbst dann, wenn man sich persönlich gegenübersteht, so bleibt man virenclean. Eine berührungslose Welt, die Emotionen werden durch die Emojis übermittelt. Dies geschieht heute schon vielfach, statt mit Worten wird mit Emojis kommuniziert, neutral und universell und mit keinem menschlichen Einsatz Äußerung verbunden.

https://www.schlagloch.at/2020/04/30/coronatraum/  

corona:konzert

Befremdlich wirkt es für mich, wenn im Fernsehen Konzertaufführungen aus dem Musikvereinssaal vor der Corona Pandemie gezeigt werden. Der Musikvereinssaal ist gesteckt voll, jeder Platz ist besetzt und nach einer Symphonie klatschen die Besucher begeistert in die Hände und dazwischen sind noch Bravorufe zu hören. Dabei zieht sich bei mir das Herz zusammen, ich sehe die Besucher im Saal alle als akut Coronavirus gefährdet. Eine solche Menschenansammlung ohne jeden Abstand und Mundnasenschutz. Besteht nicht die Gefahr einer Super Infektionsansteckung?  Soweit hat sich schon das Corona – Trommelfeuer vonseiten der Bundesregierung bei mir verinnerlicht.

Ein anderes mal zieht sich bei mir das Herz zusammen, wenn jetzt in Lockdown Zeiten ein Konzert live übertragen wird und beim Schwenk in den Konzertsaal kein einziger Besucher zu sehen ist. Gerne würde ich im Saal sitzen. Auch aus Empathie mit den Musikern, welche in einen Saal ohne Publikum blicken, wo sie es gewöhnt sind für ein Saalpublikum zu spielen und jetzt musizieren sie für ein anonymes Fernsehpublikum. Zum Schluss applaudieren die Musiker, für den Dirigenten, für die Zuseher daheim vor dem Bildschirm oder für sich selbst?

Ähnlich ist die Situation bei Sportveranstaltungen, bei Skirennen oder Fußballspielen. Vor meinem Auge sehe ich dabei das Wörtherseestadion in Klagenfurt, erbaut für dreißigtausend Zuschauer und die einzigen erlaubten Zuschauer sind Pflichtbesucher, die Trainer und die Serviceleute. Kein Gejohle beim Einlauf der Spieler, keine Anfeuerungsrufe, niemand schwingt Vereinsfahnen oder Transparente. Die Freudenausbrüche der Anhänger fallen bei einem Tor aus. Statt auf die Zuschauer blicken die Fußballspieler auf eine steilaufragende Wand von leeren Sesseln. Eine dichte Wand, welche die Feldspieler von den Fans vor dem Stadium trennt. Bei einem Tortreffer kommt der Jubel von den eigenen Mitspielern, anstatt aus zehntausend Kehlen von außer Rand und Band geratenen Club Fans. Normalerweise sitzt ein Fan neben dem anderem, es gibt engen Körperkontakt und gemeinsam fiebert man dem Verlauf des Spieles mit. Es gibt nichts Sterileres als ein Stadion ohne Besucher. Wie lange werden die Spieler die leeren Stadionränge mental ertragen, wie lange die Sponsoren die Vereine unterstützen?

wie:weiter II

Wie geht es weiter, habe ich mich nach der Buchhandelslehre, dem Wehrdienst und einem einjährigen Intermezzo in der Schuhfabrik Gabor in Spittal / Drau gefragt? Die Arbeit in der Fabrik war als eine schnelle Überbrückung nach dem Bundesheer gedacht. Beim Einstellungsgespräch machte mich der Personalchef darauf aufmerksam, ob dies der richtige Job sein würde? Er hatte recht, die Akkordarbeit als Absatzschrauber am Montageband war sehr eintönig. Das Kennenlernen der Arbeitsbedingungen in einem deutschen Unternehmen aber lehrreich. Acht Stunden am Tag ging es um Qualität, Verlässlichkeit und Arbeitstempo. Auch mein Lehrherr hat, ein Begriff aus einer versunkenen Zeit, hat nachgefragt, ob ich Lust hätte wieder als Buchhändler zu arbeiten. Lust schon, aber der Lohn eines Buchhändlers reichte nicht an den momentanen Verdienst der Akkordarbeit in der Fabrik heran. Eintrag von der Lohnliste Gabor Anderseits spekulierte ich mit einem Job im Journalismus oder in der Werbebranche.

Mir ging es auch darum von zu Hause wegzukommen, mich hielt es nicht lange am Bergbauernhof aus. Schätzte aber die Stabilität, welche der Jahreskreis mit den immer wiederkehrenden Abläufen, sähen, wachsen und ernten, am Bauernhof bietet. Bis zu den täglichen Arbeiten im Kleinen, welche von den Bedürfnissen der Kühe und Schafe, der Hühner und der Schweine vorbestimmt sind. Sie alle müssen zu einer bestimmten Zeit gemolken und gefüttert werden. 

Eine Stellenanzeige in der Kärntner Volkszeitung von der Adeg Genossenschaft erweckte mein Interesse. Es wurde ein selbstständiger Mann für die Werbeabteilung gesucht. Gefragt war jemand der von der Idee bis zum Text, von der Grafik bis zum Druck alles bewerkstelligen konnte. Die Handhabung einer kleinen Offsetmaschine eingeschlossen. Die Aufgabe war, für die selbstständigen Adegkaufleute Oberkärntens, die wöchentlichen und saisonalen Flugzettel und Plakate mit den Aktionsangeboten, von der Planung bis zum Druck fertigzustellen. Mein Bewerbungsschreiben hat den Personalchef der Adeg Genossenschaft überzeugt, er hat mir den Job angeboten. Er war von meiner Fantasie und den Ideen angetan, obwohl ich keinerlei Ausbildung im Bereich Werbung hatte…

wie:weiter I

Wie ist es nach dem Schulabbruch in meinem Lebensalter weiter gegangen. Es wurde eine Buchhandelslehre in der Buchhandlung Petz in Spittal Drau. Dort hat mich Tanzenberg noch einmal eingeholt. Während des Probemonats kam an einem Nachmittag mein ehemaliger Biologieprofessor Hartl in die Buch- und Papierhandlung. Beide zeigten wir uns überrascht. Der Professor war ein Schwiegersohn vom Chef. Mit Stolz wurde ich von den weiblichen Angestellten dem Professor als der neue Lehrling präsentiert. Zudem war ich der erste männliche Lehrling und der Erste, welcher eine Ausbildung zum Buchhändler machte. Zum Herrn Harald, wie der Chef von uns genannt wurde hatte ich ein gutes Verhältnis, welches bis in meine Selbstständigkeit fortdauerte. Sporadisch besuchte ich ihn und seine Frau in ihrem Bungalow in Pesenthein. Von der Terrasse bietet sich ein ergreifender Blick auf den Millstättersee. Die Terrasse, der Steingarten sowie die Stiege zum See wurden von Herrn Harald selbst verlegt. Das Verlegen von Natursteinplatten war für ihn Hobby und Ausgleich zum Geschäft. An Samstagen habe ich ihm bei den Verlegearbeiten geholfen und dafür ein kleines Entgelt bekommen.

In Arnoldstein eröffnete ich Anfang der siebziger Jahre eine Papier- und Buchhandlung. Nach ein paar Jahren Selbstständigkeit besuchte mich mein ehemaliger Lehrherr. Er berichtete mir von seiner Geschäftsaufgabe und fragte, ob ich an Teilen von noch vorhandenen Papierwaren zu einem günstigen Preis interessiert wäre? Mehrmals hat er mit dem Opel Caravan Waren nach Arnoldstein geliefert. Genau betrachtet waren es nicht so geläufig Artikel, solche, welche nach einem Schlussverkauf in Spittal/ Drau übriggeblieben sind. Mit viel Geschick habe ich diese Raritäten in mein Sortiment integriert. Sein Sohn hat Bodenkultur studiert und war in der Bleiberger Bergwerksunion für die Forstwirtschaft zuständig. Ab und zu ist er in das Papiergeschäft gekommen oder ich habe ihn beim Mittagessen im Gasthof Wallner in Gailitz gesehen.

krise:chance II

Die Diskrepanz beim Menschen, zwischen geistiges Wissen und tätigem Handeln, gibt es seit Jahrhunderten. Für mich ein innerlicher Widerspruch und daher meine Frage an den Vortragenden: „Haben die vielen Schriften, Bücher und Belehrungen für einen würdigen Lebenswandel versagt? Wir müssten ansonsten dem Paradies sehr nahe sein, dem Paradies über die Jahrhunderte wenigstens nähergekommen sein?“  Die Antwort des Psychologen und Theologen war keineswegs hoffnungslos, auf jeden Fall ehrlich: Er sah die Ursache für diese offen zutage tretende Diskrepanz darin, dass die Verbesserungen der Lebensgewohnheiten nicht von einer Generation zur Nächsten weitergegeben werden können. Jede größere Gemeinschaft, jede neue Generation muss jeden Tag aufs Neue damit beginnen die Welt besser und sinnvoller zu gestalten. Wir können uns nicht zurücklehnen und davon zehren, dass vor uns schon soundso viele an einer menschlicheren Gesellschaft gearbeitet haben.

Dabei kommt mir Sisyphus, der König von Korinth, in das Gedächtnis. Er war von den Göttern dazu verdammt täglich einen Stein den Berg hochzustemmen. Im letzten Moment rutschte er ihm wieder aus der Hand und den Abhang hinunter. Der Mensch ist dazu genötigt täglich mit seinen Aufgaben neu zu beginnen mit der Hoffnung, dass es ihm gelingen wird.  Mit der Ablöse der Vielgötterei durch den Monotheismus sind die Aufgaben und Unbilden für uns dieselben geblieben. Gnädig ist keine Eigenschaft des Göttlichen.  Aus dem Tagebuch vor Corona…